Berlin will Wilmersdorfer Künstlerkolonie zurückkaufen in Berliner Morgenpost

 

Auch in Wilmersdorf gibt es nun Pläne, 700 ehemals landeseigene Wohnungen zu rekommunalisieren. Der Eigentümer will sie aber lieber behalten.

Philipp Siebert
 

Wilmersdorf..  Die Liste prominenter Bewohner ist lang. Einst lebten etwa Klaus Kinski, Ernst Busch oder Walter Kollo in der Wilmersdorfer Künstlerkolonie. Die Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (GDBA) baute die Siedlung zwischen Breitenbachplatz und Laubenheimer Straße aber nicht für Wohlhabende oder Stars. Ende der Zwanzigerjahre entstanden hier rund 700 Wohnungen um Kunstschaffenden mit wenig Geld oder unregelmäßigen Einkünften ein bezahlbares Heim zu bieten. Ein Anspruch, der bis heute besteht, allerdings laut der Mieter von die Eigentümergesellschaft Vonovia infrage gestellt wird.

„Die Künstlerkolonie wird immer weniger zur Künstlerkolonie“, bedauert der GDBA-Landesvorsitzende Dietrich Lehmann. Wo vor 30 Jahren noch 300 Kunstschaffende gelebt hätten, seien es heute gerade einmal 150. „Der nächste Schritt ist die völlige Vertreibung der Künstler“, ist Reiner Fischer, Sprecher des Mieterbeirats der Siedlung, überzeugt. Nach der bereits erfolgten Sanierung eines Teils der Anlage seien erste Mietsteigerungen von mindestens 50 Euro pro Wohnung für viele Bewohner mit geringen Einkommen und insbesondere kleinen Renten schwer zu verkraften.

Vor dem Hintergrund des weiteren Sanierungs- und Modernisierungspotenzials der Kolonie und jüngst eingegangener Mieterhöhungsverlangen kommt Fischer daher zu dem Schluss: „Wir wollen nur noch weg von der Vonovia.“ Ein Wunsch mit dem die Mieter beim Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf Gehör zu finden scheinen. „Bei der Kolonie handelt es sich nicht schlicht um Wohnraum, sondern um ein kulturpolitisches Projekt mit Mehrwert für die ganze Stadt“, ist Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) überzeugt. Vor diesem Hintergrund setze er sich nun für den Rückkauf der 700 Wohnungen ein, die 1994 von der landeseigenen Gehag veräußert wurden.

Bedingung des Landes ist Verkaufsbereitschaft der Vonovia

„Es besteht durchaus ein Ankaufsinteresse durch das Land Berlin“, sagt Petra Rohland, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Angebote der Vonovia lägen nicht vor, würden aber bei Vorlage ernsthaft geprüft werden. Das Ziel müsse dann Einigkeit über die Konditionen sein. „Die Bedingung für einen Ankauf durch das Land Berlin ist die Verkaufsbereitschaft der Vonovia.“

 

Mieterbeiratssprecher Reiner Fischer (M.) erklärt die Mietenproblematik. Baustadtrat Schruoffeneger (l.) will nun handeln Foto: Carolin Brühl

 

Diese scheint es bei Deutschlands größtem privaten Vermieter derzeit jedoch nicht zu geben. Grundsätzlich spreche man mit allen Interessenten, sagt Vonovia-Sprecher Matthias Wulff. „Wir sehen uns aber als langfristigen Bestandshalter und planen bei der Künstlerkolonie, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen.“

Unternehmen reagiert verwundert

Mit Erstaunen habe man aufgenommen, dass sich einige Mieter gemeinsam mit der Stadt indirekt an das Unternehmen wenden um die Besitzverhältnisse zu ändern, so Wulff weiter. „Damit wird eine Systemfrage aufgemacht.“ Man habe die Häuser in den vergangenen Jahren behutsam weiterentwickelt, sei ständig im Austausch mit den Mietern und gehe auf ihre Bedürfnisse ein.

Vorwurf von Mietsteigerungen über den Mietspiegel hinaus

Das stellt sich für Mieterbeirats-Sprecher Fischer ganz anders dar. Auf Beschwerden, wie etwa eine ausgefallene Heizung im Winter, reagiere die Vonovia nicht oder nur sehr zäh. Man höre immer wieder, dass man ja auch ausziehen könne, so Fischer weiter. „Aber mit Mieterhöhungen, die über den Mietspiegel hinausgehen, bricht die Vonovia jetzt endgültig den sozialen Frieden.“ Dass es die gegeben hat, weißt Unternehmenssprecher Wulff zurück. „Wir halten uns in Berlin grundsätzlich an den Mietspiegel.“ Ferner fühle man sich an das Erstbelegungsrecht der GDBA gebunden.

Dieses räumt der Genossenschaft bis heute ein, bei Freiwerden einer Wohnung zunächst einen Nachmieter aus den Reihen ihrer Mitglieder benennen zu können. Dabei gebe es eine Kappungsgrenze von 9,50 Euro pro Quadratmeter, erklärt Anna Kröger von der GDBA. Es gelte eine Frist von sechs Wochen ab Kündigung des Vormieters. Diese würde aber immer wieder verstreichen, so dass die Wohnungen auf dem freien Markt für 13 Euro und mehr angeboten würden.

Auch GDBA sieht vor allem Mietsteigerung als Ziel

Zwar sei die Vonovia in dieser Sache „eigentlich ganz umgänglich“, so Kröger weiter. Die Koordination sei aber schwierig. „Man merkt schon, dass generell die Kulanz, Umgangsweisen und das Verständnis für bestimmte Situationen nicht mehr so da sind.“ Oft könne man feststellen, dass es vor allem darum gehe, möglichst gewinnbringend die Miete durchzusetzen.

Die Vonovia verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die durchschnittliche Miete bei Neuvermietung im Jahr 2018 bei 9,82 Euro pro Quadratmeter gelegen habe – damit mehr als zwei Euro unter dem Bezirksdurchschnitt.