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Perspektive
Hör auf dein Innerstes, Wald,
hör auf dein Herz,
das schlägt, weil es tief, weil es ganz
verborgen in deinen gewachsenen Erden
zu finden ist. Im Myzel, in den Fäden,
die die Pilze ziehen. Du redest,
du flüsterst, du sprichst aus deinen
Verschränkungen heraus. Du füllst dich,
du verlierst dich, du fällst und entstehst
aufs Neue. Du wächst und bleibst,
richtest dich nach dem Licht, nach dem
Bogen der Zeit, nach der Kühle
des Schattens, der das Geheimnis
deiner selbst ist. Nur der Mensch, wo ist
der Mensch, der erlauchte Zerstörer, der
Plastikproduzent, der alles um dich herum,
füllt und begräbt mit künstlichen Dingen?
Er ging vor geraumer Zeit, ging verloren,
denn du hast auf dein Innerstes gehört,
auf dein Herz, auf dein Leben, das schlägt,
weil es tief, weil es ganz verborgen
in deinen gewachsenen Erden zu finden ist.
Hanno Hartwig 14.3.2022
Zur Entstehung des Gedichts „Perspektive“ vom 14.3.2022.
Das Gedicht ist das Ergebnis des Workshops: „Wald pflanzen / Wald schreiben“
Vier Aufgabenstellungen waren vorgeschlagen, und ich habe mir die vierte herausgenommen. Dort wurde angeregt, ein gewisses Maß an Allgemeinwissen, Poesie, Mythologie, ökologischer und botanischer Forschung einfließen zu lassen. Auch wurde angeregt, die archetypische Bedeutung von Wald mit romantischen Bildern zu verknüpfen. Es sollte der Versuch gestartet werden ganz unterschiedliche und gegensätzliche Aspekte in Stellung zu bringen. Sofort kam mir in den Sinn, wie es wäre, wenn ich vom Standpunkt eines aktiven Beobachters einen Wald der Zukunft beschreibe, in dem der Mensch keine Rolle mehr spielt. Bäume haben seit meiner Kindheit eine zentrale Bedeutung für mich. Nach dem Erlernen des Landschaftsgärtnerberufes und dem anschließendem Gartenbaustudium, habe ich mich durch das weiterführende Teilgebietsstudium der Baummechanik, bei Prof. Mattheck, zum Baumsachverständigen ausbilden lassen, und alles was mit Bäumen und Wald zusammenhängt ist mir, seitdem, mehr als wohlvertraut.
Des Weiteren möchte ich noch sagen, dass ich Asperger-Autist bin und typischer Weise über eine Inselbegabung verfüge, die es mir ermöglicht Gedichte aus dem Stehgreif zu produzieren, weshalb ich nie lange über Stil, Form, Fügung oder Formulierungen nachdenken muss, sondern sich diese in kürzester Zeit von selbst ergeben. So war es auch bei diesem Gedicht.
Die erste Strophe
Hör auf dein Innerstes, Wald,
hör auf dein Herz,
das schlägt, weil es tief, weil es ganz
verborgen in deinen gewachsenen Erden
zu finden ist.
war ohne Nachzudenken sofort da, und wie bei einer nebenher laufenden Tonspur, dachte ich an die Dinge, die der Förster Peter Wohlleben in seinem Buch über den Wald geschrieben hat, nämlich, dass wissenschaftlich nachgewiesen wurde, dass die allgegenwärtige Mykorrhiza im Boden, die sich symbiotisch mit den Wurzeln der Bäume verbindet, als Wood-Net anzusehen ist, ähnlich dem Internet, also schrieb ich:
Im Myzel, in den Fäden,
die die Pilze ziehen.
Mit dieser Einleitung habe ich mein Gedicht positioniert, es quasi auf Spur gebracht. Als logische Fortführung habe ich dann, meinem Denken entsprechend,
…Du redest,
du flüsterst, du sprichst aus deinen
Verschränkungen heraus. Du füllst dich,
du verlierst dich, du fällst und entstehst
aufs Neue. Du wächst und bleibst,
richtest dich nach dem Licht, nach dem
Bogen der Zeit, nach der Kühle
des Schattens, der das Geheimnis
deiner selbst ist.
eine These aufgestellt. Zudem ist die Formulierung: „…du sprichst aus deinen/Verschränkungen heraus…“ wissenschaftlich begründet. Denn die Verbindung zwischen Stamm und Ast besteht aus verschränkten Holzstrahlen, die sich schleifenartig übereinanderlegen, wodurch sich zwar eine feste Klebeverbindung ergibt, die mit dem Stammholz aber nicht tief verbunden ist. Dadurch kann bei Bedarf eine Trennung vom Ast, von Seiten des Stammes, im Laufe des Baumlebens, möglich sein. Die Formulierungen „Bogen der Zeit“ und „Kühle des Schattens“ sind meinem inneren Denken, meiner romantischen Keimzelle geschuldet. Der Bogen beschreibt einesteils die Jahreszeiten, als auch den Lebenszyklus eines Baumes. Die Kühle des Schattens ist das Klima, dass der Wald sich selber schafft, als „Geheimnis seiner selbst.“ Es ist typisch für mich, dass ich diese „Gedankenverschränkungen“ ohne bewusstes Nachdenken schreibe. Die anschließende Strophe,
Nur der Mensch, wo ist
der Mensch, der erlauchte Zerstörer, der
Plastikproduzent, der alles um dich herum,
füllt und begräbt mit künstlichen Dingen?
ist die Antithese. Über die Begriffe „Plastikproduzent“ und „erlauchter Zerstörer“ musste ich nicht lange nachdenken, sie waren da. / Mit der Formulierung: „…der alles um dich herum/füllt und begräbt mit künstlichen Dingen…“, überlagern sich Zeitperspektiven. Etwas, das für mein Schreiben ebenfalls typisch ist. Das Gedicht endet als Antwort auf die Frage nach dem Menschen, und ist gleichzeitig die Synthese des Gedichts:
Er ging vor geraumer Zeit, ging verloren,
denn du hast auf dein Innerstes gehört,
auf dein Herz, auf dein Leben, das schlägt,
weil es tief, weil es ganz verborgen
in deinen gewachsenen Erden zu finden ist.
Mit dieser Strophe, die einen Teil der Einleitung wiederholt, ist das Gedicht in sich geschlossen.
Hanno Hartwig (in der Nacht des 19.3.2022 geschrieben)
___________________
Dies ist seit meiner Kindheit die Art wie ich Gedichte schreibe, und da ich lyrisch denke, und aus dem Stehgreif heraus Gedichte schreiben kann, sollte es von mir doch mannigfache Gedichtbände geben, die die Regale füllen. Das ist aber nicht der Fall. Wenn man mich nach dem Grund fragt muss ich sagen, dass mein Autismus mich daran gehindert hat, mich aus meinem inneren Kokon zu befreien. Nur ganz langsam, es war ein mühsamer Prozess, habe ich Vertrauen zu mir selbst und meinem „lyrischen Ich“ entwickeln können, wurde aber immer wieder durch äußere Umstände zurückgeworfen. Erst als ich mich im Haus für Poesie bei Karla Montasser 2018 vorstellte ging es aufwärts, denn sie erkannte sowohl meine Begabung, als auch meine psychische Disposition, und wusste beides zu nehmen. Allerdings, und dies nur als Ergänzung zu meiner literarischen Biographie, wurde ich Anfang der 90er Jahre Mitglied der NGL, und konnte den bekannten Dichter Dieter Straub als Mentor gewinnen. Aus dieser Zeit heraus habe ich mit meinem ersten Gedichtband „Helle Fenster“, den es auch heute noch auf dem Markt gibt, debütiert. Doch als die NGL 2003 aufgelöst wurde, war ich wieder der einsame Dichter der tagsüber seinen beruflichen und familiären Verpflichtungen nachging, und nachts schrieb. Ergänzend möchte ich noch darauf hinweisen, dass ich seit der NGL Michael Speier kenne, der ein guter Freund von Dieter Straub war. Noch heute pflegt er mit mir einen freundschaftlich wohlwollenden Austausch und schrieb mir in einer Mail zu meinem ersten Gedichtband: „…ich habe doch immer wieder in Ihrem Gedichtband gelesen. Ich finde es toll, wenn man sich -wie Sie– Stil und Haltung über die Jahre und Moden bewahrt. Dazu ist viel Haltbares in den Texten.“ [In der Zwischenzeit habe ich wieder ein fertiges Manuskript, das einen Verleger sucht, und arbeite bereits an einem nächsten.]
Kurzbiografie Hanno Hartwig
1957 in Kassel geboren, wohne seit 1963 in Berlin bis heute.
Beruf Landschaftsgärtner, danach Gartenbaustudium
Dann öffentlicher Dienst bis heute. Seit 2003 amtlicher Baumsachverständiger.
Schreibe seit meinem 11. Lebensjahr.
Buchveröffentlichung: Helle Fenster 1. u. 2. Auflage
Nikolaus-Lenau-Lyrikpreis am 26.9.2020
Mitglied in mehreren Literaturvereinen.
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Helge ist Linkshänder, lustvoll malt und kritzelt er mit seiner linken Hand, doch in der Schule wird er umerzogen. Dennoch bleibt das Schreiben seine Leidenschaft und er versucht in jungen Jahren als Autor zu reüssieren. Nach der Veröffentlichung zweier Romane mit nur mäßigem Erfolg sieht er sich erneut zu einer Kehrtwende gezwungen. Er gibt sein eigenes Schreiben auf und lektoriert von nun an Fremdtexte für eine Service-Agentur. Doch die linke Hand, die wilde, die starke, meldet sich zurück, Helge gibt ihr nach und beginnt zaghaft mit der linken Hand die Geschichte seiner großen Liebe Elena und ihrem Selbstmord aufzuschreiben. Am Ende fragt er sich: Soll ich mich noch einmal durch den Dschungel des Literaturbetriebs kämpfen? Die Kälte gesättigter Lektoren und Verleger ertragen? Seine Herzhand sagt ja.
Stimmen über Volker Kaminski und HERZHAND
„Man muss nicht unbedingt Insiderwissen besitzen, um den Roman über die knallharten Gesetze des literarischen Überlebensbetriebs und die Literaturszene im trubeligen Berlin mit Aufmerksamkeit zu lesen. In einem verzweigten Netz ineinander verspiegelter Geschichten führt Kaminski seine Figuren gelenkig durch den Plot. Geschickt verknüpft der Autor zudem Fantasy-Elemente mit einer Coming-of-Age-Geschichte. Handlungs- und Reflexionspassagen finden sich in wohldosierter Durchmischung. Das zentrale Motiv der Linkshändigkeit ist unaufdringlich in die Romantextur eingewoben.“
– Martina Pfeiffer, Kultur.txt, Link
„Was die Hauptfigur dabei erlebt, hat wohl auch mit Erlebnissen des Autors zu tun: Er lässt Helge anrennen gegen Verlage, abweisende Lektoren und eine uninteressierte Branche, die in erster Linie auf Profit ausgerichtet ist. Kaminski beschreibt seine Hauptfigur nicht als notorischen Verlierer, sondern als einen, der eine Berufung in sich trägt, die zeitweise verschüttet war und zurückgewiesen wurde, aber schließlich kompromisslos gelebt wird. Er erzählt (…) als distanzierter Beobachter, mitunter witzig (…). Zu würdigen sind die verschiedenen Romansujets Helges, die sich Kaminski gleichsam als Romane im Roman ausdenkt – und gleichzeitig wohl auch die Leistung, die eigene Arbeit zum Romanstoff zu verarbeiten, ohne zu sehr ins Autobiografische zu geraten.“
– Stefan May
„Ein Roman rund um die Linkshändigkeit hatte gefehlt! Dabei ist der Text viel mehr: Kaminski erzählt von der deutschen Literaturszene, mal bitterbös, mal melancholisch, aber mit einem nicht auszurottenden Optimismus. Altgediente und neue Leser freuen sich dabei an seinem ganz eigenen Sound.“
– Friedrich Kröhnke
„Volker Kaminski schreibt ebenso melancholisch wie urkomisch über die Leiden eines (unverstandenen) Schriftstellers wie eines (umgepolten) Linkshänders. Seine Beschreibungen verschiedener Berliner Kulturzirkel sind überaus treffend. Eine warme Ironie, falls es so etwas gibt, durchzieht den Roman, dem es auch an Spannung und kompositorischer Stärke nicht fehlt. Fazit: Lesenswert für alle Linkshänder und Rechtshänder, Künstler wie Kulturszene-Geschädigte, Berlinfreunde und -feinde. Es gibt keine Ausrede, diesen tollen Roman nicht in die eine oder andere Hand zu nehmen!“
– Tanja Dückers
„Er selbst gehe beim Schreiben gern schnell in medias res, verriet Volker Kaminski im Gespräch mit Regina Rabolt von der Literarischen Gesellschaft. So gelingen ihm im Roman neben boshaften Schilderungen menschlicher Eitelkeiten auch schöne Spielereien mit den Begriffen Bild und Spiegelbild, Schrift und Spiegelschrift.“
– Sibylle Orgeldinger
„Volker Kaminski ist die Wundertüte unter den Schriftstellern (…) Herzhand ist ein kunstvolles Roman-im-Roman-Spiel.“
– (akr) Reutlinger General-Anzeiger
Volker Kaminski im Gespräch mit Cornelia Geißler über seine Buchpremiere von HERZHAND
– Berliner Zeitung. Link
In der Literatursendung „Starke Sätze“ weist Ute Büsung auf Volker Kaminskis neuen Roman HERZHAND hin.
– RBB Inforadio. Link
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Sommerkonzert mit Lucy Zhao und Yang Linchi
Konzertprogramm mit Tanzdarbietung von Gao Tian
Zum Ausklang unseres Programms „Open Air Kultur“ laden wir Sie herzlich zu einem Sommerkonzert mit klassischen und modernen Arrangements chinesischer Stücke auf der chinesischen Schalenhalslaute Pipa 琵琶 und der Griffbrettzither Guqin 古琴 ein. Lassen Sie sich von den kunstvollen Darbietungen der MusikerInnen Lucy Zhao und Yang Linchi und einer Performance der Tänzerin Gao Tian begeistern!
Lucy Zhao 赵路曦 spielt die traditionelle Schalenhalslaute Pipa. Sie trat bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2008 in Beijing im Pipa-Orchester auf und ging im Rahmen ihres Studiums am renommierten China Conservatory of Music auf internationale Orchestertourneen. Seit 2016 lebt sie in Europa. Sie tritt europaweit in Orchestern und Ensembles und als Solistin auf und ist in der Berliner Musikbranche tätig, u. a. wirkte sie in Projekten im Rahmen der Berliner Festspiele 2020 und dem ARTE Konzert 2021 mit.
Yang Linchi 杨临池 spielt die Guqin, eine traditionelle siebensaitige Griffbrettzither, die zu den ältesten chinesischen Instrumenten zählt. Neben seiner Tätigkeit als Musiker forscht er zur Geschichte der Guqin und ihrer Verknüpfung zum Daoismus und setzt sich für die weitere Bekanntmachung des Instrumentes in Deutschland ein.
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Jenny Schon
Zukunft atmen
Lyrik
Illustrationen von Bettine Grientrog
Geest-Verlag 2022
ISBN 978-3-86685-894-7
ca. 212 S., 6 Farbillustrationen, 14,80 Euro
Als ich mit diesem Gedichtband begann, waren wir auf dem Winterhöhepunkt des ersten Jahres von Corona. Wir haben seitdem eine neue Zeitrechnung, im ersten Jahr von Corona, im zweiten …
Joe Biden war Präsident geworden. Er war 78 Jahre alt und hatte die Zukunft vor sich. Ich bin ja auch achtundsiebzig, durchzuckte es mich. Warum denke ich immer nur an die Vergangenheit, ich hab ja Zukunft. Die Vergangenheit ist Teil der Zukunft, über die hab ich mir aber noch nicht so viele Gedanken gemacht, außer, dass ich früher, wenn ich was be-gann, wie zum Beispiel die Lehre, die Abendschule oder das Studium, es zu Ende bringen wollte, also das Resultat meines Fleißes die Zukunft war.
So stelle ich mir jetzt nicht mehr die Zukunft vor. Die Zukunft ist kurzfristig geworden. Mag auch Joe Biden ein Leben lang darauf hingearbeitet haben, einmal Präsident zu werden, ich hab in Etappen auf meine Zukunft hingearbeitet; Volksschulabschluss, na klar, den schaffe ich, Lehre, ein Klacks, da war kein Abitur vorgesehen, das kam erst später auf dem Zweiten Bildungsweg, unter Magister konnte ich mir wenig vorstellen, machte ich dann aber irgendwann, den Doktortitel hätte ich gerne erworben, dachte, den kann ich immer noch machen, doch damit wurde nichts und wird nichts. Zukunft hat durch Corona eine andere Dimension erlangt, selbst zwei Jahre ha-ben eine andere Wertigkeit als vorher. Ich hab die Sorgen der Schüler und Studenten vernommen, was zwei Jahre für sie in den jungen Jahren bedeutet.
Diese zwei Jahre bilde ich hier in meinen Gedichten ab, die in meiner Umgebung und in der Welt verflossen sind mit ihrem Ab und Auf, Entsetzen und Hoff-nung, von einem Tag auf den anderen andere Zahlen, andere Prognosen, andere Hoffnungen. Der Stille und Entschleunigung der ersten Zeit im Lockdown, diesem Hinter-den-Zeitläuften-Sein, die-ser feinen Art der Wahrnehmung hat sich wieder und vielmehr, scheint’s, als vorher, die Hektik und das Ellenbogen-Ausbreiten entgegen gesetzt. Obwohl die Corona-Zahlen im Mai 2022 noch hoch sind, viel höher als in der ersten Zeit der Seuche, sieht es überall so aus, als sei nichts geschehen, als gäbe es Corona nicht. Nein, etwas ist verändert, die FFP2-Maske. Es gibt doch noch viele, die ohne Zwang in Geschäften und andernorts die Maske aufhaben, die gab es im Frühjahr 2020 nicht. Damals war alles Maske, was vor Mund und Nase passte. Und noch was hat sich geändert, die Autos, sie sind mehr und größer geworden. Alles durch Corona-Beschränkungen Eingesparte scheint in diese spritfressenden SUV-Monster (Sport Utility Vehicle) geflossen zu sein. Auch die Wohnmobile haben starken Absatz. Man verschanzt sich hinter dem mächtigen Lenkrad und begibt sich in sein Reich, mit dem man notfalls flüchten kann. Aber auch die Zahl der Fahrräder hat sich verdop-pelt, besonders der Lastenräder. Der Mensch begreift, dass er mit eigener Muskelkraft auch schon was bewegen kann.
Und was noch?
Es ist Krieg in Europa. Krieg, sagt sich so einfach, stündlich in den Medien präsent, und wenn Krieg ist, wird alles teurer. Besonders die Armen sind betrof-fen. Und wie bei Corona spaltet sich das Land in Waffenbefürworter und Waffengegner, wie just Mas-ken- bzw. Impf-Befürworter und -Gegner. Mutter Erde ist von Tag zu Tag gefährdeter, die Menschheit geht ihr an den Kragen, die Luft wird schlechter, die Innereien werden zerfressen vom radikalen Abbau der Ressourcen, ihre Venen vertrock-nen, wir verschwenden das Wasser … verzweifelt spare ich Wasser, versuche Abfall zu vermeiden, benutze kein Handy und kaum Batterien, und gehe viel zu Fuß…ob es helfen kann? Natürlich hoffe ich, dass es helfen kann, wenn viele es machen, natürlich hoffe ich, dass wir, dass unsere Kindeskinder eine Zukunft haben, natürlich können wir jetzt und heute Zukunft atmen…
Das sind alles Gedanken, die einen anfallen, wenn man so alleine vor dem angsteinflößenden berüchtig-ten weißen Blatt sitzt und auf die Buchstabentasten stiert. Es sind Überlebensgedanken. Corona ist aber nur eine der Plagen, die uns alte Schriften weissag-ten. Gegen Corona gibt es nun effektive Impfungen, die aber immer wieder erneuert werden müssen, wie wir im Laufe der Coronajahre gelernt haben. Kriege werden meistens irgendwann beendet, das Wie ist das Fragezeichen, was aber nicht auszurotten scheint, ist die alte Plage Patriarchat. Sie wütet wie-der als offizielle Staatsform in Afghanistan, man scheint ihr mit Mitteln wie Menschenwürde und Gleichwertigkeit nicht beizukom-men, jede Schwäche ausnutzend sind diese Männer zur Stelle, ihr Terrorregime weiter auszubauen, sie werden von anderen patriarchalen Regimen unterstützt. Die Unterstüt-zung, die wir dort gewährt haben, hat vor allem nicht die Frauen auf Dauer geschützt. Der Krieg in der Uk-raine lässt vergessen, dass die Afghaninnen wieder in das Gefängnis Burqa und Dummheit eingesperrt werden.
Die Umweltkatastrophen, die schon viele Länder durchmachen, wo steigender Meeresspiegel Landun-ter bedeutet, oder brennende Wälder auch Häuser vernichten, sind auch bei uns angekommen.- Landunter war im Sommer 2021 auch vor meiner rheini-schen Haustür, es scheint sich 2022 fortzusetzen, es sind diesmal Tornados, die Sorge bereiten. Ein neuer Virus ist ebenfalls im Anmarsch: das Affenpocken-Virus.
Die Bilder vom letzten Jahr sind Vergangenheit, von den in den Fluten entschwindenden Häuser schon vergessen und der Weinschoppen am Abend nach getaner Arbeit schmeckt wie eh und jeh. Da werden kaum die Bilder beschworen, wie in der lehmigen Brühe Autos ebenso vermatscht wurden wie Bücher und Akten und sich durch die engen Gassen quetsch-ten … wem werden sich die Bilder von den bersten-den Türmen in New York aufdrängen, wenn er bei seinen wieder erlaubten Reisen in den engen Straßen gen Himmel blickt? Das ist zwanzig Jahre her und hieß Epochenwandel der Menschheitsgeschichte. Die Erinnerung schwindet, neue Grausamkeiten ver-drängen das Alte.
Conditio humana – Der Mensch kann vergessen, will überleben, in meinen Gedichten habe ich Zeitge-schichte festgehalten…
Es ist tatsächlich Krieg ausgebrochen in Europa – wie zum Anfang meiner Geburt vor achtzig Jahren wird in Europa geschossen aus herrschaftslüsternen Gründen, Gebietsklau, die Menschen, die da leben, zählen nicht. Es werden Waffen exportiert, auch von Deutschland, und wieder mal wie bei dem Jugosla-wienkrieg vor dreißig Jahren ist eine grün-soziale Regierung an der Macht.
Ich war das erste Mal seit Jahrzehnten wieder bei einem Ostermarsch dabei. Es wird von Zeitenwende gesprochen, Waffen sind wieder gefragt, schwere Waffen.
Ich bin fassungslos, dass Brot als Waffe eingesetzt wird – wie in alten Zeiten. Esst Kuchen, wenn ihr Hunger habt, war der zynische Spruch im Feudalis-mus.
Nicht nur beim Lockdown in China zeigte sich, wie weltabhängig wir alle sind. Auf einmal waren alltägliche Medikamente und Masken nicht verfügbar. Jetzt zeigt sich die Globalisierung in den fehlenden Weizenlieferungen aus der Ukraine, die von Russland behindert werden. Hungersnöte in Afrika sind die Folge.
Trotzdem bin ich gegen die Lieferung von schwerem Kriegsgerät in die Ukraine, überall hin! Ich bin – so wird es heutzutage genannt – ein Sentimentalpazifist!
Wie viele Millionen könnten satt werden, wenn die Milliarden, die in den Rüstungsetat fließen, für Brot ausgegeben werden würden.
Man muss aber auch jenen Russen helfen, die nichts dafür können. Einer Freundin, die einen russischen Namen hat, aber keine Russin ist, wurde das Na-mensschild und der Briefkasten zertrümmert. Immer wieder diese unsäglichen Ausgrenzungen …
Wenn aber so viel, wenn nicht alles, miteinander zu-sammenhängt, ist vielleicht der alte Spruch der Chinesen doch wahr:
Ein Schmetterlingsflügelschlag in China kann ein Erdbeben in Chile auslösen … und auch Khalil Gibrons Spruch bleibt Wahrheit: Die Blumen des Frühlings sind die Träume des Winters und ich möchte trotz allem träumen und bleibe bei dem Titel für mein Buch: Zukunft atmen …
Jenny Schon
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