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Projekt „Mapping the Lives“ In diesen Berliner Häusern wohnten die Opfer der Nazis

Roderick Miller wollte wissen, ob in seinem Haus in Neukölln Verfolgte des Nazi-Terrors wohnten. Die Recherche ließ ihn nicht mehr los. Mit dem Projekt „Mapping the Lives“ hat Miller fast allen Opfern der Nazis im Dritten Reich einen digitalen Stolperstein gelegt.

 

„Der Junge hat im selben Haus gewohnt. Er ist jeden Tag durch denselben Flur gegangen, hat denselben Boden und dieselbe Haustür gesehen. Das ist schon ein merkwürdiges Gefühl“. Roderick Miller steht vor seinem Haus in der Hobrechtstraße in Berlin. In der Hand hält er ein Foto von dem Jungen, der im dritten Reich im selben Haus gewohnt hat, wie Miller jetzt.

Gert Kahan, 1925 geboren, verfolgt, weil er Jude war. Als er 15 Jahre alt war, wurde sein Vater in Dachau ermordet. Seine Mutter wurde über Theresienstadt nach Auschwitz deportiert. Gert schaffte es, 1941 mit 16 Jahren nach Palästina zu fliehen. Später emigrierte er nach Kanada.

Gert Kahan war 16 als er vor den Nazis fliehen musste. Seine Eltern wurden im KZ umgebracht. | Bild: rbb

Miller hat diese Informationen aus Gedenkbüchern und Daten aus dem Bundesarchiv zusammengetragen. Nicht nur für sein Haus, sondern für fast jedes in Berlin und ganz Deutschland. Auf der digitalen Stadtkarte „Mapping the Lives“ [mappingthelives.org] hat er die jüdischen Schicksale mit schwarzen Punkten markiert. So kann jeder recherchieren, wer in seinem Haus oder der Nachbarschaft gewohnt hat.

„Als ich 2004 nach Berlin kam, habe ich die Stolpersteine bemerkt und ich wollte auch wissen, wer in meinem Haus gewohnt hat“, sagt Miller. Die Suche war nicht leicht. Miller konnte nicht einfach nach der Adresse suchen, sondern musste das Berliner Gedenkbuch mit zehntausenden Namen durchgehen. So entstand die Idee für das Projekt Mapping the Lives, die digitalen Stolpersteine. 

Roderick Miller hat das Projekt „Mapping the Lives“ gegründet. | Bild: rbb

„Wir wohnen in denselben Häusern, das schafft eine Verbindung“

„Ich wollte, dass es leicht möglich ist, zu sehen, wer in welcher Straße gewohnt hat“, sagt Miller. Viele wüssten nicht über das Ausmaß der Verfolgung Bescheid. „Aus fast jedem zweiten Haus wurde jemand vertrieben“, sagt Miller. „Ich finde es wichtig, dass die Menschen, die heute hier wohnen, das verstehen. Wir wohnen in den gleichen Häusern wie damals, das schafft eine Verbindung, das vergisst man nicht.“

Hinter jedem schwarzen Punkt stecken Lebensgeschichten

Hinter den schwarzen Punkten sind Biografien und Fotos hinterlegt. | Bild: rbb

Daten basieren auf Volkszählung von 1939

Auf der Karte, die es auch als App geben soll, sind nicht nur Verfolgte jüdischen Glaubens vermerkt. Miller und seine Kollegen des gemeinnützugen Vereins „Tracing the Past“ wollen alle bekannten Opfer des NS-Regimes, die aufgrund ihrer Nationalität, Religion, politischer Überzeugung, sexueller Orientierung, sozialer Ausrichtung, körperlicher oder geistiger Behinderung oder als Widerstandskämpfer verfolgt wurden, dokumentieren. So wollen sie die zwischen 1933 und 1945 existierenden Wohngegenden in ganz Europa nachbilden. Die Arbeit am Projekt wird durch Spenden finanziert.

Die Daten für Deutschland basieren auf der durch Hitler angeordneten Volkszählung von 1939, ergänzt durch Informationen aus dem Bundesarchiv. „Fast alle Akten sind von Nazi-Behörden erstellt worden“, sagt Miller, damit müsse man vorsichtig umgehen. Auf Todesurkunden aus Konzentrationslagern stünde beispielsweise „Herzschwäche“, obwohl die Opfer ermordet wurden. Die Ergebnisse aus der Volkszählung seien allerdings fast die einzige Möglichkeit um die Adressen zu recherchieren.

Sendung: Abendschau, 12.07.2019, 19:30 Uhr

© RBB

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Künstlerkolonie Berlin

Christian ist ein Berliner Junge und wuchs im Schöneberger und Friedenauer Kiez auf. Er kam 1962 in Berlin Schöneberg zur Welt, hat vier Kinder und kommt aus einer grossen mit den Medien sehr verbundenen Berliner Familie. Er unterstützt den Verein bei seiner Aussenwirkung und der Dokumentation und dem Erhalt der Traditionen und Erinnerungen um diese einem grösseren Personenkreis zugänglich zu machen und der Nachwelt zu erhalten. Er ist in der AG Dokumentation und der AG Öffentlichkeitsrabeit tätig und Verantwortlicher Ansprechpartner im Sinne des Presserechts für den Verein.

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