Erik Ode

 

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Der Mann, der mehr war als nur der Kommissar

von Horst Pillau, 06.11.2010 in Berliner Morgenpost

Heute wäre er 100 geworden. Erik Ode war, in den Siebzigerjahren, der bis dahin prominenteste Kriminalkommissar des Fernsehens. Er ist nicht dauernd mit dem Revolver Verbrechern nachgejagt wie Dutzende seiner Nachfolger.

Er hat seine Fälle überlegt gelöst, nur den Motiven der Täter auf der Spur, und die Kamera ruhte dann lange auf seinem Gesicht. Sein Kommissar Keller hat nicht geflucht wie Götz George als Schimanski und er hat nicht in Bars „Stormy weather“ gesungen wie Manne Krug.

Erik Ode war ein Star wider Willen und nie auf Publicity aus. Er bekam Panik, wenn Autogrammjäger auf ihn zuliefen. Aus einer Veranstaltung im damaligen Sportpalast etwa konnte er nur auf geheimen Wegen herausgelotst werden. Er hielt Distanz und duzte zwar seine Assistenten, unter ihnen Fritz Wepper, wurde aber von ihnen gesiezt. Wer heute jung ist, muss ihn nicht kennen, Ruhm geht schnell vorbei. Aber damals, während jeder „Kommissar“-Sendung waren die Straßen wirklich leergefegt, es gab ja noch keine Aufzeichnungsgeräte. An einem „Kommissar“-Abend plante man nichts anderes, das bekamen die Kinos und Theater zu spüren. Nach Erik Odes Einschaltquoten – bis zu 70 Prozent – würde sich selbst Thomas Gottschalk die Finger lecken, aber die Quoten waren damals kein Thema und zum Glück noch kein Maßstab.

Ode hatte zeitlebens eine Wohnung am Berliner Breitenbachplatz, aber sein Haus hat der verschlossene Mann sich und seiner Frau Hilde Volk am Tegernsee gebaut, sein Kommissar wurde schließlich zwischen München und den Voralpen gedreht. Er mochte keine Zäune; zu seinem Grundstück gab es freien Zutritt, aber die Gartenmöbel mussten angekettet werden, sonst hätten die Verehrer sie mitgehen lassen. War er mit seiner Frau auf Theatertournee, habe ich oft in seinem Haus in Klausur gearbeitet. Einmal stand ein Mann aus dem Ruhrgebiet direkt vor dem Fenster und wollte den Kommissar sprechen. Als ich sagte, Erik Ode sei auf Tournee, antwortete er vorwurfsvoll: Jetzt mache ich schon das dritte Jahr extra hier Urlaub, um von ihm ein Autogramm zu bekommen, und nie ist er zu Hause.

 

Erik Ode war in den 30er- und 40er-Jahren Kabarettist und Schauspieler, nach dem Krieg aber hat er im RIAS politisches Kabarett gemacht. Seine Sendungen waren oft Sensation und Gesprächsstoff, denn es gab ja noch kein Fernsehen. Erik Ode synchronisierte amerikanische Schauspieler in unvergesslichen Filmen, etwa Gene Kelly, und noch heute reißt es uns hoch, wenn wir seine Stimme hören.

Dann kamen heitere Spielfilme, er stand auf Berliner Bühnen und spielte oder inszenierte, oft im Hebbeltheater. Curth Flatow und ich hatten unser erstes, gemeinsames Stück geschrieben, „Das Fenster zum Flur“ mit Inge Meysel und Rudolf Platte, Erik Ode inszenierte die Uraufführung 1960 beispielgebend und machte die Meysel zur Mutter der Nation.

Ich danke ihm unter anderem den vier Jahre später im Hebbel uraufgeführten „Kaiser vom Alexanderplatz“, der dort mit Rudolf Platte und Camilla Spira über 400 Mal gegeben wurde. Das Stück zeigte das Kriegsende in Berlin und wie man da überlebte. Ode inszenierte werktreu, atmosphärisch und pointensicher. Der Erfolg machte den Theaterdirektor Rudolf Külüs fassungslos, hatte er doch Angst vor SS-Leuten zum Weihnachtsfest gehabt, die Mischung zwischen ernst und heiter, die Ode sicher ausbalancierte, hatte es bei ihm noch nie gegeben.

„Der Kommissar“ aber überstrahlte den Regisseur, er wurde zu Odes Markenzeichen und zu seinem Lebensinhalt. Er erhielt die Goldene Kamera und dreimal den Bambi, da musste er notgedrungen in die Öffentlichkeit, aber am liebsten saß er in einem stillen Weinlokal in Rottach-Egern, trank Rotwein, seinen geliebten Kalterer, und sann vor sich hin. Dass „Der Kommissar“ nach der 97. Folge abgesetzt wurde und nicht erst zur 100., kränkte ihn. Danach hat er noch zum Ausklang an der Cote d’Azur die Serie „Sonne, Wein und harte Nüsse“ gedreht, freundliche Soft-Krimis, in denen er einen pensionierten deutschen Kommissar spielte, der dem französischen Kollegen Ratschläge gibt.

Als das Rauchen, die Lebensarbeit und die Enttäuschungen ihn geschwächt hatten und er in einem Münchener Krankenhaus lag, musste Erik Ode unter falschem Namen geführt werden, damit nicht Presse und Fans Zugang zu ihm fanden. Er wusste von seinem nahen Tod und hat noch kurz zuvor meine Frau gebeten, sich um Hilde zu kümmern. Einen Teil seines Erbes hat er dem SOS-Kinderdorf vermacht, auch aus den noch später einlaufenden Fernsehtantiemen. Bei seiner Trauerfeier in Rottach-Egern vor der Seebestattung zertrampelten Hunderte die Gräber, um ihm noch einmal nahe zu sein.

Andere Mörderjäger sind seither zuhauf tätig, aber immerhin, den „Kommissar“ wie auch „Sonne, Wein…“ kann man sich nun auf den gerade erschienenen DVD-Kassetten ansehen. Erik Ode war ein Teil unseres Lebens.

Unser Autor Horst Pillau wurde 1932 in Wien geboren, wuchs in Berlin auf. Neben Boulevardstücken, u.a. für das Ohnsorg-Theater, verfasste er für das Fernsehen zahlreiche Drehbücher.

© Berliner Morgenpost


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