Das zertretene Angelspiel
Eine Berliner Kindheit nach 1945
Klartext-Verlag, Essen 2003
Dirk Cornelsen beschreibt die Folgen eines tragischen und dramatischen Kinderschicksals bei Kriegsende die er auch als Bewohner der Berliner Künstlerkolonie gemacht hat und erzählt sehr persönlich und trotz zum Teil tragischer Erlebnisse oft witzig von einer Berliner Kindheit und Jugend in den Jahren 1946 bis 1955.
Letzte Hoffnung – Ausreise: Die Ziegelei von Les Milles 1939-1942. Vom Lager für unerwünschte Ausländer
Hentrich und Hentrich Verlag Berlin; 1999
Mit dem Buch von Doris Obschernitzki kommt endlich die ganze Wahrheit über das Lager Les Milles in Frankreich zutage. Mit diesem Ort des Schreckens hatte sich noch keiner so ausführlich auseinandergesetzt wie diese in Aix-en-Provence lebende Historikerin. Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist die aufgefundene Lagerkartei. Fünf Jahre hat sie in Detektivarbeit die Fakten und Personen recherchiert. So finden sich dort auch einige Bewohner der Berliner Künstlerkolonie wieder (Kantorowicz, Hasenclever…).
Der Kaiser vom Alexanderplatz
Bäßler Verlag, 2015
Horst Pillau erzählt die Geschichte des Kneipenwirts Wilhlem Kaiser, genannt Kaiser Wilhelm, dessen Einsatz und Erfindungsgeist in den letzten Kriegswochen 1945 unter Beweis stellen, dass man auch in schweren Zeiten das Leben mit Humor meistern kann. Den Gästen seiner ‘Kaiserstuben’ und seinen Freunden steht er mit Rat und Tat zur Seite und versorgt sie in kargen Zeiten mit Waren des Schwarzmarktes. Auch den Menschen, mit denen er nicht befreundet ist, hilft er, wobei sich die Hilfe später als ganz anders erweist als sie sich vorgestellt haben.
Künstlerkolonie Wilmersdorf: Berliner Orte
be.bra Verlag, 2016
Die Künstlerkolonie in der Nähe des Breitenbachplatzes ist seit den 1920er¬Jahren Heimstatt für viele Künstler, Schriftsteller und Intellektuelle. Der Liedermacher Manfred Maurenbrecher wohnt dort seit Jahrzehnten begibt sich in diesem Buch auf eine historische Spurensuche, die viel über das Zusammenleben der Bewohner und den Zusammenhang zwischen Architektur und Lebensform verrät. Der Spaziergang durch die Geschichte der Künstlerkolonie ist dabei zugleich ein Streifzug durch das bürgerliche West-Berlin.
Künstlerkolonien
Ein Führer durch Deutschland, die Schweiz, Polen und Litauen
Nicole Bröhan, parthas Verlag Berlin, 2017
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden als Reaktion auf die Industrialisierung der Städte zahlreiche Künstlerkolonien auf dem Lande. Für die Anziehungskraft, die diese Orte auf viele Künstler ausübten, gab es eine Reihe von Gründen: Hier war es weit billiger, neben den Wohnräumen noch ein Atelier zu unterhalten, und auch die Lebenshaltungskosten waren niedriger, da man bei den benachbarten Bauern Lebensmittel erwerben konnte. Zudem war es möglich, einer etwas freieren und unkonventionellen Lebensweise nachzugehen, da man weniger unter Beobachtung stand. Dazu kam die Möglichkeit des regelmäßigen Austauschs mit Gleichgesinnten und die besseren Voraussetzungen, wenn man sich als Gruppe oder stilbildende Richtung gemeinsam vermarktete. Nicht selten entstanden so aus einer gemeinsamen Planung Gruppenausstellungen. Man denke nur an das bayerische Murnau und den Kreis um Gabriele Münter, Wassily Kandinsky und Frank Marc, die mit der Künstlergemeinschaft »Blauer Reiter« für Furore im Kunstbetrieb sorgten.
Nicole Bröhan präsentiert anschaulich und informativ alle sehens- und besuchenswerten Künstlerkolonien im deutschsprachigen Raum, von Ahrenshoop im östlichen Norden bis Sils Maria in den Schweizer Bergen.
Wider Willen im Paradies: Deutsche Schriftsteller im Exil in Sanary-sur-Mer
Verlag: Aufbau TB, (1996)
Es war ein Paradies wider Willen, in dem sich deutsche und österreichische Schriftsteller und Maler auf der Flucht vor den Nazis in Sicherheit wähnten: Das südfranzösische Fischerdorf Sanary-sur-Mer am Mittelmeer bot bis zu Kriegsbeginn dutzenden Künstlern und Intellektuellen eine vorübergehende Bleibe. Ob Thomas Mann, Bertolt Brecht oder Lion Feuchtwanger – sie alle lebten in Sanary entweder für einige Wochen oder Jahre. Nun will der zu einer Stadt ausgewachsene Ort an die berühmten Gäste erinnern.
Am Anfang war Gewalt:
Die deutsche Revolution 1918/19 und der Beginn der Weimarer Republik
Mark Jones, Propyläen Verlag; 2017
Der Historiker Mark Jones schildert die dramatische Gründungsphase der Weimarer Republik erstmals als eine Geschichte der Gewalt. Er zeigt, wie eine anfangs friedliche Revolution in einer Reihe von Tabubrüchen endet, einschließlich des Mordes an Frauen und Kindern durch Soldaten der sozialdemokratisch geführten Regierung. Diese Erfahrung wurde für das weitere Schicksal Deutschlands prägend – bis hin zur entfesselten Gewalt des NS-Regimes.
Anhand neu erschlossener Archivquellen, darunter zahlreiche Berichte von Zeitzeugen, führt Mark Jones den Leser an die Orte der staatlich legitimierten und ausgelösten Gewaltexzesse dieser Zeit und lässt die Stimmen der Täter, ihrer Opfer und deren Familien lebendig werden.
Revolution und Fotografie Berlin 1918/19
Verlag Dirk Nishen. 1989
Die Revolution von 1918/19:
Der wahre Beginn unserer Demokratie
Wolfgang Niess, Europa Verlag, 2017
Der Aufstand beginnt bei der deutschen Hochseeflotte, als Matrosen sich weigern, trotz der bereits feststehenden Kriegsniederlage zu einem letzten Gefecht gegen die britische Royal Navy auszulaufen. Er verbreitet sich in wenigen Tagen über das ganze Deutsche Reich und erreicht am 9. November 1918 Berlin. Hunderttausende Arbeiter demonstrieren, die Garnisonen schließen sich an, der Reichskanzler gibt die Abdankung des Kaisers bekannt, die Monarchie bricht zusammen, die Republik wird ausgerufen. Ziel der Revolutionsbewegung ist nicht die Diktatur des Proletariats. Sie will den preußischen Militarismus und die Reste des Kaiserreichs in Verwaltung, Justiz, Schulen und Universitäten beseitigen und eine von Grund auf demokratische Gesellschaft schaffen. Die Angst vor einer bolschewistischen Weltrevolution verhindert schließlich, dass der vorhandene Spielraum zu einer wirklichen Entmachtung der etablierten Kräfte genutzt wird, aber die erste Demokratie in Deutschland ist erfolgreich installiert. Wolfgang Niess schildert so lebendig wie sachkundig die friedliche und erfolgreiche Revolution, der wir die erste deutsche Republik verdanken. Zudem macht er deutlich, warum sie bis heute weitgehend verkannt, instrumentalisiert oder vergessen wurde. Die Zeit ist reif, sie als größte Massenbewegung in der deutschen Geschichte zu würdigen.
Meine Geschichte der DDR
Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2008
Wolfgang Leonhard, ehemaliger Bewohner der Berliner Künstlerkolonie und Autor des Bestsellers «Die Revolution entlässt ihre Kinder», ist der letzte Überlebende der legendären «Gruppe Ulbricht». Mit ihr kehrte er 1945 aus dem Moskauer Exil in die spätere DDR zurück, um den Sozialismus aufzubauen. Vier Jahre später floh er jedoch enttäuscht in den Westen. In diesem Buch beschreibt er auf ganz persönliche Weise den Aufstieg und Fall eines Staates. Zugleich zeichnet er ein authentisches Bild führender DDR-Persönlichkeiten, mit denen er gut bekannt war, unter ihnen Wilhelm Pieck, Walter Ulricht, Erich Honecker und Markus Wolf. Ein lebendiger Bericht eines Zeitzeugen, der Geschichte geschrieben hat.
Nur der junge König Lear hat noch was zu lachen…
Aus dem Innenleben der Theater- und Bühnenwelt
von
trafo, 2007
Die in diesem Band veröffentlichten Texte sind Arbeiten aus den letzten fünf Jahren, sie spiegeln den Werdegang in den jeweiligen Kunstinstitutionen deutschlandweit wieder. Es sind Reportagen, Prosatexte, Features und Interviews, die ich für die Zeitschrift Kunst & Kultur, die nmz (Neue Musikzeitung) und für Rundfunksender wie DeutschlandRadio Berlin produziert habe. In diesem Journalistenberuf, zumal als ‘Freie’, kann man sich das Privileg leisten, Themen zu bearbeiten, denen man sich auch außerhalb der Arbeitszeit mit Hingabe widmet. So steht für mich der Kunstbereich, und hier besonders die Welt von Theater und Bühne, ganz vorn an (gefolgt von der Welt Lateinamerikas sowie der des Landes Brandenburg).
Die (entfachte) Wissbegier des neugierigen, theater- und konzertliebenden Lesers hoffe die Autoren fürs erste stillen zu können!
Auslieferung auf Verlangen: Die Rettung deutscher Emigranten in Marseille 1940/41
FISCHER Taschenbuch; 2009
Mehr als tausend von der Gestapo verfolgte deutsche Emigranten, unter ihnen die Schriftsteller Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Heinrich und Golo Mann, Franz Werfel, Walter Mehring und Siegfried Kracauer, der Hitler-Biograph Konrad Heiden und der Maler Max Ernst, wurden 1940/41 in Marseille von Varian Fry, dem Repräsentanten des amerikanischen Emergency Rescue Committee (ERC), mit Geld, Pässen und Visa ausgestattet und illegal aus Frankreich herausgeschleust.
Die Bedeutung des Komitees und die Dringlichkeit einer raschen Hilfe für die Verfolgten wurden schlagartig klar, als am 22. Juni 1940 das deutsch-französische Waffenstillstandsabkommen bekannt wurde: Im Artikel 19 verpflichtete sich die Vichy-Regierung, „alle in Frankreich sowie in den französischen Besitzungen befindlichen Deutschen, die von der deutschen Reichsregierung namhaft gemacht werden, auf Verlagen auszuliefern“. Das südliche, noch nicht von deutschen Truppen besetzte Frankreich, war damit für die deutschen Emigranten zu einer Falle geworden.
Varian Fry, Organisator des Hilfskomitees in Marseille, berichtet von seiner legalen und illegalen Arbeit und den Fluchthilfeaktionen, die stets unter den Augen deutscher Spitzel, misstrauischer amerikanischer Konsulatsbeamten und Vichy-Polizisten getan werden mussten. Er schildert den Aufbau der Organisation und die Rettung der Emigranten, schreibt über die Zusammenarbeit mit prominenten Helfern (wie Andre Gide), mit Kreisen der Marseiller Unterwelt und erzählt vor allem von den zahllosen Verfolgten, von ihren Ängsten, ihrem entwürdigenden Anstehen vor Polizeipräfekturen, ihrem Gefühl des Ausgeliefertseins, dem „staatenlos im Nirgendwo“ (Walter Mehring).
„Auslieferung auf Verlangen“ ist eine Kulturgeschichte der besonderen Art. Seine Authentizität ist von vielen Zeitzeugen bestätigt worden.
“Fremd ist die Stadt und leer…”: Fünf deutsche und österreichische Schriftsteller im Londoner Exil 1933-1945.
Robert Neumann, Stefan Zweig, Alfred Kerr, Karl Otten, Max Herrmann-Neisse
von
Unter den 70 000 Flüchtlingen, die in Großbritannien vor dem Naziterror Zuflucht suchten, waren bedeutende Repräsentanten der deutschen Literatur die auch ehemalige Bewohner der Berliner Künstlerkolonie gewesen sind. Richard Dove, Professor für deutsche Literatur in London, hat fünf von ihnen genauer betrachtet: den international erfolgreichen Schriftsteller Stefan Zweig, den berühmten Berliner Theaterkritiker und Essayisten Alfred Kerr, den Lyriker und Schriftsteller Max Herrmann-Neiße, den radikal pazifistischen Journalisten und Romancier Karl Otten und den Wiener Romancier und literarischen Parodisten Robert Neumann.
Die fremde Sprache, die die Emigranten nur allmählich (manche nie wirklich) zu beherrschen lernten, und die tief greifenden Unterschiede zwischen dem politisch-kulturellen Klima in Großbritannien und dem Kontinent waren die Hauptursachen für das ständige Gefühl des Verlorenseins. Der Autor arbeitet diese Unterschiede sehr eindrücklich heraus: den Isolationismus der Briten, ihre einseitige Bevorzugung englischsprachiger Literatur, ihre Ablehnung der experimentellen Moderne. Und schließlich ließ auch das alltägliche Umfeld, die fremde Riesenstadt London, die reservierte, als kalt empfundene Höflichkeit ihrer Einwohner, die Sehnsucht nach der verlorenen Heimat immer wieder aufbrechen und brachte ergreifende literarische Zeugnisse hervor: “Fremd ist die Stadt und leer.”.
Wie die fünf Autoren unter diesen Umständen überlebten – oder daran zerbrachen, was sie schrieben, wie sie sich nach Ausbruch des Krieges am Kampf gegen den Faschismus beteiligten und wie die Überlebenden auch nach Kriegsende dem Exil nicht wirklich entkamen, das hat der Verfasser zu einer materialreichen, interessanten und einfühlsamen “kollektiven Biographie” verwoben, die man mit Spannung liest und nicht ohne Erschütterung aus der Hand legt.
Der wahrscheinlich wichtigste Auftritt ihres Lebens war nicht auf der Bühne, sondern auf einer Tribüne. Am 4. November 1989 sprach Steffie Spira auf dem Berliner Alexanderplatz für eine bessere, eine demokratische DDR. „Den Kohl“, erklärt sie unumwunden, „hatte ich mir damals nicht vorgestellt“. Aber, sagt sie auch, „die Menschen haben sich das selber ausgesucht.“
Heute wird die engagierte Schauspielerin 85 Jahre alt. Zwar ist fast in Erfüllung gegangen, was die Jubilarin damals unter Beifall vorschlug: Aus Wandlitz machen wir ein Altersheim (ein Rehabilitations-Zentrum ist schließlich auch nicht schlecht). Aber der allgemeine politische Drive in Deutschland hat dazu geführt, daß Steffie Spira ihr Engagement „zurückschraubt“. Wer soll das einer Seniorin ihres Alters auch verdenken. ‘Ihre Ideale aber hat sie nicht aufgegeben. Der Kommunismus, meint sie, „ist immer noch die beste Idee.“ So läßt sie es sich auch nicht nehmen, ein „stilles“ Mitglied der PDS zu sein.
Die in Wien Geborene hatte ihr erstes Engagement am Berliner Hebbel-Theater. Ab 1931 arbeitete sie in der antifaschistischen . Schauspieler-Truppe Gustav von Wangenheims. 1933 mußte sie emigrieren. Zunächst ging sie nach Paris, 1939 über Marseille nach Mexiko. Auch im Exil war sie schauspielerisch tätig. Als sie 1947 zurückkehrte, engagierte sie Fritz Wisten, der Intendant des Theaters am Schiffbauerdamm. Sie spielte, ab 1954 unter Wisten dann auch an der Volksbühne, unter anderem die Mutter Wolffen in Hauptmanns „Biberpelz“ (1947), die Polina in Gorkis „Feinde“ (1952), Frau Hassenreuter in Hauptmanns „Ratten“ (1956). Ihre Figuren prägte sie stets mit der ihr eigenen gewinnenden Herzhaftigkeit, einer originären Mischung von Wiener Charme und Berliner Witz.
In ihrer Autobiographie „Trab der Schaukelpferde“ aus dem Jahre 1988 hat sie die Stationen ihres Lebensweges festgehalten. Jetzt hat sie sich wieder zu Wort gemeldet. Unter dem Titel „Rote Fahne mit Trauerflor“ veröffentlichte sie Tagebuchnotizen aus den Jahren 1954/71 und 1988/90. Die Begegnung mit Erfahrung und Erkenntnis eines betagten Menschen, der sich auch in schicksalhaften Zeiten treu blieb und bleibt, tut gut.
GERHARD EBERT, 1993, Neues Deutschland
Die Flucht der Dichter und Denker: Wie Europas Künstler und Intellektuelle den Nazis entkamen
Verlag Ueberreuter, C.; 2017
Eine Flüchtlingsgeschichte…bei der man alle Akteure kennt. Sie waren weltberühmte Schriftsteller und gefeierte Dirigenten, Nobelpreisträger, Universitätsprofessoren, Juden und Christen, Politiker und Zeitungsredakteure, die ein gemeinsames Schicksal einte: Die Nationalsozialisten wollten sie ermorden. Im Juni 1940 organisiert Thomas Mann in New York eine beispielloste Rettungsaktion für verfolgte Dichter und Denker in Europa. Ausgestattet mit viel Geld und einer Liste mit 200 Namen wird der junge, exzentrische Amerikaner Varian Fry nach Lissabon geschickt, um diese Vertreter der geistigen Elite aus Europa zu schleusen. Unter den Flüchtlingen sind Franz Werfel und seine Frau Alma Mahler-Werfel, Alfred Polgar, Heinrich, Golo und Erika Mann, Hermann Leopoldi, Anna Seghers, Robert Stolz, Friedrich Torberg, Karl Farkas, Billy Wilder, u.v.m. Herbert Lackner erzählt in diesem Buch ein wichtiges Stück Zeitgeschichte – ein Thema, das viele Parallelen zu heute aufweist. Dieser Titel erhielt den BRUNO-KREISKY-PREIS (Sonderpreis) für das Politische Buch 2017.
Hans-Rainer John, Aufbau Verlag, Berlin 1984
Das kleine Buch “Trab der Schaukelpferde” von Steffie Spira-Ruschin strömt viel Kraft aus. Es ist ganz persönlich gehalten und von solch heiterer Aufrichtigkeit, daß man wähnt, der Schreiberin gegenüberzusitzen: der Schauspielerin Steffie Spira-Ruschin. Die Liste der antifaschistischen Künstler, die Steffie Spiras weg gekreuzt haben, ist lang: Hans Rodenberg, Alfred Kurella, Friedrich Wolf, Helene Weigel und Bertold Brecht, Henryk Keisch, Egon Erwin Kisch, Bodo Uhse, um nur einige zu nennen. Im Exil in Mexiko-Stadt lebte sie fast Tür an Tür – wie Jahrzehnte später dann in Berlin-Adlershof – mit Anna Seghers. Steffie Spira hat in der langen Zeit der Emigration zu einer Kunst beigesteuert, die Zeugnis gab von einem anderen Deutschland: ob 1937 in Paris, als sie bei der Uraufführung von Brechts “Die Gewehre der Frau Carrar” mitwirkte, oder im Heinrich-Heine-Klub in Mexiko-Stadt, wo sie mit großem Erfolg Egon Erwin Kischs “Galgentoni” auf einem Quadratmeter-Bühnchen spielte. Ihr Buch schließt 1947.
Ein Fischerdorf bei Toulon war einst die Hauptstadt der deutschen Literatur . So jedenfalls sah es Ludwig Marcuse. Nach Hitlers Machtergreifung flohen zahlreiche deutsche Literaten an die Côte d Azur. In Sanary-sur-Mer trafen sich Ernst Toller und Bert Brecht am Hafen, hier besaß Lion Feuchtwanger ein Haus am Meer. Thomas Mann mit Frau besuchte die Kirmes, während Sohn Klaus am Mephisto schrieb. Doch das Exil unter Palmen wurde bald zur Mausefalle. Bei Kriegsbeginn erklärte Frankreich die Deutschen zu feindlichen Ausländern. Wer nicht rechtzeitig nach Übersee emigrieren konnte, wurde interniert, deportiert und ermordet. Magali Nieradka-Steiner hat lange an der Cote d Azur gelebt. Sie konnte bisher nicht bekannte Dokumente nutzen und mit den letzten Zeitzeugen sprechen. Ihr Buch erzählt eindringlich, wie sich universale Katastrophe und individuelles Schicksal in Sanary kreuzen.
Berliner Wohnungsbau 1933–1945: Mehrfamilienhäuser, Wohnanlagen und Siedlungsvorhaben (Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin / Beihefte)
Michael Haben, Gebrüder Mann Verlag, 2017
Michael Haben dokumentiert Planung und Bau von Berliner Wohnanlagen und Siedlungen (1933–1945) auf Grundlage einer nahezu flächendeckenden Bestandsaufnahme. Zudem zeigt das Buch diese Bautätigkeit vor dem Hintergrund der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen während des Nationalsozialismus auf. Dazu gehören die Wohnungspolitik der Berliner Stadtverwaltung, einzelne Bauprogramme, Zielsetzungen in der Stadtentwicklung und Konsequenzen der Planung zur Neugestaltung der »Reichshauptstadt« sowie die Wirtschafts- und Sozialpolitik auf Reichsebene. Unter Kostendruck und Mangelwirtschaft kristallisierte sich eine Alltagsarchitektur mit gleichförmigen, standardisierten Stilmerkmalen heraus, die häufig ohne Bauschmuck auskam. Anfang der 1950er Jahre wurde sie vielerorts nahtlos fortgesetzt.
Ernst und Günther Paulus 1868-1936 und 1898-1976
Architekten: Mit einem Katalog ihrer Werke
Ein kleiner Einlick in die architektonischen Werke der Erbauer der Berliner Künstlerkolonie. Ernst Paulus (1868-1936) und seine zeitweiligen Partner Georg August Dinklage (1849-vor 1928) und Olaf Lilloe (1872-1943) sowie sein Sohn Günther Paulus (1898-1976) haben innerhalb von fast 70 Jahren ein Œuvre von über 200 Bauten – auch An- und Umbauten – geschaffen: Kirchen (darunter als Hauptwerk die Kreuzkirche in Berlin-Schmargendorf), Kapellen und Gemeindehäuser, Kreishäuser und -villen, Landhäuser und Schlösser, vor allem aber Einzel- und Mehrfamilienhäuser sowie Siedlungen.
Das Tätigkeitsgebiet bis 1944 war überwiegend Berlin und die ehemalige Provinz Brandenburg (hier auch die Neumark, die heute zu Polen gehört), vereinzelt auch beispielsweise Mecklenburg, Dänemark und Österreich. Es umfaßt die Zeit des ausgehenden Kaiserreichs mit dem Ersten Weltkrieg, der Weimarer Republik und des “Dritten Reichs” mit dem Zweiten Weltkrieg, eine Zeit, in der in der Architektur und in der Politik umwälzende Veränderungen eingetreten sind.
Nach 1947 hat Günther Paulus – nach seiner Auswanderung nach Brasilien – ab 1949 noch rund 20 Bauten errichtet.
Ich war die Dame von Lil Dagover,
Schneekluth Verlag, 1982
Mit einer ausführlichen Filmographie. – Lil Dagover (eigentliche Martha Seubert, 1887-1980), bedeutende deutsche Theater- und Filmschauspielerin. Sie gab ihr Filmdebüt 1913 und wurde in Stummfilmen von Robert Wiene, Fritz Lang und F. W. Murnau besetzt. Seit 1920 arbeitete sie auch am Theater, u. a. wurde sie von Max Reinhardt an die Salzburger Festspiele und an das Theater an der Josefstadt engagiert. 1931 holte sie Michael Curtiz für die Rolle in »Die Frau aus Monte Carlo« nach Hollywood. Zurück in Deutschland, war sie in zahlreichen Filmen zu sehen, u. a. im ersten deutschen Farb(kurz)film »Das Schönheitsfleckchen«. Während des Krieges war sie für die Truppenbetreuung tätig. Nach Kriegsende war sie eine der ersten, die wieder in Theateraufführungen auftrat, ab 1948 nahm sie auch die Filmarbeit wieder auf. In ihren zahlreichen Film- und Fernsehrollen verkörperte sie immer den Typ der »Grand Dame«, womit sie in die Filmgeschichte einging
Das Buch von der Riviera
Rowohlt Taschenbuch; 2004
Mit den Geschwistern Mann an die eleganteste Küste der Welt. Sie waren jung, verwöhnt und berühmt. Als Klaus und Erika Mann einen Reiseführer über die Riviera schrieben, war ihnen öffentliches Interesse sicher. Mit sichtlichem Vergnügen berichten sie aus dem abenteuerlichen Marseille, dem mondänen Cannes und natürlich aus Monte Carlo. Das Ziel der beiden: Mit möglichst wenig Geld möglichst aufwendig leben, ein Vorhaben, das im Frankreich des Jahres 1931 scheinbar mühelos umsetzbar war Mit den zeitgenössischen Originalillustrationen Illustrationen von Henri Matisse u.a.
Das Renaissance-Theater
von den Zwanzigerjahren bis heute
Die Biografie einer Berliner Bühne
von Steffie Recknagel, 2002, Henschel Verlag
Biographie eines Theaters.
Ein halbes Jahrhundert Schloßpark- Theater Berlin
von 1982, Rembrandt Verlag
Eva Kemlein (1909–2004) war die Chronistin des Berliner Nachkriegs und des Berliner Theaterlebens. Als Bildjournalistin für die „Berliner Zeitung“, deren erste Ausgabe 1945 die Überschrift trug: „Berlin lebt auf!“, prägten ihre Bilder von Überlebenden – sie selbst hatte die Nazizeit als Jüdin versteckt überstanden – das Gedächtnis der Nachkriegszeit. Immer Grenzgängerin zwischen den Welten, fotografierte sie an den Bühnen Ost-Berlins und lebte im Westen der Stadt. So entstand in Kooperation mit der Stiftung Stadtmuseum Berlin die Schau eines außergewöhnlichen Lebens zwischen Ost und West.
Dieses Buch enthält die lebendig geschriebene Geschichte des Theaters in Deutschland von den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts, vom jungen Kaiserreich über die Republik bis zum Ende der Hitler-Diktatur 1945. Es spricht von seinen prägenden Personen, von Dramatikern, Regisseuren und Schauspielern, zeigt die Entwicklung führender Theater. Es behandelt den Wandel der Themen, der Stile, der Arbeitsmethoden, gibt also Bericht von einem großen Aufbruch in die Weltgeltung, aber auch von der Spaltung und Zerstörung dieses bedeutenden Kunstbetriebes und von den Bemühungen um die Rettung seiner Substanz. Das Buch macht Zusammenhänge sichtbar zwischen der künstlerischen Arbeit und der Politik, dem Zeitgeist und den gesellschaftlichen Kräften. Günther Rühle nennt es: »Eine Biographie des Theaters«.
Er rührte an den Schlaf der Welt. Ernst Busch: Die Biographie
Jochen Voit, Aufbau Verlag, 2010
Ernst Busch (1900–1980) war einer der schillerndsten Bühnenstars, die Deutschland im 20. Jahrhundert zu bieten hatte. Einer, dem der Ruch der Revolte anhaftete. Eine Ikone der Linken. Berühmt wurde er 1930 als Moritatensänger in der Verfilmung der „Dreigroschenoper“, legendär als singender Truppenbetreuer im Spanischen Bürgerkrieg und berüchtigt durch die Hymne „Die Partei hat immer recht“. Propaganda-Parolen und Shakespeare, Kästner-Gedichte und Chansons von Tucholsky/Eisler – was er sang, sprach und spielte, geriet stets zur Gratwanderung zwischen Kunst und Politik, zwischen Ideologie und Entertainment. Sein Publikum berauschte sich am Klang seiner metallenen Stimme, schmückte ihn mit Beinamen wie „Barrikaden-Caruso“, „Rote Nachtigall“ und „singendes Herz der Arbeiterklasse“.
Ernst Busch war
- Werftarbeiter in der Kaiserzeit in Kiel
- Theaterschauspieler bei Piscator in Berlin
- Kabarett-, Kino- und Schallplattenstar der späten Weimarer Republik
- Rhapsode des antifaschistischen Widerstands im Exil
- Gefangener des Naziregimes
- Gründer der ersten und einzigen Schallplattenfirma der DDR
- international gefeierter Brecht-Schauspieler
- Kapitalist
- Stalinist
- Querulant im SED-Staat
- populärster deutscher Künstler in der Sowjetunion
- Kultfigur der westdeutschen 68er.
Die Liste seiner Fans reicht von Heinrich Mann über Pete Seeger bis zu den Punks der Hamburger Hausbesetzerszene.
Jochen Voit erschließt in seiner grandios erzählten Biographie eine Jahrhundertgestalt und ihre Epoche.
Deutschland von unten: Reise durch die proletarische Provinz
Verlag für Berlin-Brandenburg 2016
Kurt Tucholsky nannte es ein „lehrreiches Buch“; für Axel Eggebrecht war es „ein furchtbarer Reiseführer durch das Elend“ und Georg Schwarz attestierte dem Autor, „ein grauenhaftes Bild vom Zerfall unserer Kultur“ gezeichnet zu haben. Wie kam ein baltischer Adliger dazu, einen solchen Text zu verfassen? Alexander Graf Stenbock-Fermor (1902–1972) hatte nach Ende des Ersten Weltkrieges in den Reihen der Baltischen Landeswehr gegen die Bolschewiki gekämpft, ging dann zum Studium nach Deutschland und lernte als Werkstudent Bergarbeiter im Ruhrgebiet kennen. Unter dem Eindruck der Verhältnisse, die er dort sah, wandelte er sich vom Antikommunisten zum Kommunisten. Als Schriftsteller und Publizist war er Mitglied des Bundes Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller. Nach 1933 im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, wurde er nach Kriegsende von der Roten Armee als Oberbürgermeister von Neustrelitz eingesetzt. 1947 Chef lektor des Verlages Volk und Welt in Ost-Berlin, arbeitete er später als Drehbuchautor für die DEFA und pendelte, seit den 1950er-Jahren in Berlin-Wilmersdorf lebend, fortan zwischen Ost und West. In der 1931 erstmals erschienen Reportage Deutschland von unten schildert Stenbock-Fermor in sachlichem Ton die katastrophalen Lebensbedingungen am Rande der Gesellschaft. Angesichts heutiger Armutsberichte ein frappierend aktueller Bericht.
Meine Erlebnisse als Bergarbeiter im Ruhrgebiet (Ruhrgebiet de luxe)
Verlag Henselowsky u. Boschmann; 2017
So atemlos, wie sich der erste Arbeitstag des “Freiwilligen Stenbock” hinter der Kohlenschaufel gestaltet, so atemlos legt man dieses Buch nach der Lektüre beiseite. Dabei hat man doch “nur” (erneut) ein Buch über den Bergbau gelesen. Kann denn so etwas überhaupt noch Spannung erzeugen? Bei allen Vor-Urteilen gegenüber dieser Gattung: Es kann. Vielleicht liegt der Grund darin, daß Graf Alexander Stenbock-Fermor (1902-1972) als gänzlich Fremder in das Ruhrgebiet kam. Sowohl der Bergbau als auch die Landschaft waren ihm bis dahin völlig unbekannt. So liest sich sein Bericht streckenweise tatsächlich wie ein Abenteuer-Buch, als Aufzeichnung einer Entdeckungsreise in eine unbekannte Welt. Stenbock-Fermor selbst kam aus einer ganz anderen Welt. Mütterlicherseits aus russischem Fürstengeschlecht und väterlicherseits aus ältestem schwedischen Adel stammend, wurde er auf Schloss Nitau bei Riga geboren. Er besuchte ein Internat in Thüringen, beteiligte sich als junger Freiwilliger der Baltischen Landeswehr “begeistert” an den Kämpfen gegen die Rote Armee (1918/19), emigrierte mit seinen Eltern nach Mecklenburg in Deutschland (1920), wo er nach dem Abitur ein Ingenieurstudium begann. Als mittelloser Student entschied sich Stenbock-Fermor Ende 1922 schließlich, ein Jahr lang sein Brot als Bergmann zu verdienen, “als Proletarier unter Proletariern”: im Ruhrgebiet, diesem “Lande ohne Seele, ohne Himmel und Schönheit”, in Hamborn, wobei er nie zuvor “eine reiz- und seelenlosere Stadt” sah, auf der Schachtanlage Friedrich Thyssen IV. Dieses eine Jahr, dieses eine Jahr als Schlepper unter Tage, sollte das weitere Leben und Schaffen Stenbock-Fermors nachhaltig verändern. Zum einen begründete sein fünf Jahre später erschienenes Buch “Meine Erlebnisse als Bergarbeiter” seinen Weg als freier Schriftsteller, nachdem er sich zuvor in verschiedenen anderen Berufen versucht hatte (Journalist, Buchhändlerlehrling, Bibliothekar, Verlagsgehilfe). Zum zweiten lösten seine unmittelbaren Erfahrungen mit der Welt der Arbeit eine ideologische Umkehr aus. “Da fiel denn mein altes schönes Weltbild ziemlich kläglich zusammen”, räumte Stenbock-Fermor später ein. Wie der Widerspruch es wollte, wurde aus dem überkommenen Weißgardisten ein überzeugter Rotgardist, Mitglied der Kommunistischen Partei (KPD) und des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller (BPRS), kurz: “Der rote Graf”, wie später die aus dem Nachlass publizierte Autobiographie Stenbock-Fermors heißt (1973). Aus dem Nachwort von Dirk Hallenberger