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Damals war’s … Walter Zadek

Erinnern Sie sich an unseren langjährigen Bewohner der Berliner Künstlerkolonie

Walter Zadek

Der Autor Stefan Berkholz, beschäftigte sich seit Jahren mit der Geschichte der Künstlerkolonie, sammmelte Fotos, Dokumente und Zeitzeugenaussagen zum Thema um einen Dokumentenband zu veröffentlichen. Seine Erinnerungen aus einem Gespräch mit unserem langjährigen Bewohner Water Zadek geben einen keinen Eindruck aus den ‚dunklen‘ Jahren.

 

„WIR WAREN EINE ART ISOLIERTERINSEL“

WALTER ZADEK ÜBER DIE RÄUMUNG DER KÜNSTLERKOLONIE IM MÄRZ1933

 

Walter Zadek, 1900 geboren, lebte und arbeitete in den Jahren 1930 bis 1933 in der Künstlerkolonie. Zadek ist seit 1919 Buchhändler und Antiquar, war seit 1925 Ressortchef beim liberalen „Berliner Tageblatt„, gründete Anfang 1930 die „Zentralredaktion für deutsche Zeitungen“, eine Art Nachrichtenagentur, mit der er bald über 80 Zeitungen belieferte. Mit Walter Zadek sprach Stefan Berkholz 1988 über den 15. März 1933, die Räumung der Künstlerkolonie durch die Nazis.

 

Die Verhaftung Walter Zadeks (2. von links) zusammen mit Manes Sperber und Theodor Balk am 15. März 1933

 

WALTER ZADEK:

In der Bonner Straße 3 klingelte es, und ein Zivilist fragte sehr höflich, ob ermal bei uns her­ein kommen könnte.

Er sah sich die Bücher an, da standen Marx und Freud und so etwas, ich glaube, er machte sich nicht mal Notizen und sagte: „Sie ham doch noch Arbeitsräume.“ Sehr höflich, sehr nett, das war noch die alte Garde der Polizei. Da sagte ich: „Ja, da drüben in der Laubenheimer Straße.“ „Ach, würden Sie bitte mal mitkommen.“ Furchtbar höflich!

Als er mit mir über den Hof, durch den Hinterausgang der Laubenheimer Straße da hin kam, standen da sieben Polizisten, junge Kerle, angebliche Polizisten in Wirk­lichkeit, und brüllten: „Da kommt das Judenschwein ja.“ Keiner hatte ne Ahnung, wer ich war, keiner hatte mich je gesehen, aber da ich mit dem Mann direkt darauf hin kam, war ihnen das klar. Und dann stupsten sie mich sofort weg von dem Mann, übernahmen mich – und das war dieses “ Kommando zur besonderen Verwendung“. Und sie stupsten mich mit Stößen die Treppe rauf, und ich stolperte mehr als ich ging; alles war totenstill, natürlich traute sich keiner heraus, und ich mußte aufschließen. In der kleinen Wohnung schmissen sie alles durcheinander. Die Vervielfältigungsmaschine runter, und so weiter, den Kasten mit den Liebesbriefen nahmen sie mit, sonst wurde nichts beschlagnahmt. Aber sie richteten ein Tohu­wabohu an.

Und dann hieß es: „Raus mit dir!“, immer wieder als Judenschwein oder sonst was bezeichnet, und dann nahmen sie…, dann ging ich die Treppe runter, sollte ich die Treppe runtergehen, und die nahmen ihre Revolver aus den Seitentaschen. Es waren sieben schwerbewaffnete Mann, ich war in einem, ja Rauschzustand ist nicht der richtige Ausdruck, völlig benommen von Hieben bereits, und da höre ich sie rufen: „Wirst du Judensau wohl schnellerlaufen.“Und da hatte ich plötzlich eine Schlag­zeile vor meinen Augen, die damals jeden Tag drin war, in jeder Zeitung: “ Auf der Flucht erschossen.“ Da war mir klar, was das bedeutete, nicht klar, unklar klar,möcht ich sagen – und jetzt ging ich wirklich langsam.“

Und so kam ich nun runter, ich wußte gar nicht wie ich aussah, Leute, die nicht in der Künstlerkolonie wohnten, sagten mir später, ich war blutig im Gesicht, und als ich auf den Wagen raufgestoßen wurde, da schrie auch dieser Entenschnäblige: „Wisch dir mal dett Jesicht ab, duhast wohl Neesebluten jehabt.“

STEFAN BERKHOLZ:   

Und der „Völkische Beobachter“ jubelte: ‚“Künstlerkolonie‚ Südwestkorso endlich ausgehoben“, „Riesenbestände von Zersetzungsschriften „be­schlagnahmt, „Waschkörbe voll Waffen“. Über Sie heißt es in dem Artikel: „Dieser jüdische Redakteur ist eine der typischen Beispiele für die vielen Brandredner und Wühler, die systematisch im Hintergrund arbeiten. Zadek ist einer der vielen aus der kommunistischen Mörder­ zentrale, die die Befehle an die Unterwelt weitergaben, sein Büro und die Räume seiner Genossen sind die wirklichen Brutstellen des roten Ter­rors gewesen, der Tod somanchen Kameraden ist hier beschlossen worden. Bei Herrn Zadek wurden drei scharf geladene Pistolen und eine Menge Munition gefunden…“

WALTER ZADEK:

Das war folgendes: Eines war ein alter Armee-Revolver aus dem Krieg 1870 so ungefähr, aus der Zeit, als mein Vater Soldat war. Er hatte keine aktuelle Bedeutung mehr, er war nicht mehr brauchbar. Das zweite war eine Pistole mit langem Lauf für das Schießen auf Schießscheiben. Hat also auch mit Revolver überhaupt nichts zu tun. Und das dritte war wirklich eine Waffe, für die ich einen Waffenschein hatte.

STEFANBERKHOLZ:

Und weiter heißt es im „Völki­schen Beobachter“:“…die Sichtung des in der ‚Central­redaktion für deutsche Zeitungen‘ gefundene Schriften­materials dürfte die Politische Polizei allein für Wochen beschäftigen.“

WALTER ZADEK:

Ist eine wilde Übertreibung. Es lagen bei mir erstens in einem großen breiten Rollschrank sämtliche Belege von Zeitungen, was wo erschienen war, und nun hatte ich von Lübeck oder von Bremen oder von Königsberg oder aus Süddeutschland Belegexemplare geschickt bekommen, und die wurden nach Zeitungen abgelegt. Und von den Manuskripten und vervielfältigten Typoskripten lagen natürlich einige herum, die ich noch nicht versandt hatte. Und die werden sie vielleicht auch durchgesehen haben, um da antifaschistische Literatur zu finden.

Verbrennung von Fahnen und Trans­ parenten auf dem Laubenheimer Platz

 

 

STEFAN BERKHOLZ:

Können Sie sich an Bücherverbrennungen erinnern auf dem Laubenheimer Platz?

WALTERZADEK:

Nein. Es ist sehr komisch, in meiner Wohnung in der Bonner Straße hatte ich die ganzen Wände voll mit Bücher, da ist nicht ein Buch weggekommen, auch nicht der Marx und auch nicht der Freud. All diese Bücher wurden mir, nach meiner Flucht, die ich ja nur mit einer Aktentasche machen konnte, weil sie vollkommen überraschend kam, in Kisten nachgeschickt. Es ist also kein einziges Buch, also auch nicht von Tucholsky oder einem linken Mann, verbrannt oder auch nur raus­ gesuchtworden. Also bei mir interes­sierten sie sich wohl nur für den unsympathischen Zadek, der gemeingefährlich war und gegen die Nazis sozusagen indirekt kämpfte und außerdem die Prügelei mit einem Nazi gehabt hatte.

STEFANBERKHOLZ:

Was würden Sie denn nun sagen, was das Besondere der Künstlerkolonie war?

WALTER ZADEK:

Wissen Sie, wir waren da in der Künstlerkolonie – eine Art isolierter Insel. Die Atmosphäre dieser Menschen, die überwiegend linksgerichtet waren, und zwar linksbürgerlich, also sagen wir: der Typ, der in der „Weltbühne“ schrieb im allgemeinen, die war von dem übrigen Berlin und von Deutschland im gewissen Sinnen ein isolierter Platz. Dabei ist nicht zu denken, daß wir unter uns eine Gemeinschaft waren; man kannte, und das war ja damals in Deutschland sehr üblich, einander nicht, selbst wenn man zusammen wohnte. Also – wir waren eine Insel linksdemokratischer Leute, bürgerlicher Leute, wissen Sie, der Typ, von dem Lenin sagte: „Die nützlichen Idioten“. Das heißt, sie waren alle bürgerlich der Natur nach, Arbeitertypen gab’s in der Künstlerkolonie meines Wissens kaum.

Walter Zadek wird am 15. März 1933 zusammen mit Manes Sperber, Theodor Balk, Curt Trepte, Günter Ru­schin und anderen aus der Künstlerkolonie verhaftet. Er wird zum Polizeigefängnis am Alexanderplatz geschafft, schließlich ins Festungsgefängnis nach Spandau.

Auf wundersame Weise kommt er einen Monat später frei, kann fliehen, kommt über Holland, Belgien, schließlich im Dezember 1933 nach Palästina.

Dieses von Stefan Berkholz geführte Interview haben wir estmalig im Künstlerkolonie Kurier 1 abgedruckt.

© Künstlerkolonie Berlin e.V.


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