Der Kiez der Kreativen in Berliner Woche

Vor 90 Jahren wurde die Künstlerkolonie bezogen

 

Vor 90 Jahren wurde die Künstlerkolonie am Breitenbachplatz bezogen, vor 30 Jahren der gemeinnützige Verein Künstlerkolonie gegründet. Das Doppeljubiläum wird am Mittwoch, 18. April, mit einem Konzert im Theater Coupé gefeiert.

Der Verein, aktuell geleitet vom Vorsitzenden Alwin Schütze, stellt Veranstaltungen, Programme und Projekte auf die Beine, die die Geschichte der historischen Künstlerkolonie lebendig halten und das Wirken der Bewohner – eingebunden in diese Tradition – der Allgemeinheit bekannt machen. Und er hat sich der Aufarbeitung und Dokumentation der Kolonie verschrieben. 

Mit dem Bau der drei Wohnblöcke um den Laubenheimer Platz, dem heutigen Ludwig-Barnay-Platz, wurde 1927 begonnen und zwar zunächst entlang des Südwestkorsos. Die letzten Wohnungen im Block am Steinrückweg, der bei Baubeginn noch Rastatter Straße hieß, scheinen nach den Recherchen des Vereins 1931 bezogen worden zu sein. 1926 wurde das Areal zwischen Laubenheimer Straße und dem Breitenbachplatz erworben: von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger und dem Schutzverband Deutscher Schriftsteller, die zu diesem Zwecke die “Gemeinnützige Heimstätten Ges. G. m. b. H. Künstlerkolonie” gegründet hatten. Es sollten für die Mitglieder dieser Gesellschaften bezahlbarer und – im Gegensatz zu den Mietskasernen – angenehmer Wohnraum geschaffen werden. Die Siedlung wurde von den Architekten Ernst und Günther Paulus entworfen. Sie orientierten sich an dem Konzept der “Rheinischen Siedlung”, die in den Jahren 1911 bis 1915 um den Rüdesheimer Platz erbaut worden war. Es sollte eine “Gartenterrassenstadt” entstehen, die gemeinschaftliches Wohnen und Zusammenleben – auch durch die Anlage der Innenhöfe – fördern sollte. In der Planung von 1929 war noch ein vierter Block zum Breitenbachplatz hin vorgesehen, der einen Lesesaal als Kommunikationszentrum hätte erhalten sollen. Das Naziregime, dem die ganze Siedlung suspekt war, hatte aber eine weitere Bebauung untersagt.

Das Wohnviertel umfasst drei Häuserblocks mit großzügig bemessenen Innenhöfen. Nahe des Breitenbachplatzes gelegen, wird die Künstlerkolonie im Westen und Osten vom Steinrückweg und der Laubenheimer Straße, im Norden und Süden vom Südwestkorso und der Kreuznacher Straße begrenzt. Die Häuserblocks reihen sich um den parkähnlich angelegten Ludwig-Barnay-Platz.

Die Künstlerkolonie sollte vor allem Künstlern, die wenig Geld beziehungsweise unregelmäßige Einkünfte hatten, bezahlbaren Wohnraum bieten, was besonders nach der Weltwirtschaftskrise 1929 von Bedeutung sein sollte. “Hungersburg” hatte der Volksmund die “KüKo” vor dem Krieg genannt. Viele bedeutende Schauspieler, Regisseure, Sänger, aber auch Schriftsteller und Philososophen haben dort gewohnt – davon viele, die ab 1933 emigrieren mussten beziehungsweise vertrieben wurden oder die plötzlich “verschwanden”, wie zum Beispiel Ernst Busch, Ernst Bloch, Steffi Spira oder Alfred Kantorowicz.

Nach der Machtergreifung durch die NSDAP im Jahr 1933 wurde das Leben für die Bewohner der Künstlerkolonie immer gefährlicher. Knapp drei Wochen nach dem Reichstagsbrand kam es zu einer großangelegten Durchsuchungs- und Verhaftungsaktion in der Künstlerkolonie. Mehrere Lastwagen voller Akten wurden beschlagnahmt. Literatur, die die Nationalsozialisten für kommunistisch oder marxistisch hielten, wurde auf den Laubenheimer Platz geschafft und verbrannt.

Einige der Bewohner gaben den Straßen des Viertels ihren Namen, so wurde im Gedenken an den Gründer der Künstlerkolonie Gustav Rickelt 1999 ein privater Verbindungsweg zwischen Südwestkorso und Kreuznacher Straße im Neubaubereich der 50er-Jahre in Gustav-Rickelt-Weg benannt. Andere Namen finden sich auf Gedenktafeln wieder und wer durch den Kiez schlendert, kommt auch an Stolpersteinen vorbei, die dem Ehepaar Erna und Ignaz Sebastian Jezower und dem Schauspieler Hans Meyer-Hanno gewidmet sind. Im Jahr 1990 wurde die Gartenstadt am Südwestkorso unter Denkmalschutz gestellt. Diese beinhaltet auch die Künstlerkolonie, die etwa 20 Prozent der Fläche ausmacht. Viele aus der Künstlerkolonie vertriebene Bewohner kehrten nach dem Krieg zurück. Auch für Künstler der Nachkriegsgeneration besitzt die Künstlerkolonie, heute mehr aus Gründen der Historie als wegen preiswerten Wohnraums, wieder Anziehungskraft. Auf der Internetseite hat der Verein alle Bewohner der Kolonie archiviert. Wer sie nach unten scrollt, an dessen Auge huschen Namen wie der des Entertainers Hugo Egon Balder, des 2013 verstorbenen Kabarettisten Dieter Hildebrandt und sogar Klaus Kinski vorbei.

Gerade ist der Verein darum bemüht, in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt dem Theater Coupé am Hohenzollerndamm 177 wieder mehr Leben einzuhauchen. Seine Aufführungen, die zumeist dort stattfinden, sind Abende mit der speziellen Atmosphäre und dem Charme guter alter Kleinkunsttradition. Dort wird auch die Feier zum Doppeljubiläum stattfinden und es versteht sich von selbst, dass ausschließlich Bewohner von heute ihre eigenen oder die Werke von ehemaligen Bewohnern der Kolonie zum Besten geben. “Ich freue mich darauf”, sagt Alwin Schütze. Das Konzert beginnt um 19 Uhr, der Eintritt kostet acht Euro.

Die Geschichte der Künstlerkolonie und das Wirken des Vereins ist auf der Homepage www.kuenstlerkolonie-berlin-ev.de umfänglich aufgeschrieben.