Sanary wurde im Jahr 1035 als San Nazari gegründet. Der ursprüngliche, provenzalische Name wurde 1890 in Sanary-sur-Mer geändert.
Im 12. Jahrhundert gab es an dem heutigen Hafen einen Konvent der Abtei Saint-Victor in Marseille, der dem Heiligen Saint Nazaire gewidmet war. Ende des 13. Jahrhunderts wurde der unter dem heutigen Namen bekannte „Tour Romane“, der als Wehrturm diente, gebaut. 1436 errichtete König René I. eine kleine Garnison, auf dessen Turm es, als Zeichen des königlichen Privilegs, ein Taubenhaus gab. Heute ist der Turm in eine Gruppe von Gebäuden, dem „Hotel de la Tour“, integriert, das während der Herrschaft der Nationalsozialisten deutsche Emigranten beherbergte. Seit 1990 befindet sich in den Gebäuden das Museum Frédéric Dumas.
Schon 1907 hatte der Dichter André Salmon die Provence und die Küste zwischen Marseille und Toulon entdeckt und sich in Sanary niedergelassen. Dazu gesellte sich der mit dem Ehepaar Salmon befreundete Maler Moise Kisling. Der Maler Rudolf Levy verbrachte die Sommermonate in Sanary-sur-Mer. Er schätzte vor allem die Schlichtheit der Bewohner und die herrliche Landschaft. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten sich viele Maler und Schriftsteller aus ganz Europa hier und in der Nähe angesiedelt, unter ihnen Aldous Huxley und Julius Meier-Graefe mit seiner Partnerin Anne-Marie Epstein, die die ersten deutschen Emigranten empfingen.
In den Jahren nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Deutschland hielten sich in der kleinen Stadt am Mittelmeer viele deutsche Emigranten auf. Die Stadt gilt seither als wichtiges Exilzentrum. Zu den berühmtesten Exilanten zählten
Bertolt Brecht, Ferdinand Bruckner, Franz Theodor Csokor, Albert Drach, Lion und Marta Feuchtwanger, Bruno Frank, Walter Hasenclever, Franz und Helen Hessel, Alfred Kantorowicz, Hermann Kesten, Egon Erwin Kisch, Arthur Koestler, Annette Kolb, die Brüder Golo und Klaus Mann, ihre Eltern Katja und Thomas Mann und dessen Bruder Heinrich Mann, Ludwig Marcuse, Erwin Piscator, Anton Räderscheidt, Joseph Roth, Franz Werfel und Alma Mahler-Werfel, Friedrich Wolf, Arnold Zweig und Stefan Zweig.
Während des Zweiten Weltkrieges war Sanary auch Aufenthaltsort von Jacques-Yves Cousteau, neben Émile Gagnan Miterfinder des modernen Atemreglers. Er besaß dort ein «Villa Baobab» genanntes Haus, wo er seine Erfindung vor dem Zugriff der deutschen Besatzer schützen konnte. 1943 wurden die ersten Tauchversuche gemeinsam mit Philippe Tailliez in Bandol durchgeführt. Später bildeten diese beiden Tauchpioniere zusammen mit Frédéric Dumas, der seit seiner Kindheit in Sanary wohnte, ein bekanntes Trio mit dem Spitznamen Les Trois Mousquemers. Dumas erfand viele Tauchgerätschaften (Unterwasserharpune, Tauchmaske, Tarierweste etc.)
Weiterführende Literatur
- Manfred Flügge: Wider Willen im Paradies. Deutsche Schriftsteller im Exil in Sanary-sur-Mer (= Aufbau-Taschenbücher 8024). Aufbau-Taschenbuch-Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-7466-8024-7.
- Manfred Flügge: Das flüchtige Paradies: Künstler an der Côte d’Azur. Aufbau-Taschenbuch-Verlag, Berlin 2008, ISBN 3-7466-8160-X
- Gerd Koch (Hrsg.): Literarisches Leben, Exil und Nationalsozialismus. Berlin – Antwerpen – Sanary-sur-Mer – Lippoldsberg (= Wissen & Praxis. Bd. 64). Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-86099-264-3.
- Martin Mauthner: German Writers in French Exile. 1933–1940. Vallentine Mitchell, London u. a. 2007, ISBN 978-0-85303-540-4.
- Magali Laure Nieradka: „Die Hauptstadt der deutschen Literatur“. Sanary-sur-Mer als Ort des Exils deutschsprachiger Schriftsteller (= Formen der Erinnerung. Bd. 44). V & R Unipress, Göttingen 2010, ISBN 978-3-89971-792-1(Zugleich: Dissertation (Universität Heidelberg) 2009).
- Pierre-Paul Sagave: Sanary, Hauptstadt der deutschen Literatur im Exil (1933-1940). Bericht eines Zeitzeugen, in: Markus Behmer (Hrsg.): Deutsche Publizistik im Exil 1933 bis 1945 : Personen, Positionen, Perspektiven ; Festschrift für Ursula E. Koch. Münster : Lit, 2000, S. 58–71
- Ville de Sanary sur Mer (Hrsg.): Sur les pas des Allemands et des Autrichiens en exil à Sanary, 1933–1945. Ville de Sanary-sur-Mer, Sanary 2004, ISBN 2-9506150-2-3 (Dreisprachig: französisch – deutsch – englisch. Gute Zusammenfassung und Kurzporträts vieler auch weniger bekannter Exilanten in der Region).
- Ulrike Voswinckel, Frank Berninger: Exil am Mittelmeer. Deutsche Schriftsteller in Südfrankreich von 1933–1941. Allitera–Verlag, München 2005, ISBN 3-86520-113-X.
- Heinke Wunderlich, Stefanie Menke: Sanary-sur-Mer. Deutsche Literatur im Exil (= Heinrich-Heine-Institut. Archiv, Bibliothek, Museum. Bd. 5). Unter Mitarbeit von Gisela Klemt, Thomas Lambertz und Heidemarie Vahl. Metzler, Stuttgart u. a. 1996, ISBN 3-476-01440-1.
- Offizielle Website der Stadt (französisch)
- Sanary-sur-Mer – Hauptstadt der deutschen Literatur auf Künste im Exil
- Das aufgezwungene Paradies, Frankfurter Rundschau, 16. Oktober 2017
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Bon jour und hallo,
mit großem Interesse las ich die Artikel über Sanary und Les Milles von Herrn Heubeck.
Ich möchte auf ein im März 2019 erschienenes Buch von mir und meinem Mann hinweisen, das von den deutschsprachigen Exilanten in Sanary handelt und zwar von allen 68, die auf der 2. Gedenktafel von 2012 namentlich erwähnt werden.
„Sie emigrierten nicht, fliehen mussten sie“ von Andrea Schultz und Günter Schmidt
Weitere Informationen und Leseprobe auf: http://www.sanary-exil.de
Da wir auch in Berlin wohnen, bitte ich um die Zusendung Ihres Newsletters. MfG Andrea Schultz
Bon jour und hallo,
mit großem Interesse las ich die Artikel über Les Milles (von Herrn Heubeck) und Sanary. In dem Zusammenhang möchte ich auf ein Buch zum Thema hinweisen, das mein Mann und ich vor einigen Monaten veröffentlicht haben: Sie emigrierten nicht, fliehen mussten sie von Andrea Schultz und Günter Schmidt
Es gibt seit 2012 eine 2. Gedenktafel mit 68 deutschsprachigen Exilanten. Ihre Lebensgeschichten werden im Buch rekonstruiert. Weiteres unter: http://www.sanary-exil.de
Ich bitte um Zusendung des Newsletters und verbleibe mit freundlichen Grüßen, Andrea Schultz