von Cay Dobberke
Veröffentlicht am 26.04.2019
Den ersten Rückkauf von Wohnungen in der westlichen Innenstadt könnte es in der Künstlerkolonie Wilmersdorf geben – das streben zumindest Bezirksbaustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) und der dortige Mieterbeirat an. Auch die Berliner Stadtentwicklungsverwaltung ist grundsätzlich dafür. Der Anlass sind Mieterhöhungen in der rund 90 Jahre alten, denkmalgeschützten Siedlung neben dem Breitenbachplatz und dem Südwestkorso an der Bezirksgrenze zu Steglitz-Zehlendorf.
Seit einigen Jahren gehört die Künstlerkolonie dem Wohnungsunternehmen Vonovia. Anfangs hatte niemand damit ein Problem. Doch nach Sanierungen seien die Mietpreise auf bis zu 11 Euro pro Quadratmeter erhöht worden, beklagen Bewohner. Vonovia halte sich damit nicht mehr an den Mietspiegel, kritisierte der Sprecher des Mieterbeirats, Reiner Fischer, bei einem Rundgang am Donnerstag. Das sei eine „Kampfansage“ und eine „Störung des Sozialfriedens“. Außerdem sei Vonovia kaum noch ansprechbar für Beschwerden und Wünsche. „Wir haben die Nase voll.“
Stadtrat Schruoffeneger befürchtet eine „Gefährdung des Konzepts Künstlerkolonie durch die Mietenentwicklung“. Nach Angaben der GDBA gehören nur noch 80 der 698 Mieter der Genossenschaft an, die den Wohnungsbau einst zusammen mit dem „Schutzverband deutscher Schriftsteller“ finanziert hatte. Später übernahm die landeseigene Wohnungsgesellschaft Gehag die Häuser. In den 1990er Jahren kam es zum Verkauf an ein Privatunternehmen; weitere Eigentümerwechsel folgten.
Um einen Rückkauf zu ermöglichen, will Schruoffeneger jetzt Briefe an Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher und Kultursenator Klaus Lederer(beide Linke) sowie Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) schreiben. Er fände es „hochspannend“, die Siedlung unter kommunaler Regie wieder attraktiver für Künstler zu machen – „auch für die Jüngeren“.
„Unzweifelhaft besteht ein Ankaufsinteresse durch das Land Berlin“, antwortete die Stadtentwicklungsverwaltung auf unsere Nachfrage. Vertreter des Mieterbeirats hatten Senatorin Lompscher mehrmals bei Bürgersprechstunden aufgesucht und um Unterstützung gebeten. Behördensprecherin Petra Rohlandgibt allerdings zu bedenken: „Die Bedingung für einen Ankauf durch das Land Berlin ist die Verkaufsbereitschaft der Vonovia.“ Bisher habe das Unternehmen kein Interesse daran signalisiert.
Vonovia zeigt sich überrascht. Vom Land Berlin „liegt uns bislang keine Anfrage vor“, sagt Sprecher Matthias Wulff. „Wir sehen uns als langfristigen Bestandshalter und planen bei der Künstlerkolonie, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen.“ Man habe die Häuser „behutsam weiterentwickelt“ und stehe „laufend im Austausch“ mit den Mietern. Für Künstler gelte ein Wohnungsbelegungsrecht: „Wenn eine Wohnung frei wird, bieten wir die zuerst der Bühnengenossenschaft an.“
Auch der Liedermacher Manfred Maurenbrecher ist in der Künstlerkolonie aufgewachsen, wohnt seit einigen Jahren wieder dort und hat ein Buch über das Quartier geschrieben. Anfang 2018 trafen wir ihn für einen Kiezspaziergang (lesen Sie dazu hier mehr).
Cay Dobberke, geboren in Berlin, wohnt seit mehr als 25 Jahren in Wilmersdorf. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an cay.dobberke@tagesspiegel.de