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Walter Hasenclever

Walter Hasenclever, geboren am 8. Juli 1890 in Aachen, langjähriger Bewohner der Berliner Künstlerkolonie, starb am 21. Juni 1940 in einem südfranzösischen Internierungslager. Sein lyrisches Werk sowie sein 1916 uraufgeführtes Drama ‘Der Sohn’ machten ihn zu einem Exponenten des literarischen Expressionismus.

1917 erhielt er den Kleist-Preis, von 1924 bis 1930 lebte er als Journalist in Paris. Während dieser Zeit verfasste er eine Reihe von Schauspielen ( ‘Ein besserer Herr’, ‘Ehen werden im Himmel geschlossen’, ‘Napoleon greift ein’ u.a.), durch die er zeitweilig zum meistgespielten Dramatiker des deutschen Sprachraums avancierte.

1930 arbeitete er als Drehbuchautor Greta Garbos in Hollywood. 1933 wurden seine Werke in Deutschland verboten. Als Regimegegner auch physisch gefährdet, flüchtete er ins Exil, wo er angesichts der deutschen Kriegserfolge den Freitod wählte.

 

Franz Schoenberner, mit Hasenclever in der Ziegelei interniert,

erinnert sich an den letzten Abend:

»Hasenclever schien ruhiger und gefaßter als am Vor­tage. Es überraschte mich ein wenig, daß er uns mit so ungewöhnlicher Wärme und einer Art Feierlichkeit die Hände schüttelte, ehe er zu seinem Platz zurückkehrte. ( … ) Erst als ich in der Morgendämmerung aufwachte und plötzlich hörte, es sei nicht gelungen, Hasenclever aus dem Schlaf zu wecken, verstand ich, daß sein Gutenacht ein letztes Lebewohl gewesen war. ( … ) Das letzte, was wir taten, war, uns zu versichern, daß unser sterbender Freund jedenfalls nicht in die Hände der Nazis fallen sollte. Hauptmann G. versprach uns, daß Hasenclever in ein Militärlazarett in Marseille gebracht und unter falschem Namen als französischer Soldat registriert werden würde. Wie wir später erfuhren, war diese Vorsichtsmaßnahme unnötig. Er starb am selben Abend und fand den letzten, unverletzlichen Zufluchtsort in einem Kirchhof von Marseille.«

(Franz Schoenberner, Innenansichten eines Außenseiters. S.154-156)

 

Christoph Hein über Walter Hasenclever:

Fünfzig Jahre war Hasenclever alt, als er, in einem französischen Lager interniert, Selbstmord beging. Er war einer der wichtigsten Dramatiker und Lyriker des deutschen Expressionismus, seine Stücke wurden nach dem ersten Weltkrieg von vielen Bühnen aufgeführt. Dann wechselte die Mode, die expressionistischen Stücke verschwanden von den Spielplänen und Walter Hasenclever schrieb nun sehr erfolgreiche Unterhaltungskomödien. Mit Hitlers Machtantritt war auch diese Zeit für ihn beendet, er musste emigrieren. Als die Franzosen ihm keinen Schutz mehr boten, sondern den Wünschen und dem Druck des 3. Reiches nachgaben und ihn wie viele andere deutsche Antifaschisten festsetzten, um ihn auszuliefern, floh er nochmals, emigrierte er in den Tod.

Die Walter-Hasenclever-Gesellschaft wehrt sich gegen diese Auslöschung, setzt Zeichen gegen dieses Vergessen. Das ist umso verdienstvoller und ehrenwerter, als es nicht nur ein Signal gegen die Zeitmode ist, sondern auch Widerstand gegen einen Sieg von Hitler bedeutet, ein Widerstehen gegen die Barbarei, gegen den Versuch einer Auslöschung, die das 3. Deutsche Reich an der deutschen Kultur und den Künstlern mit nachhaltigem Erfolg vornahm (aus der Dankrede anlässlich der Entgegennahme des Walter-Hasenclever-Preises der Stadt Aachen am 26.10.2008)

 

 

WDR-Zeitzeichen über Walter Hasenclever

Aus Anlass des 125. Geburtstages von Walter Hasenclever hat der WDR am 21.6.2015 ein Zeitzeichen zu Walter Hasenclever gesendet.


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Mahnmal für die politisch Verfolgten auf dem Ludwig-Barnay-Platz

Am 15. März 1988 wurde auf dem Ludwig-Barnay-Platz eine Tafel am Mahnmal für

„Die politisch Verfolg­ten der Künstlerkolonie“

enthüllt. Neben zahlreichen Bewohnern der Kolonie und Freunden des Vereins sowie der 6.Klasseder Alt-Schmar­gendorf Grundschule nahmen der Stadtrat für Volksbildung Herr Ul­zen, der Baustadtrat Herr Kähler, der Stadtrat für Wirtschaft und Finanzen Herr Reinecke, die Abgeordnete der SPD Frau Helga Korthaase und der Vorsitzende der Bühnengenossen­schaft Herr Driskol an der V eranstal­tung teil.

Bei leicht einsetzendem Schneefall verlief die Gedenkstunde in getrage­ner Stimmung. Holger Münzer, Vor­sitzender des Vereins Künstlerkolo­nie e.V., begrüßte die Anwesenden mit Tucholskys „Blumen auf den Weg gestreut“. Das Neuköllner Blechbläserensemble unter der Lei­tung von Detlef Hillbricht spielte Musik Alter Meister, der Schauspie­ler Helmut Krauss sprach Texte aus „Die Verbrannten Dichter“ (Theater „tribühne“ 1978). Die Veranstaltung fand zum Gedenken an den 15. März 1933 statt, als faschistische Polizei die Künstlerkolonie in Wilmersdorf „endlich aushob“, wie im „Völki­schen Beobachter“ zu lesen war. Bereits seit der Machtergreifung Ende Januar 1933 war es in der Künstlerkolonie zu Hausdurchsu­chungen und Verhaftungen gekommen.

Der Überfall am 15. März 1933 sollte den antifaschistischen Wider­stand in der Kolonie endgültig bre­chen, lebten doch hier zahlreiche be­deutende linke Künstler, Schriftstel­ler, Journalisten, Theaterleute, einige jüdischer Abstammung. Ernst Busch, Axel Eggebrecht, Manes Sperber, Hedda Zinner, Walter Za­dek und viele andere.

In seiner Gedenkrede zitierte Alexander Lon­golius (SPD) den jüdischen Schriftsteller Alfred Kantorowitz, der in der Künstlerkolonie gewohnt hatte, 1933 emigrieren mußte, und der die Ereig­nisse in der Künstlerkolonie nach der Machtübernahme in seinem „Deut­schen Tagebuch“ beschreibt.

 

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Im weiteren ging Alexander Longolius in ei­ner langen Passage der Frage nach der Aktualität faschistischen Gedan­kenguts und dessen Überwindung nach. Alexander Longolius:

„Der Angriff vom 15. März 1933 auf die Künstler­kolonie war nicht nur ein Angriff auf Kunst und Künstler, die Siegesmel­dungen nicht nur die Erleichterung über die Beseitigung des „Roten Loches„. Der 15. März war auch all­gemein ein Gewaltschlag gegen den hier praktizierten Widerstand. Widerstand von etwa 1.000 Bürge­rinnen und Bürgern. Sie waren ziem­lich allein -und haben dennoch so viel Wirkung und soviel Angst er­zeugt. Was hätten 10.000 bewirkt? 100.000? ( … )“

Wir denken heute auch über die Leichtigkeit nach, mit der sich der Naziterror ausbreiten konnte, und wir fragen uns, wie immun wir heute gegen Wiederholungen sind.

Lange habe ich ein Fragezeichen hinter die Überlegungen gesetzt, ob wir die deutsche Vergangenheit ernst genug durchdacht haben. Heute bin ich sicher, daß es das falsche Satzzei­chen ist. Das Klima einer sozialen Akzeptanz von rechtsradikalem Denken war in Teilen unserer Gesell­schaft immer da, und dies waren lei­der auch einflußreiche und mächtige Teile. Wie sollte es auch anders sein, wenn doch für manche unserer Land­leute der Übergang von der Nazizeit zur Republik so überaus nahtlos war. Wir enthüllen heute eine Mahntafel.An vielen Orten wird jetzt nach der Vergangenheit gesucht, der V ergan­genheit von Personen, Institutionen, Orten und ihrer Verstrickung in die faschistische Unterdrückung von Menschen und Ideen. Die Unlust an diesen Aktivitäten ist dabei meist stärker verbreitet als das Engage­ment der häufig jugendlichen Spu­rensucher.

Die Aufarbeitung der braunen Jahre ist 1988 nicht nur Aufgabe für Histo­riker, sie ist immer noch ein Auftrag an unseren politischen Alltag, denn sie ist bisher nicht gelungen.

Das heißt zunächst, Kenntnisse zu ermöglichen. Wenn Abiturienten nicht sagen können, wann der 2. Weltkrieg war, werden sie wohl auch das Jahr 1933 nicht richtig einordnen können. Wenn Lehrer keine Zeit haben, ausführlich über den Nazio­nalsozialismus zu reden, Ausstellun­gen zu besuchen oder auf aktuelle neonazistische Vorfälle an ihrer Schule einzugehen, wird man die Schüler verstehen müssen, die allzu spielerisch mit den traurigen Fakten dieser Zeit umgehen.

Das heißt weiter, die Ursachen für einen neuen Nazismus zu verhin­dern. Die Arbeitslosigkeit von Ju­gendlichen ist mehr als ein Problem des Arbeitsmarktes. Die Verweige­rung einer Lebensperspektive, diese Absage unserer Gesellschaft an jun­ge Bürger ist auch die Einladung an sie, politischen Verführern nachzu­laufen.

Und das heißt drittens, daß die Hoffä­higkeit von antidemokratischen und rechtsextremen Gedanken und Ver­haltensweisen in unserer Gesellschaft endlich verschwinden muß. Der Skandal des Majdanek-Prozes­ses, die Einstellung der V erfahren gegen die beamteten Mörder am Volksgerichtshof, Pensionszahlun­gen an aktive Förderer der N azidikta­tur – das sind Zeichen für ein Klima, in dem Nazis leben konnten. Warum dann nicht auch Neonazis?( … ) Vieles aber können wir tun: Wissen vermitteln, Betroffenheit dauerhaft erzeugen, Demokratie vorleben, To­leranz einüben und die Freiräume schaffen, die Menschen zur V erwirk­lichung ihrer Würde brauchen, auf die sie einen Anspruch haben.

Für Kunst und Künstler gilt dies in besonderem Maße. Freiraum. Beide Wortteile begrunden die Möglichkeit für Kunst zu wirken, überhaupt tätig zu sein. Der Vorbildcharakter der Künstlerkolonie ist auch heute unge­brochen. ( … )

Vieles wäre in der Geschichte unse­res Volkes anders verlaufen, wenn das Beispiel der Künstlerkolonie Nachahmer gefunden hätte. Vieles wäre anders gekommen, wenn die politische Aufmerksamkeit ihrer Bewohner mehr Echo bei Zuhörern, Zuschauern und Lesern gehabt hätte. Und vieles wäre anders geworden selbst nach der Befreiung 1945, wenn die Generation vor uns, 1948 hier diese Tafel enthüllt hätte. ( … ) Unsere Lektion heißt, Versäumtes nachzuholen, in Freiräumen, in Ni­schen unserer Gesellschaft nicht gleich Subversives zu sehen, die na­turnotwendige Rebellion der Kunst anzuerkennen und zu wünschen und so der dummen Engstirnigkeit jegli­cher Intoleranz entgegenzutreten.“ (A. Longolius) Der Verein Künstlerkolonie Berlin e.V. plant, den 15.März als Gedenk­tag jährlich zu begehen, um die Erin­nerung an die politisch verfolgten Künstler der Kolonie wachzuhalten und an die Freiheit von Kunst und Kultur überhaupt zu mahnen.

© Künstlerkolonie Berlin e.V.

Dieser Artikel erschien erstmals 1988 anläßlich der Enthüllung der Gedenktafel


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