Die Nachrichtenagentur afp hat heute eine Reportage über die Nachbarschaftshilfe und den digitalen Kultur- und Lesesalon der Künstler in der Künstlerkolonie Berlin gedreht.
Schlagwort: Presse
Initiativen zentralisieren Nachbarschaftshilfe für Risikogruppen in Berliner Woche
Gabriele Weber ist eine Leseratte. Weil sie wegen der Corona-Krise gerade lieber zuhause bleibt und nicht immer Lust hat, ihre Bücher ein zweites Mal zu lesen, sorgt Christian Sekula, Nachbar und Pressesprecher des Vereins Künstlerkolonie Wilmersdorf, für Nachschub. Foto: Matthias Vogel
Die Corona-Krise ist schlimm, hat aber auch positive Auswirkungen. Die Menschen solidarisieren sich, rücken enger zusammen. In Wilmersdorf findet die Nachbarschaftshilfe der Künstlerkolonie gerade große Resonanz. Nicht nur im Kiez, sondern im ganzen Bezirk.
Christian Sekula hat Freunde in Italien und Frankreich. Deren Schilderungen bezüglich der Situation vor Ort aufgrund der Corona-Pandemie machten ihm klar: Die Risikogruppe der älteren Menschen und Kranken in der Künstlerkolonie muss vor dem Virus geschützt werden. Am 15. März gesagt, einen Tag später getan: Seither laufen beim Pressesprecher der Künstlerkolonie Wilmersdorf die Fäden telefonisch zusammen. Wer braucht Hilfe, wer kann helfen? Sekula vermittelt. 40 Nachbarn, Familien und Freunde haben sich bisher angeboten, die Älteren des Viertels dabei zu unterstützen, möglichst wenig Kontakt zu anderen Menschen zu haben. Sie übernehmen die Einkäufe von Lebensmitteln oder holen Medikamente aus der Apotheke. „Wir sind von der Resonanz überwältigt“, sagt Sekula.
Und auch von den Wellen, die seine Initiative schlägt: „Mittlerweile haben sich die Mieter der einzelnen Häuser zusammengetan, um ihren Senioren zu helfen. In jedem Flur hängt der Zettel mit unserer Nummer. Aber die rufen kaum noch an bei uns, sondern organisieren alles selber. Das ist großartig, die Menschen reden viel miteinander“, berichtet er begeistert. Und es kam noch besser.
Unter der Überschrift „Nachbarschaftshilfe in Zeiten von Corona“ haben jetzt unter der Ägide der Künstlerkolonie und des Vereins Nachbarschafft ein Dutzend Begegnungszentren, Kirchengemeinden und Kiezinitiativen in Charlottenburg-Wilmersdorf eine zentrale Anlaufstelle ins Leben gerufen, damit sich Nachbarschaften in Zeiten der zunehmenden Isolation nach dem gleichen Prinzip unterstützen können. Über ein Online-Formular auf den Webseiten der beteiligten Organisationen, auf der Homepage willkommenim-westend.de/nachbarschaftshilfeoder unter der Rufnummer 0157/33 17 92 36 kann eine Hilfeanfrage oder ein Hilfeangebot registriert werden. Mit an Bord sind etwa die Kirchengemeinde Neu Westend, die Interkulturanstalten Westend (Ulme 35), „Willkommen im Westend“, die evangelische Auenkirche, die Vereine Kiezbündnis Klausenerplatz und Divan sowie „charlottenburg-hilft“. Die lokalen Initiativen wollen die Hilfegesuche zielgenau vermitteln und dadurch Menschen ermutigen, das Angebot auch zu nutzen.
Christian Sekula dreht im Schatten dieses Erfolges schon an der nächsten Schraube. Online-Lesungen von Literaten aus den Reihen der Künstlerkolonie sollen die Einsamkeit der in Isolation lebenden Mitbürger lindern. Täglich sollen Beiträge ins Netz gestellt werden, der erste am Montag, 23. März.. „Die Menschen sehen das bekannte Gesicht eines Nachbarn und hören zu. Das schafft soziale Nähe und baut Ängste ab“, ist Sekula überzeugt. Den Anfang wird Sigrun Casper machen, Autorin mehrerer Romane. Fünf weitere Protagonisten aus dem Kiez konnte Sekula bereits gewinnen. Wer aus der Nachbarschaft der Künstlerkolonie auch gerne aus seinen Büchern, Texten oder anderen Publikationen etwas vorlesen und damit zum Gelingen des virtuellen kulturellen Treffpunktes beisteuern möchte, kann sich unter den gleichen Telefonnummern melden, wie Helfer und Hilfesuchende: Telefon: 0178/198 66 38 oder Telefon: 23 56 23 76.
Meinungsäußerungsfreiheit – Neuerscheinung AUS POLITIK UND ZEITGESCHICHTE
Freie Rede
Die Meinungsäußerungsfreiheit ist für die demokratische Willensbildung unerlässlich und genießt in Deutschland weitreichenden Schutz. Wie verhält sich dieses Grundrecht zu Hate Speech und Political Correctness?
Sich frei äußern und die eigene Meinung öffentlich verbreiten zu können, ist für freiheitliche demokratische Gesellschaften unerlässlich: Der ungehinderte Austausch konkurrierender Argumente und Sichtweisen ermöglicht politischen Wettbewerb und ist eine wesentliche Voraussetzung für die demokratische Willensbildung. Entsprechend weitreichend ist der Schutz, den die Meinungsäußerungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz genießt.
Angesichts der on- wie offline zu beobachtenden sprachlichen Enthemmung und vermehrten Hassrede werden die Grenzen der freien Rede gerade vielfach ausgetestet und von Gerichten zum Teil neu definiert. Zugleich wird „politisch korrekter“ Sprachgebrauch von einem nennenswerten Bevölkerungsanteil offenbar als Einschränkung der freien Rede empfunden.
Nachbarschaftshilfe in Charlottenburg-Wilmersdorf
Gemeinsame Pressemitteilung Berlin, 18.03.2020
Charlottenburg-Wilmersdorf:
Nachbarschaftshilfe in Zeiten von Corona
Begegnungszentren, Kirchengemeinden und Kiezinitiativen in Charlottenburg-Wilmersdorf haben eine zentrale Anlaufstelle ins Leben gerufen, damit sich Nachbarschaften in Zeiten der zunehmenden Isolation unterstützen können. Es gibt Menschen, die nicht einkaufen gehen dürfen, Leute, die ihren Hund nicht ausführen können, andere, die alleine sind und (telefonische) Zuwendung brauchen. Wir wollen diejenigen, die Hilfe brauchen und diejenigen, die sie bieten können, zusammenbringen. Ab dem 18. März 2020 bemühen wir uns über ein Online-Formular, telefonisch, sowie über Aushänge Unterstützung zu vermitteln.
Hierbei geht es nicht um bezahlte Arbeit, sondern um kleine Tätigkeiten, die Nachbar*innen übernehmen können, damit Risikogruppen und Kranke nicht unnötig aus dem Haus müssen. Zudem sind die Personendaten nicht öffentlich einsehbar und die Vermittlung der eingehenden Gesuche erfolgt durch Teams der lokalen Initiativen. Damit wollen wir Vertrauen schaffen, die Hilfen zielgenau vermitteln und Menschen ermutigen, das Angebot zu nutzen.
Über ein Online-Formular auf den Webseiten der beteiligten Organisationen und bei willkommen-im-westend.de/nachbarschaftshilfe kann eine Hilfeanfrage oder ein Angebot registriert werden.
Für die beteiligten Organisationen:
Kirchengemeinde Neu Westend
Interkulturanstalten Westend eV (Ulme35)
Willkommen im Westend
Auenkirche
Das Team von nachbarschafft e.V.
Künstlerkolonie Berlin e.V.
Das Team von charlottenburg-hilft
Das Team vom Divan e.V.
Das Team vom Kiezbündnis Klausenerplatz e.V.
Ansprechpersonen:
Frank Vöhler, Kirchengemeinde New Westend und Ulme35: 01739437036
Adam Naber, Projektkoordinator vom Haus der Nachbarschafft: 01784532411
Hannes Habekost, Charlottenburg-hilft: 0174 38 50 59 7
EFFI BRIEST | SERIENSTOFF – RBB
100 Jahre Groß-Berlin-Gesetz – Die Metropole, die immer weiter wachsen muss
Bild: akg-images/Gebrüder Haecke
Das Groß-Berlin-Gesetz vom 1. Oktober 1920 machte aus einer überfüllten Stadt eine Metropole mit fast vier Millionen Einwohnern. Heute sagt der Stadtentwicklungsexperte des Senats, Jens-Holger Kirchner: Es ist Zeit, dieses Gesetz fortzuschreiben.
rbb: Herr Kirchner, Ortsteile wie Buckow, Buch oder Heinersdorf gehörten bis zum 1. Oktober 1920 nicht zu Berlin. Heute ist das vielen in der Stadt vermutlich gar nicht mehr bewusst.
Jens-Holger Kirchner: Auch Pankow oder selbst Charlottenburg wären nicht in Berlin gewesen. Damals platzte die Stadt aus allen Nähten. Die Umlandgemeinden prosperierten, die konnten vor Kraft nicht laufen. Aber sie haben sehr wohl auch einen Beitrag geleistet für die städtische Infrastruktur von Berlin. Seien es die Rieselfelder, die Wasserversorgung oder eben die Krankenhäuser. Das sind so Sachen, an die man sich schon erinnern sollte, auch für die Zukunft.
War das damalige Berlin also abhängig von seinem Umland?
Ja. Und heute heißt es: Berlin kann nicht ohne Brandenburg, aber Brandenburg ist ohne Berlin auch nix. Und bei den mitunter komplizierten Beziehungen zwischen beiden Ländern, zwischen der großen Stadt und den Umlandgemeinden, sind schon Parallelen zu ziehen zwischen damals und heute. Gucken Sie sich mal in den Umlandgemeinden die Rathäuser an. Der Kreistag und die Kreisverwaltung im Landkreis Barnim – das ist alles vom Feinsten.
Wir Berliner mit unserer notorischen Finanzknappheit waren da immer hochgradig neidisch. Aber es ist eine Illustration dessen, was im unmittelbaren Umfeld von Berlin passiert. Das heißt ja nicht umsonst „Speckgürtel“. Wie groß auch der Nutzen ist, den die Umlandgemeinden aus der Berlinnähe ziehen: Gemeinsames Handeln aber auch gemeinsames Denken für die gesamte Region sind das Gebot der Stunde.
Sie haben alle Ebenen der Berliner Verwaltung erlebt, vom Bezirk bis zum Senat. Wie hat das Groß-Berlin-Gesetz von damals die Verwaltung bis heute geprägt?
Es hat Berlins Grenzen beeinflusst, im doppelten Sinne. Einmal natürlich die Grenze zu Brandenburg, die immer noch in allen Planungen ausgewiesen ist. Und dann die Verwaltungsgrenzen, die ja auch manchmal Denkgrenzen sind. Gerade im Verkehr war es lange so, dass etwa der „Stadtentwicklungsplan Verkehr“ – jetzt heißt er „Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr“ – weitgehend ohne Brandenburg stattgefunden hat. Obwohl die vielfältigen verkehrlichen Verflechtungen zwischen Brandenburg und Berlin virulent sind, das erleben die Bürgerinnen und Bürger jeden Tag. Trotzdem weiß bis heute niemand, wie eigentlich die Aufteilung der Verkehrsmittel für die Pendlerinnen und Pendler ist: Es gibt zwar Vermutungen. Aber wer nun wirklich unterwegs ist und womit – Straßenbahn, U-Bahn, Auto – das weiß keiner.
1920 – ein Jahr der Gegensätze
Er hat’s erfunden: Der damalige Oberbürgermeister Adolf Wermuth hat das „Groß-Berlin-Gesetz“ auf den Weg gebracht.
Und wie sieht es konkret mit dem Verhältnis zwischen Bezirken und Landesregierung aus?
Es gab schon damals Konflikte ohne Ende, auch markige Sprüche wie „Es schütze uns des Kaisers Hand vor Großberlin und Zweckverband“ [der Zweckverband Groß-Berlin bestand von 1912-21]. Das müssen also schon heftige Auseinandersetzungen gewesen sein. Das ist allerdings schon lange her, und spielte lange keine Rolle. Nach der Wende war dann der Unterschied Ost-West wichtiger, die Mauer in den Köpfen und die unterschiedlichen Standards, etwa in den Infrastrukturen. Doch seit zehn, fünfzehn Jahren ist nun wieder die wachsende Stadt Thema. Und es ist nicht bloß die Stadt, sondern die Metropolregion. Wie gesagt: Berlin ist ohne Brandenburg nix; Brandenburg ohne Berlin auch.
So dachten wohl auch 1920 viele Menschen. Aber trotzdem: Warum gab es diese Mega-Fusion, nach der Berlin plötzlich fast vier Millionen Einwohner hatte?
Aus Praktikabilitätsgründen. Wenn ich mir überlege, wie das damals alles organisiert war: Zigtausend Straßenbahnlinien, etliche Einzelunternehmen etwa bei der Wasserversorgung oder der Müllentsorgung. Das war für eine Metropole schwer zu organisieren. Dazu kam dann sicherlich auch ein fiskalischer Aspekt: Warum sollten die Bürger, die in Berlin arbeiten und vielleicht schon damals gutes Geld verdient haben, in Brandenburg Steuern zahlen? Das ist ja auch heute noch präsent, diese ganze Nutzung der Infrastrukturen durch die jeweiligen Bewohnerinnen und Bewohner des Nachbarlandes.
Andererseits waren Städte wie Charlottenburg oder Spandau eigenständig und selbstbewusst. Sind das die Bezirke bis heute oder gibt es sowas wie eine „Groß-Berliner-Identität“?
Nö. [lacht] Ich habe noch nie erlebt, dass sich irgendwer in einem Bezirk als Berliner fühlt. Das sind immer Kreuzberger oder Charlottenburger oder Spandauer. Spandau ganz besonders, die „freie Havel-Republik“. Da wird natürlich ein bisschen Folklore betrieben. Aber ich finde das ja nicht schlecht: selbstbewusste Bezirke, selbstbewusste Landkreise, selbstbewusste kommunale Ebene. Sie sind der Ausdruck eines positiv besetzten bürgerlichen Engagements.
Aber das Groß-Berlin-Gesetz ist doch dann in diesem Punkt gescheitert: Das eine, große Berlin gibt es nicht.
Das sehe ich anders. Vielfalt ist unsere Stärke. Da muss man einfach auch souverän sein und sagen: Nee, das Berliner Stadtmodell ist nicht die eine Mitte, wo sich alles zentral fokussiert. Wir haben ja auch ein anderes, förderalistisches Staatsverständnis. Und ich finde nicht, dass das Gesetz gescheitert ist, sondern man sollte es mal langsam weiterschreiben.
Was heißt „weiterschreiben“?
Zum Beispiel, dass es nicht mehr „Bernau bei Berlin“ sondern „Bernau von Berlin“ heißen sollte. Weil die Siedlungsstrukturen in den nächsten Jahrzehnten noch weiter wachsen werden und fließend ineinander übergehen. Wenn sie in Mahlsdorf unterwegs sind, wissen sie irgendwann nicht mehr, ob sie in Hönow sind oder in Hoppegarten. Oder nehmen Sie Falkensee und Spandau. Solche Beispiele gibt es viele. Da sollte man ernsthaft darüber nachdenken, ob diese Stadt nicht auch, was die Gebiete betrifft, weiter wächst. Die Fusion zwischen Berlin und Brandenburg war ja mal so eine Überlegung. Es gibt doch genügend verwaltungs- und kommunalpolitische Ansätze. Weil alle erkannt haben, dass diese Grenzen künstlich sind. Es würde viel einfacher sein, wenn man diese Grenzen auch überschreitet, was Verwaltung, Planung und vor allen Dingen die Realisierung gemeinsamer Projekte betrifft.
Die Verkehrswegeplanung zum Beispiel könnten sie wesentlich einfacher machen. Stellen Sie sich mal vor, heute wollen sie eine U-Bahn nach Brandenburg bauen. Da schlagen alle die Hände über dem Kopf zusammen. Damals, vor hundert Jahren, war das üblich. Was die Planung von Infrastruktur angeht, die ja der Siedlungsentwicklung vorausgehen muss, wäre das wesentlich einfacher.
Sie würden also ein „Update“ zum Groß-Berlin-Gesetz von 1920 machen, mit weiteren Eingemeindungen?
Nicht bloß Eingemeindungen, das hört sich so nach Okkupation an. Sondern man muss für diese Region das Beste suchen, auch zum Nutzen der Gemeinden rund um Berlin. Das ist das Gebot der Stunde. Und da sind natürlich hundert Jahre Groß-Berlin nicht bloß ein guter Anlass, sondern auch ein guter Zeitpunkt.
Die Stadterweiterung 1920 sollte allerdings auch stärker zentralisieren. Wäre es einfacher, wenn Berlin nur noch aus dem Roten Rathaus regiert werden würde?
Nein, ohne Bezirke geht es nicht. Die haben ihre Aufgaben. Was ich mir wünsche – und auch deswegen ist so eine Debatte wichtig – ist, dass wir mal aus diesem Loch rauskommen, in dem sich Berlin gerne befindet: Da schimpfen die Bezirke über die Senatsverwaltung und umgekehrt. Es ist eine gemeinsame Stadt, jeder hat seine Rolle.
Wir brauchen vermutlich sogar mehr als zwölf Rathäuser, wenn die Stadt weiter wächst. Ich bin immer ein großer Freund von Anpassungen an Gegebenheiten. Diese Bezirksfusionen geschahen seinerzeit unter völlig anderen Voraussetzungen, damals hieß es, die Stadt schrumpft. Das ist heute nicht mehr so. Pankow mit über 400.000 Einwohnern ist fast schon zu groß, weil die Verwaltung gar nicht mit gewachsen ist.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Sebastian Schöbel.
Sendung: Inforadio, 31.12.2019
© RBB Inforadio
Gutenberg-Recherchepreis: Ausschreibung der VRM und Lingen-Stiftung
Das Medienhaus VRM in Mainz und die Lingen-Stiftung mit Sitz in Köln loben einen neuen, nationalen Recherchepreis aus. Dies teilte das Mainzer Medienhaus mit. Adressaten des Wettbewerbs sind jüngere Journalistinnen und Journalisten von Lokal- oder Regionalzeitungen sowie regionalen Onlinemedien bis einschließlich 35 Jahre. Prämiert werden Beiträge, die sich durch „exzellente Recherche-Arbeit im regionalen Journalismus auszeichnen“ und im Zeitraum von 1. Mai 2019 bis 30. April 2020 publiziert wurden. Einsendeschluss der Bewerbungsunterlagen ist der 15. Mai 2020. Der Gutenberg-Recherchepreis ist mit 3.000 Euro (3. Preis), 5.000 Euro (2. Preis) und einem Hauptpreis in Höhe von 7.000 Euro dotiert. Die Verleihung der Preise findet im Herbst 2020 in Mainz statt. Hans Georg Schnücker, Sprecher der Geschäftsführung der VRM: „Ich freue mich, dass die VRM zusammen mit der Lingen-Stiftung als Initiatoren des Gutenberg-Recherchepreises ein Zeichen setzen, um junge Nachwuchskräfte in Zeiten von Fake-News zu ermuntern, mutigen und ehrlichen Zeitungsjournalismus zu betreiben, der sich abhebt.“ Heinz-Jürgen Lievenbrück, Vorstand der Lingen-Stiftung, erklärte, es sei unerlässlich, dass Presse- und Meinungsfreiheit gelebt werden, aber auch, „dass Qualitätsjournalismus eine Orientierungsmöglichkeit in diesen unruhigen Zeiten bietet, indem objektiv recherchiert und umfassend analysiert wird.“
Die Auswahl der Bewerber übernimmt eine fünfköpfige Jury, bestehend aus: Friedrich Roeingh, Chefredakteur „Allgemeine Zeitung“, VRM (Vorsitz); Annette Binninger, Mitglied der Chefredaktion der „Sächsischen Zeitung“; Anke Vehmeier, Leiterin Lokaljournalistenprogramm der Bundeszentrale für politische Bildung; Franz Sommerfeld, ehemaliger Chefredakteur „Kölner Stadt-Anzeiger“, und Werner Schulte, Geschäftsführer Lingen Verlag.
Die Schriftstellerin Nina George über die Veränderungen der Lebensbedingungen für Autorinnen und Autoren
Wie haben sich die Bedingungen von Künstlerinnen und Künstlern in den vergangenen 30 Jahren und im Zuge der Digitalisierung geändert? Das zeichnete Nina George in ihrem Eröffnungsvortrag zur Tagung „Digitale Kultur / Kultur des Digitalen“ mit einer Zeitreise, Fakten und Daten aus den wesentlichen Kunstbereichen in Düsseldorf nach.
Dieser folgende Auszug mit Bezug auf die Buchbranche ist mit freundlicher und exklusiver Genehmigung der Autorin im Syndikat-Jahrbuch sowie auf BUCHSZENE.DE einsehbar.
Ihr seid doch die Stradivaris unter den Arschgeigen.
2001 veröffentlichte Stephen King seine nur als E-Book erhältliche Novelle „Riding the Bullett“, sie kostete 2,50 Dollar, wurde in zwei Tagen eine halbe Million Mal geladen; ein Großteil gratis bei amazon.com. Nach zwei Tagen wurden die ersten illegalen Kopien herumgereicht und die Computer-Zeitschrift PC Welt brüstete sich, einen Weg zum Ausdrucken des 2,50-Dollar-Werkes gefunden zu haben. Auch andere Computerzeitschriften begannen mit ihren praktischen Leitfäden, wie ihre Leser im Internet an Umsonst-Kulturwerke kommen können. Illegal? Ist doch egal. Hier ein höfliches: „Ihr seid doch die Stradivaris unter den Arschgeigen“ fürs Protokoll und für Matthias Hornschuh, der es mag, wenn ich öffentlich ausfallend werde.
Die Technik diktiert den Wert der Kultur.
In der Buchbranche sanken die vertraglich vereinbarten Erlöse für die elektronische Buchverwertung; 2008 – also noch vor Einführung von Tablets und leistungsstarken Smartphones mit Lese-App – lagen sie bei 25 % auf den Verkaufspreis für die Autoren, inzwischen sind es 20 % des so genannten Nettoverlagserlöses – Kaufpreis minus Rabatte minus Kosten, die der Distributeur zwar nicht aufschlüsselt, aber in Rechnung stellt. Die Technik diktiert den Wert der Kultur.
Mein Steuerberater weinte sehr. Bezahlen musste ich trotzdem.
Bei einem meiner Experimente in den 37 Märkten, in die ich zurzeit Lizenzen verkaufe, erhielt ich bei einem Flatrate-Modell 1 Cent pro Download. Mein Steuerberater weinte sehr. Bezahlen musste ich ihn trotzdem in voller Höhe. Debütautorinnen erhalten heute im Schnitt zwischen 0 und 1500 Euro Vorschuss. Jeder zweite Vorschuss spielt sich nicht ein.
Die Einkommen von Schriftstellern haben
sich in zehn Jahren halbiert.
In den USA und Großbritannien haben sich die Einkommen der Schriftstellerinnen in zehn Jahren halbiert. Als Gründe werden sinkende Vorschüsse, Flatrate Kannibalisierung und Piraterie angegeben.
- „Google investierte im Jahr 2011 31 Mio. Dollar in Lobbying gegen den Schutz geistigen Eigentums und gegen Urheberrecht.“
- „80 Mio. User bedienten sich bis 2001 und pickten sich ihre Lieblingssongs aus dem Peer-to-peer-Netzwerk.“
- „15 Mio. urheberrechtlich geschützte Bücher von 35.000 Verlagen, 40 Universitätsbibliotheken und in 400 Sprachen, die GoogleBooks eingescannt und veröffentlicht hat.“
- „Debütautorinnen erhalten heute im Schnitt zwischen 0 und 1500 Euro Vorschuss. Jeder zweite Vorschuss spielt sich nicht ein.“
7 % des weltweiten Piraterie-Traffics sind E-Books und Scans.
Sieben Prozent des weltweiten Piraterie-Traffics sind E-Books und Scans, es geistern rund zwei Millionen Werke auf illegalen Portalen umher, dazu kommen noch 15 Millionen urheberrechtlich geschützte Bücher von 35.000 Verlagen, 40 Universitätsbibliotheken und in 400 Sprachen, die GoogleBooks eingescannt und veröffentlicht hat – und dabei das Europäische Urheberrecht ignoriert (die Klage gegen Google wurde 2015 zurückgewiesen). Ein beliebtes Weihnachtsgeschenk ist ein E-Book-Reader wie ein Kindle oder Tolino, aufgefüllt mit eintausend illegal kopierten E-Book-Dateien. Frohes Fest allerseits.
Von 99 Cent behält Amazon 70 %
– und das Recht auf ewige Nutzung.
Wer denkt, super, geh doch ins Selfpublishing: Die beliebtesten Bücher bei Amazon kosten zwischen 99 Cent und 2,99 Euro. Das ist jene Preiskategorie, in der Amazon 70 Prozent der Erlöse für sich behält. Und das Recht auf ewige Nutzung. Ja, ewig. Es leben die AGB in Augenstreuschrift. Natürlich, es gibt sie, die erfolgreichen Selfpublisher oder die gewieften Hybrid-Autorinnen. Aber auch ihnen schnürt Amazon das Einkommen nach und nach ab, mindert die Ausschüttung für gelesene Seiten, ignoriert Betrüger und Plagiatoren, und promotet inzwischen mehr seine eigenen Verlagslabels als Selfpublisher.
Mehr Zeit mit Selbstbewerbung im Netz als mit Schreiben.
Debütantinnen wissen, dass sie, in Zeiten, in denen jedes Jahr 400.000 deutschsprachige Werke erscheinen – ja, 400.000: traditionell verlegte, selbstverlegte, wiederaufgelegte – zwecks Sichtbarkeit mehr Zeit mit Selbstbewerbung im Netz zu tun haben werden als mit Schreiben. Werbung ist für sie eine existierende Währung, während es für mich nur eine faule Ausrede ist.
150 Euro wollte Lufthansa für mein Hörbuch bezahlen.
Als die Lufthansa mich neulich fragte, ob ich mein Audible-Hörbuch nicht 25 Millionen Gästen jährlich auf Langstreckenflügen zur Verfügung stellen wollte, fragte ich nach den Konditionen. 150 Euro. Pauschal. Einmalig. Weil: Es sei ja Werbung für mich. Wenn ein Hörbuch mit acht Stunden Länge auf einem Flug von zwölf Stunden gehört wird. Meiner Argumentation, dass ich dann gerne unbegrenzte Freiflüge hätte, weil: Das sei ja Werbung für Lufthansa, wollten sie seltsamerweise nicht folgen.
Kaum 5% der Autoren leben ausschließlich von ihren Büchern.
Wenn sie ins Selfpublishing gehen, zahlen sie Cover-Art, Lektorat, Typo, Satz und ISBN, einen digitalen Videotrailer und plagen sich mit Fake-Rezensionen ihrer Konkurrentinnen herum, die auf Amazon Verrisse texten. Sie wissen, dass kaum fünf Prozent unserer Zunft, egal ob Verlagsautorin oder Indie, ausschließlich vom Veröffentlichen den Alltag zahlen kann, und dass die meisten einen Hauptberuf haben, das Finanz-Modell „Ehepartner“ oder schreibnahe Zusatztätigkeiten wie Lehren und Übersetzen ausüben.
Ja, es gibt im Selfpublishing Perlen zu entdecken.
Selfpublishing professionalisiert sich, ja, und jüngst habe ich Perlen entdeckt, wie das Tagebuch einer Ärztin der Flüchtlingshilfe, oder das ultimative Thermomix-Rezeptebuch. Auch genießen neunzig Prozent aller Autoren und Autorinnen, die Kommunikation digital – mit Kollegen, mit Leserinnen, sie recherchieren mit dem Finger auf der Google-Map-Karte und lieben das Prokrastinieren bei Facebook. Früher war eben auch nicht alles lustiger.
Die E-Book-Distributor funkt alle Nutzerdaten an den Server.
Debütantinnen wissen allerdings auch, dass bei jedem Onlinekontakt mit dem Distributor eines E-Books, das Lesegerät Nutzerdaten an den Server funkt. Der Flatrate-Anbieter readfy weiß z.B., dass die Zielgruppe für ihre erotischen SM-Schmonzetten Männer über 59 und Frauen zwischen 21 und 29 ist. Ob man sich das so intensiv vorstellen will, ist eine andere Sache. Der US-Verlag Coliloquy verkauft Erkenntnisse aus Leserdaten an Autorinnen zurück. Welche Eigenschaften schätzen sie an Protagonisten? Heldinnen, die sowohl stark als auch sensibel sind, langhaarig und langbeinig, und männliche Protagonisten, die groß sind, dunkel, grünäugig und moderat behaart auf der Brust. Das ist ganz wichtig: Haare auf dem Kopf ja, Haare auf der Brust: nein.
Die Hälfte der Buchläden schließt,
Bezos verdient 260 Mio. täglich.
In England schließen die Hälfte der Buchläden. Jeff Bezos verdient 260 Millionen Dollar am Tag. Die GAFA-Connection, Google, Apple, Facebook und Amazon, setzen zusammen mehr um als die ersten dreißig DAX-Unternehmen. Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender nutzen unsere Arbeit, von Fernsehkomponistinnen, Hörfunkjournalisten, Fotografen, Kameramännern, Dokumentationsfilmern, Synchronsprechern – ohne die Nutzung zu dokumentieren oder zu vergüten.
Audible zwingt Hörbuchverlage in die Flatrate.
Das schadet Sprechern.
Sprecher für Hörbücher haben immer weniger Jobs für weniger Geld, da der Gigant Audible, eine Amazon-Tochter, 98 Prozent des digitalen Vertriebs hält und Verlage zwingt, Hörbücher in die Flatrate, sein Abomodell, zu geben und damit seine Marktmacht auszubauen. Als ich jüngst dagegen protestierte, verlangte der zwischengeschaltete Hörbuchverlag fünfzig Prozent meines Vorschusses zurück. Die Erpressung Amazons wurde unmittelbar an mich weitergegeben.
Als Journalistin erhalte ich noch
25 bis 50 % des Honorars von 2003.
Am selben Tag erhielt ich einen Brief einer Leserin aus Indien. Er war sehr zärtlich. Ich genieße die virtuelle Nähe zu Menschen, die mich lesen. Egal auf welchem Weg. Als freie Journalistin erhalte ich nur noch zwischen 25 und 50 Prozent dessen an Texthonorar, was noch 2003 üblich gewesen ist. Ich beendete meine Kolumne beim Hamburger Abendblatt 2011; mein Nachfolger erhielt 0 Euro, da, Zitat der Redaktion, eine Kolumne mit Bild doch „Werbung“ für ihn sei.
Alle sind betroffen: Journalisten, Kritiker, Blogger, Fotografen.
Journalisten, die Anfang des Jahrtausends mit der Hälfte des Printhonorars entlohnt wurden, wenn ihre Texte online erschienen, erhalten heute für die Online-Verwertung: nichts. Selbständigkeit für Journalisten, Literaturkritikerinnen, Fußballblogger ist eine Option, natürlich: nur funktionieren die Bezahlmodelle nicht breitflächig, weder freiwilliges Zahlen der Leser, noch Crowdfunding. Aber sie machen sich einen Namen. Sie stärken ihr Profil – Sichtbarkeit und unbezahlte Eigenleistung werden so zur Ersatzwährung, zur Investition in eine ungewisse Zukunft. „Fotografen der freien Tageszeitungen dürfen froh sein, wenn ihr Name unter einem Bild steht und sie fünfundzwanzig Euro erhalten.“ (Sie wissen schon: ist doch Werbung). Fotografien, die bei Facebook erscheinen, dürfen laut AGB geteilt werden, so wurde eine Aufnahme meines Kollegen Leander Wattig von dem Panorama der Lutherstadt Wittenberg auf der Facebook-Fanseite der AFD Sachsen verwendet, ohne dass er gefragt worden wäre.
Warum ist es so wenig Konsens, für digitale Kultur zu bezahlen?
Unsere Werke werden benutzt, aber ihre Schöpferinnen gelten als lästig. Autorinnen und Künstler werden als „Besitzstandswahrer“ (Malte Spitz) verunglimpft, als „Urheber-Rechts-Extremisten“ (Leonard Dobusch), als Copyright-Faschisten und Urheberrechts-verschärfungs-Lobbyisten. Julia Reda zitierte nach einem Besuch bei ihrem inhaftierten Freund Peter Sunde, dem Pirate-Bay-Gründer, dessen Aussage, Gefängnis sei „ein bisschen wie Urheberrecht“. Reda wurde zur Haupt-Berichterstatterin über eine Änderung des Europäischen Urheberrechts. Ja, insgesamt ist die Debattengrundlage eher suboptimal. Und schaut man in die Öffentlichkeit, sieht man, wie wenig sexy und Konsens es ist, für digitale Kultur zu bezahlen. Als ich 2017 in Berlin Steglitz bei Saturn einen neuen Fernseher kaufen wollte, empfahl mir der Geiz-ist-geil Verkäufer einen Sony. Mit eingebautem Zugang zu Google Chrome. Und der praktischen Voreinstellung mit Zugang zu der Piraterie-Plattform Kinox.to. Mit Suchfunktion. Sie können sich meiner Replik vorstellen – und das mir erteilte Hausverbot erscheint mir im Nachhinein durchaus schlüssig.
Die gesamte Dokumentation der Tagung sowie der komplettem Vortrag von Nina George ist abrufbar als PDF unter:
https://www.kulturrat-nrw.de/wp-content/uploads/2019/04/Dokumentation_web_090419.pdf
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Berliner Senat einigt sich beim Mietendeckel
Nach wochenlangen Debatten und einem Verhandlungsmarathon am Freitag hat der Koalitionsausschuss einen Kompromiss beim Mietendeckel gefunden. Die Mieten sollen für fünf Jahre eingefroren werden – Mietsenkungen sind nur unter gewissen Umständen möglich.
In Berlin sollen die zuletzt stark gestiegenen Mieten fünf Jahre lang eingefroren werden. Darauf hat sich der Koalitionsausschuss bei seiner rund sechsstündigen Sitzung am Freitagabend verständigt. „Grünes Licht im Roten Rathaus, habemus #Mietendeckel!“, twitterte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Bündnis90/Die Grünen).
Das Gesetz soll die Mieten für rund 1,5 Millionen Wohnungen, die vor 2014 gebaut wurden, deckeln. Anfang 2020 soll es rückwirkend zum 18. Juni 2019 in Kraft treten – dem Tag, an dem der Senat erste Eckpunkte dazu beschlossen hatte. Geplant sind neben dem eigentlichen Mietenstopp weitere Maßnahmen.
Mietsenkung soll kommen – ohne Einkommensbindung
Neben der in Berlin geplanten Deckelung der Bestandsmieten sind bei Neuvermietungen auch Obergrenzen abhängig von Baujahr und Lage der Wohnung vorgesehen. Mieter sollen in bestimmten Fällen zudem die Möglichkeit haben, die Wohnkosten auf diese Obergrenzen zu senken. Das teilten der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sowie Vertreter von Linken und Grünen nach der Einigung im Koalitionsausschuss mit.
So soll mit dem neuen Gesetz eine Miettabelle festgeschrieben werden. Auf Grundlage der Mieten von 2013 legt sie Obergrenzen fest. Die Tabelle wird noch berechnet, sie orientiert sich an dem Eckpunktepapier, das der Senat am 18. Juni vorgestellt hat. Die ursprüngliche Idee, für Mietsenkungen das Einkommen als Bemessungsgrenze heranzuziehen, wurde allerdings verworfen.
Wuchermiete“ beginnt ab 120 Prozent
Stattdessen können Mieten dann gesenkt werden, wenn sie die in der Miettabelle stehenden Grenzen übersteigen. Die Miete darf maximal 20 Prozent über der Obergrenze liegen, alles darüber gilt als Wucher. Dabei soll die Lage des Gebäudes berücksichtigt werden.
Maßnahmen zur Modernisierung sollen weiterhin möglich sein, dürfen allerdings ohne Genehmigung nur in Höhe von einem Euro pro Quadratmeter umgelegt werden. Für darüber hinausgehende Kosten sollen Förderprogramme genutzt werden.
Besonders niedrige Mieten können auf maximal fünf Euro je Quadratmeter angehoben werden. Ab dem Jahr 2022 soll zudem ein Inflationsausgleich von 1,3 Prozent pro Jahr möglich sein.
Mietgesetz kann erst mit Senatsbeschluss in Kraft treten
Zunächst muss der Senat den Gesetzentwurf allerdings noch beschließen. Danach muss noch das Abgeordnetenhaus darüber abstimmen. Auch für andere Großstädte in Deutschland könnte das Modell, mit dem Berlin rechtliches Neuland betritt, interessant sein.
Wochenlang schienen die Positionen zum geplanten Mietendeckel-Gesetz innerhalb des rot-rot-grünen Regierungsbündnisses unvereinbar. Auch ein mehr als sechsstündiges Ausschusstreffen am Donnerstag brachte keinen Durchbruch. Schwierig war es bis zuletzt: Der Koalitionsausschuss am Freitag wurde mehrfach für interne Beratungen unterbrochen. Nun ist der Kompromiss gefunden.
Senat wollte Mietendeckel bereits Mitte Oktober beschließen
Ursprünglich hatte der Senat bereits am 15. Oktober das neue, von der Wohnungswirtschaft viel kritisierte Mietendeckel-Gesetz beschließen wollen. Doch das Feilen an den Details zog sich deutlich länger hin als zunächst erwartet und drohte zur ernsten Belastungsprobe für Rot-Rot-Grün zu werden. Der Beschluss nach der Einigung im Koalitionsausschuss könnte nun am kommenden Dienstag (22. Oktober) gefasst werden.
Hintergrund für die Mietendeckel-Pläne ist der angespannte Wohnungsmarkt in der Hauptstadt. In manchen Stadtteilen haben Normalverdiener kaum noch eine Chance, eine bezahlbare Bleibe zu finden.
Die Mieten für freie Wohnungen haben sich innerhalb von zehn Jahren laut Bundesbauministerium auf durchschnittlich 11,09 Euro je Quadratmeter nettokalt im Jahr 2018 verdoppelt. Der Mietanstieg in Berlin ist damit stärker als anderswo in Deutschland. Das sorgt für aufgeheizte Diskussionen in der Stadt, eine Initiative hat sogar ein Volksbegehren für die Enteignung großer Wohnungskonzerne angestrengt.
Sendung: Inforadio, 18.10.2019, 20:00 Uhr
Berlin – oder: Die Kunst der Flucht
Zeitreise entlang der Berliner Mauer im Jahr 1987: Aus bislang unveröffentlichtem Archiv-Material, unterstützt von Inszenierungen spektakulärer Fluchten aus der DDR, erzählt Jean Bergeron von kleinen und großen Fluchten aus der Realität einer geteilten Stadt, in der sich niemand vorstellen konnte, dass die Mauer eines Tages verschwinden könnte.