Fünf Minuten nach Ausschreibung des „Bürgerpreises der deutschen Zeitungen“ waren bereits die ersten beiden Vorschläge für die aktuelle Nominierung eingegangen. Zur Wahl sollen diesmal unter anderem stehen: der Arzt und TV-Star Eckart von Hirschhausen mit seiner Stiftung „Humor hilft heilen“ und der Braunschweiger Fußballtrainer Frank Mengersen für seinen hochherzigen Impuls, einer schwer verunglückten gegnerischen Jugendmannschaft die Punkte der noch ausstehenden Spiele und damit die Meisterschaft zu schenken(vorgeschlagen von Bonner „General-Anzeiger“ bzw. „Peiner Allgemeiner Zeitung“). Die „Mittelbayerische Zeitung“ wirbt für Michael Buschheuer, den Gründer der Seenotrettungsaktion Sea-Eye.
Die Einreichungsfrist endet am 31. Juli 2019.
Der BDZV hat Ende Mai bereits zum zehnten Mal den Preis für herausragendes bürgerschaftliches Engagement ausgeschrieben. Gewürdigt als „Deutschlands Bürger/Bürgerin des Jahres“ werden Personen, die auch jenseits ihrer eigentlichen Profession Herausragendes für die Gesellschaft leisten. Ausdrücklich kein Teilnahme- Kriterium ist die deutsche Staatsangehörigkeit.
Vorschläge für den mit 20.000 Euro dotierten „Bürgerpreis der Deutschen Zeitungen“ können ausschließlich durch die Zeitungen eingereicht werden. Die Jury besteht aus den gut 250 Chefredakteurinnen und Chefredakteuren der BDZV-Mitgliedsverlage. Sie werden beim Zeitungskongress 2019 am 23. September in Berlin den Gewinner küren.
Zuletzt als „Bürger des Jahres“ ausgezeichnet wurde 2018 das Ehepaar Friederike und Clemens Ladenburger, ein gemeinsamer Vorschlag von „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Badischer Zeitung“, Freiburg. Zuvor ging die Würdigung an Sabine und Daniel Röder (gemeinsam nominiert von „Frankfurter Neue Presse“ und „Kölner Stadt-Anzeiger“); Navid Kermani (nominiert von „Kölner Stadt-Anzeiger“, „Kölnische Rundschau“, Bonner „General-Anzeiger“, „Express“, Köln, sowie der „Rheinischen Post“, Düsseldorf); Elisabeth Ehninger (nominiert von den „Dresdner Neuesten Nachrichten“), Rupert Neudeck (nominiert vom „Kölner-Stadt-Anzeiger“), Gaby Wentland (nominiert vom „Hamburger Abendblatt“), Nora Weisbrod (nominiert von der „Allgemeinen Zeitung“, Mainz, und dem „Wiesbadener Kurier“), das Ehepaar Birgit und Horst Lohmeyer (nominiert von der „Ostsee-Zeitung“, Rostock) sowie als ersten Preisträger 2010 an Thomas Beckmann (nominiert von der „Rheinischen Post“, Düsseldorf).
Ein neuer origineller Typ moderner Großstadtbebauung tritt in der Gartenterrassenstadt Wilmersdorf in die Erscheinung. Um ein einheitliches, großzügiges Straßenbild zu schaffen, erwirkte die Berliner Bodengesellschaft mit ihrer Tochtergesellschaft Berlin – Südwest gemeinsam mit dem Wilmersdorfer Magistrat beim zuständigen Ministerium die Aufhebung einer alten störenden Bauvorschrift, betreffend Anordnung des Bauwichs zwischen den einzelnen Häusern zugunsten einer Reihenhausbebauung. Keine Reihenhausbebauung im Sinne der stereotypen, einförmigen, unschön überladenen Großstadtstraßen – nein, eine umfassende Reaktion gegen die neue deutsche Renaissance. Das Ministerium des Innern gab ohne weiteres seine Einwilligung zu der glücklichen Idee, welche schon im Modell Eindruck machte. Der von der Bauordnung zwischen den Häusern bzw. Hausgruppen geforderte, mindestens 10 m breite Bauwich, dieser Zugschacht, der greuliche, das Gesamtbild zerreißende Silhouetten gegen den Himmel stellt, wird einfach ausgebaut zugunsten der verbleibenden Hoffläche. Man gibt noch mehrere Quadratmeter als vordere Hoffläche zur Strasse zu, um letztere, die von Haus aus 24 m breit, zu einer eigenartig schönen, 44 m breiten , licht- und luftdurchfluteten zu machen.
Der Schöpfer dieses neuen Typs, Architekt Paul Jatzow, äußert sich in der „Architekturwelt“ zu der überraschenden Gegenüberstellung seiner Perspektiven für Straßenanlagen mit Bauwich und ohne solchen in folgender charakteristischer Weise:
Den Berliner Vororten ist durch den Bauwich eine besondere Physiognomie verliehen, man möchte sagen die Physiognomie eines alten Weibes, dem die Hälfte ihrer Zähne fehlt.
Der Bauwich, der guten Absicht entsprungen, den Hintergebäuden und dem ganzen Baublock Licht und Luft zuzuführen, ist eine Mifigehurt gewesen. Es erübrigt sich wohl, hierfür noch besondere Gründe anzuführen; alle Städtebauer sind sich darüber einig, daß der Bauwich bekämpft werden muß bis aufs Messer. Es ist nun gegen diesen Bauwich sowohl von Terraininteressenten Sturm gelaufen worden, weil der Bauwich für die Häuser das Unpraktischeste ist, was man sich nur denken kann, als auch von Aesthetikern, weil der Bauwich unkünstlerisch wirkt.
Die beifolgenden beiden Bilder zeigen eine interessante Gegenüberstellung, erstens den Bauwich, wie er leibt und lebt mit allen seinen Häßlichkeiten in ästhetischer Beziehung; man sieht besonders, wie der Bauwich Einblick in häßliche Höfe ergibt und das ganze Straßenbild zerreißt. Das andere Bild zeigt folgende Lösung: Für den Baublock ist dieselbe Ausnutzung vorgesehen; es ist der Bauwich auch bestehen gela.ssen worden, aber derartig, daß man ihn zu einer wirksamen und vernünftigen größeren Fläche zusammengelegt hat, die auch eine intensive Durchlüftung des Blocks ergibt; es ist gewissermaßen eine weitere luftige Gartenstraße in die Häusermassen hineingelegt, während trotzdem vermieden wird, das die Häuser kalt und zugig werden. Jeder, der diese Gegenüberstellung sieht, wird sich ohne weiteres sagen, das die letztere Lösung die allein natürliche und richtige sein muß.
Aber nicht nur im einzelnen, auch im ganzen offenbart sich die Tätigkeit der ebengenannten Gesellschaft. Durch gemeinsames Zusammengehen mit der Stadt Wilmersdorf entstand mitten im Häusermeer der Großstadt eine Gartenstadt – nicht im Sinne idyllischer Landhaussiedlungen, denn dazu ist der Boden zu teuer, sondern eine Gartenstadt, wo der Großstadtmensch idyllisch und doch in unmittelbarer Fühlung mit der Großstadt wohnen kann. So stellt sich die Gartenterrassenstadt Wilmersdorf als eine ideale Zusammenfassung von Großstadt und Dorfcharakter dar. Diese Wirkung wurde erreicht durch Vorgärten, 13 m breite sattgrüne Rasenflächen, die in sanften Steigungen zu den Hauswandungen hinauf wogen und hier ihre Fortsetzung finden in Spalieren, welche die Fronten der Häuser bis hinauf zum ersten Geschoß mit blütenreichen Kletterrosen umranken. Um die Ausschmückung im kunstgärtuerischen Sinne zur Geltung kommen zu lassen, wurde eine Gesellschaft Gartenvereinigung Berlin– Südwesten , deren Gesellschafter die Eigentümer der 500 projektierten Häuser sind, gebildet, die für die gleichmäßige Unterhaltung der Gartenterrassen und der gärtnerischen Fassadenverzierung Sorge trägt. Der Anfang der Gartenterrassenstadt ist mit der Landauer Straße (siehe drittes Bild) gemacht, in ähnlicher Weise wird dort das ganze sog. Rheinische Viertel ausgebaut.
Walter Hasenclever, geboren am 8. Juli 1890 in Aachen, langjähriger Bewohner der Berliner Künstlerkolonie, starb am 21. Juni 1940 in einem südfranzösischen Internierungslager. Sein lyrisches Werk sowie sein 1916 uraufgeführtes Drama ‘Der Sohn’ machten ihn zu einem Exponenten des literarischen Expressionismus.
1917 erhielt er den Kleist-Preis, von 1924 bis 1930 lebte er als Journalist in Paris. Während dieser Zeit verfasste er eine Reihe von Schauspielen ( ‘Ein besserer Herr’, ‘Ehen werden im Himmel geschlossen’, ‘Napoleon greift ein’ u.a.), durch die er zeitweilig zum meistgespielten Dramatiker des deutschen Sprachraums avancierte.
1930 arbeitete er als Drehbuchautor Greta Garbos in Hollywood. 1933 wurden seine Werke in Deutschland verboten. Als Regimegegner auch physisch gefährdet, flüchtete er ins Exil, wo er angesichts der deutschen Kriegserfolge den Freitod wählte.
Franz Schoenberner, mit Hasenclever in der Ziegelei interniert,
erinnert sich an den letzten Abend:
»Hasenclever schien ruhiger und gefaßter als am Vortage. Es überraschte mich ein wenig, daß er uns mit so ungewöhnlicher Wärme und einer Art Feierlichkeit die Hände schüttelte, ehe er zu seinem Platz zurückkehrte. ( … ) Erst als ich in der Morgendämmerung aufwachte und plötzlich hörte, es sei nicht gelungen, Hasenclever aus dem Schlaf zu wecken, verstand ich, daß sein Gutenacht ein letztes Lebewohl gewesen war. ( … ) Das letzte, was wir taten, war, uns zu versichern, daß unser sterbender Freund jedenfalls nicht in die Hände der Nazis fallen sollte. Hauptmann G. versprach uns, daß Hasenclever in ein Militärlazarett in Marseille gebracht und unter falschem Namen als französischer Soldat registriert werden würde. Wie wir später erfuhren, war diese Vorsichtsmaßnahme unnötig. Er starb am selben Abend und fand den letzten, unverletzlichen Zufluchtsort in einem Kirchhof von Marseille.«
(Franz Schoenberner, Innenansichten eines Außenseiters. S.154-156)
Christoph Hein über Walter Hasenclever:
Fünfzig Jahre war Hasenclever alt, als er, in einem französischen Lager interniert, Selbstmord beging. Er war einer der wichtigsten Dramatiker und Lyriker des deutschen Expressionismus, seine Stücke wurden nach dem ersten Weltkrieg von vielen Bühnen aufgeführt. Dann wechselte die Mode, die expressionistischen Stücke verschwanden von den Spielplänen und Walter Hasenclever schrieb nun sehr erfolgreiche Unterhaltungskomödien. Mit Hitlers Machtantritt war auch diese Zeit für ihn beendet, er musste emigrieren. Als die Franzosen ihm keinen Schutz mehr boten, sondern den Wünschen und dem Druck des 3. Reiches nachgaben und ihn wie viele andere deutsche Antifaschisten festsetzten, um ihn auszuliefern, floh er nochmals, emigrierte er in den Tod.
Die Walter-Hasenclever-Gesellschaft wehrt sich gegen diese Auslöschung, setzt Zeichen gegen dieses Vergessen. Das ist umso verdienstvoller und ehrenwerter, als es nicht nur ein Signal gegen die Zeitmode ist, sondern auch Widerstand gegen einen Sieg von Hitler bedeutet, ein Widerstehen gegen die Barbarei, gegen den Versuch einer Auslöschung, die das 3. Deutsche Reich an der deutschen Kultur und den Künstlern mit nachhaltigem Erfolg vornahm (aus der Dankrede anlässlich der Entgegennahme des Walter-Hasenclever-Preises der Stadt Aachen am 26.10.2008)
WDR-Zeitzeichen über Walter Hasenclever
Aus Anlass des 125. Geburtstages von Walter Hasenclever hat der WDR am 21.6.2015 ein Zeitzeichen zu Walter Hasenclever gesendet.
Am 15. März 1988 wurde auf dem Ludwig-Barnay-Platz eine Tafel am Mahnmal für
„Die politisch Verfolgten der Künstlerkolonie“
enthüllt. Neben zahlreichen Bewohnern der Kolonie und Freunden des Vereins sowie der 6.Klasseder Alt-Schmargendorf Grundschule nahmen der Stadtrat für Volksbildung Herr Ulzen, der Baustadtrat Herr Kähler, der Stadtrat für Wirtschaft und Finanzen Herr Reinecke, die Abgeordnete der SPD Frau Helga Korthaase und der Vorsitzende der Bühnengenossenschaft Herr Driskol an der V eranstaltung teil.
Bei leicht einsetzendem Schneefall verlief die Gedenkstunde in getragener Stimmung. Holger Münzer, Vorsitzender des Vereins Künstlerkolonie e.V., begrüßte die Anwesenden mit Tucholskys„Blumen auf den Weg gestreut“. Das Neuköllner Blechbläserensemble unter der Leitung von Detlef Hillbricht spielte Musik Alter Meister, der Schauspieler Helmut Krauss sprach Texte aus „Die Verbrannten Dichter“ (Theater „tribühne“ 1978). Die Veranstaltung fand zum Gedenken an den 15. März 1933 statt, als faschistische Polizei die Künstlerkolonie in Wilmersdorf „endlich aushob“, wie im „Völkischen Beobachter“ zu lesen war. Bereits seit der Machtergreifung Ende Januar 1933 war es in der Künstlerkolonie zu Hausdurchsuchungen und Verhaftungen gekommen.
Der Überfall am 15. März 1933 sollte den antifaschistischen Widerstand in der Kolonie endgültig brechen, lebten doch hier zahlreiche bedeutende linke Künstler, Schriftsteller, Journalisten, Theaterleute, einige jüdischer Abstammung. Ernst Busch, Axel Eggebrecht, Manes Sperber, Hedda Zinner, Walter Zadek und viele andere.
In seiner Gedenkrede zitierte Alexander Longolius (SPD) den jüdischen Schriftsteller Alfred Kantorowitz, der in der Künstlerkolonie gewohnt hatte, 1933 emigrieren mußte, und der die Ereignisse in der Künstlerkolonie nach der Machtübernahme in seinem „Deutschen Tagebuch“ beschreibt.
Im weiteren ging Alexander Longolius in einer langen Passage der Frage nach der Aktualität faschistischen Gedankenguts und dessen Überwindung nach. Alexander Longolius:
„Der Angriff vom 15. März 1933 auf die Künstlerkolonie war nicht nur ein Angriff auf Kunst und Künstler, die Siegesmeldungen nicht nur die Erleichterung über die Beseitigung des „Roten Loches„. Der 15. März war auch allgemein ein Gewaltschlag gegen den hier praktizierten Widerstand. Widerstand von etwa 1.000 Bürgerinnen und Bürgern. Sie waren ziemlich allein -und haben dennoch so viel Wirkung und soviel Angst erzeugt. Was hätten 10.000 bewirkt? 100.000? ( … )“
Wir denken heute auch über die Leichtigkeit nach, mit der sich der Naziterror ausbreiten konnte, und wir fragen uns, wie immun wir heute gegen Wiederholungen sind.
Lange habe ich ein Fragezeichen hinter die Überlegungen gesetzt, ob wir die deutsche Vergangenheit ernst genug durchdacht haben. Heute bin ich sicher, daß es das falsche Satzzeichen ist. Das Klima einer sozialen Akzeptanz von rechtsradikalem Denken war in Teilen unserer Gesellschaft immer da, und dies waren leider auch einflußreiche und mächtige Teile. Wie sollte es auch anders sein, wenn doch für manche unserer Landleute der Übergang von der Nazizeit zur Republik so überaus nahtlos war. Wir enthüllen heute eine Mahntafel.An vielen Orten wird jetzt nach der Vergangenheit gesucht, der V ergangenheit von Personen, Institutionen, Orten und ihrer Verstrickung in die faschistische Unterdrückung von Menschen und Ideen. Die Unlust an diesen Aktivitäten ist dabei meist stärker verbreitet als das Engagement der häufig jugendlichen Spurensucher.
Die Aufarbeitung der braunen Jahre ist 1988 nicht nur Aufgabe für Historiker, sie ist immer noch ein Auftrag an unseren politischen Alltag, denn sie ist bisher nicht gelungen.
Das heißt zunächst, Kenntnisse zu ermöglichen. Wenn Abiturienten nicht sagen können, wann der 2. Weltkrieg war, werden sie wohl auch das Jahr 1933 nicht richtig einordnen können. Wenn Lehrer keine Zeit haben, ausführlich über den Nazionalsozialismus zu reden, Ausstellungen zu besuchen oder auf aktuelle neonazistische Vorfälle an ihrer Schule einzugehen, wird man die Schüler verstehen müssen, die allzu spielerisch mit den traurigen Fakten dieser Zeit umgehen.
Das heißt weiter, die Ursachen für einen neuen Nazismus zu verhindern. Die Arbeitslosigkeit von Jugendlichen ist mehr als ein Problem des Arbeitsmarktes. Die Verweigerung einer Lebensperspektive, diese Absage unserer Gesellschaft an junge Bürger ist auch die Einladung an sie, politischen Verführern nachzulaufen.
Und das heißt drittens, daß die Hoffähigkeit von antidemokratischen und rechtsextremen Gedanken und Verhaltensweisen in unserer Gesellschaft endlich verschwinden muß. Der Skandal des Majdanek-Prozesses, die Einstellung der V erfahren gegen die beamteten Mörder am Volksgerichtshof, Pensionszahlungen an aktive Förderer der N azidiktatur – das sind Zeichen für ein Klima, in dem Nazis leben konnten. Warum dann nicht auch Neonazis?( … ) Vieles aber können wir tun: Wissen vermitteln, Betroffenheit dauerhaft erzeugen, Demokratie vorleben, Toleranz einüben und die Freiräume schaffen, die Menschen zur V erwirklichung ihrer Würde brauchen, auf die sie einen Anspruch haben.
Für Kunst und Künstler gilt dies in besonderem Maße. Freiraum. Beide Wortteile begrunden die Möglichkeit für Kunst zu wirken, überhaupt tätig zu sein. Der Vorbildcharakter der Künstlerkolonie ist auch heute ungebrochen. ( … )
Vieles wäre in der Geschichte unseres Volkes anders verlaufen, wenn das Beispiel der Künstlerkolonie Nachahmer gefunden hätte. Vieles wäre anders gekommen, wenn die politische Aufmerksamkeit ihrer Bewohner mehr Echo bei Zuhörern, Zuschauern und Lesern gehabt hätte. Und vieles wäre anders geworden selbst nach der Befreiung 1945, wenn die Generation vor uns, 1948 hier diese Tafel enthüllt hätte. ( … ) Unsere Lektion heißt, Versäumtes nachzuholen, in Freiräumen, in Nischen unserer Gesellschaft nicht gleich Subversives zu sehen, die naturnotwendige Rebellion der Kunst anzuerkennen und zu wünschen und so der dummen Engstirnigkeit jeglicher Intoleranz entgegenzutreten.“ (A. Longolius) Der Verein Künstlerkolonie Berlin e.V. plant, den 15.März als Gedenktag jährlich zu begehen, um die Erinnerung an die politisch verfolgten Künstler der Kolonie wachzuhalten und an die Freiheit von Kunst und Kultur überhaupt zu mahnen.
Es war finster in der Mitte unseres Jahrhunderts in Europa. „Humpelnd“ und abgerissen „wie ein Landstreicher“ war Arthur Koestler an die Peripherie Europas gejagt worden:
„Und dann sah ich sie, wenige Meter entfernt . . . die Männer in schwarzem Leder mit schwarzen Brillen, und die brennende rote, in der Hitze schlaff herunterhängende Fahne mit der schwarzen Spinne im weißen Kreis …. jetzt da ich krank, zerlumpt und schmutzig in der Tür lehnte und dem Einzug der Sieger zusah, begriff ich plötzlich, daß ein Mann töten kann, um seine eigene schmerzliche Nackheit zu bedecken.“ („Als Zeuge der Zeit“, Fischer 1986, S. 433 f.)
Im Kampf gegen die Faschisten, durch Stalin vom Kommunismus desillusioniert, so endet eine erste Station im Leben von Koestler. Er flieht nach England und wird von dort aus seine steile Karriere als Publizist fortsetzen, die so verheißungsvoll in Berlin vor der Machtergreifung der Nazis begann.
„Den Roten Stein der Weisen, gib zu! Den gibts doch nicht. Genosse,
auch du du hast ihn nicht gefunden.“
(Wolf Biermann)
Koestler ist 1905 in Budapest geboren. 1922 immatrikuliert er sich an der Wiener Technischen Hochschule, und ein Jahr später wird er Mitglied einer zionistischen Burschenschaft. Des Studiums überdrüßig, entschließt er sich, nach Palästina in einen Kibbuz zu gehen. Er verläßt, oder besser entflieht dem Studium der Ingenieur Wissenschaft und trifft an einem Aprilabend 1926 in Hefziba ein. „Mein Kindheitstraum war Wahrheit geworden; ich war davongelaufen und hatte mir einen Spaten gekauft.“ Das „davonlaufen“ wird ihn sein Leben lang begleiten. Nach knapp einem Jahr härtester Arbeit gelingt es ihm, durch glückliche Umstände sich seine ersten Sporen als Journalist zu verdienei;i. Der Ullstein-Verlag, einer der größten Pressehäuser Deutschlands, war auf den jungen Mann aufmerksam geworden und engagierte ihn nach Berlin.
Zweimal soll Berlin im Leben von Koestler eine bedeutende Rolle spielen, wenn auch unter völlig verschiedenen Vorzeichen. Der erste Aufenthalt bekehrt ihn zum Marxismus, der zweite (1950) sieht ihn als Kämpfer gegen Stalinismus und Gewaltherrschaft. Das eine ist ohne das andere nicht zu verstehen.
Koestler macht im Ullstein Haus in kürzester Zeit Karriere. Es kann nicht ausbleiben, daß er als aufmerksamer Chronist auch selber Stellung bezieht. Das Jahr1931 läßt ihm politisch kaum eine Wahl:
„Nach der Septemberwahl des Jahres 1930 hatte ich miterlebt, wie der liberale Mittelstand seine Überzeugungen verriet und alle seine Grundsätze über Bord warf. Aktiver Widerstand gegen die braune Flut schien somit nur möglich, indem man sich entweder den Sozialdemokraten oder den Kommunisten anschloß. Ein Vergleich der Vergangenheit dieser beiden, ihrer Energie und Entschlossenheit, schloß die ersteren aus und begünstigte die letzteren.“ (Fischer ’86, S. 113)
Seine Mitgliedschaft in der KPD wird im Verlag bekannt, und seine Entlassung war die Konsequenz.
„Nach dem Verlust meiner Stellung war ich frei von allen bürgerlichen Fesseln … Ich gab meine Wohnung in dem teuren Bezirk Neu-Westend auf und zog in eine Wohnung am Bonner-Platz (gemeint ist die Bonner Straße, A. d. V.); das Haus wurde der ‚Rote Block‘ genannt, da die Mieter, meistens mittellose Schriftsteller und Künstler, für ihre radikalen politischen Ansichten bekannt waren. Dort trat ich der kommunistischen Straßenzelle bei und durfte endlich das richtige Leben eines regulären Parteimitglieds führen …. Unsere Zelle hatte ungefähr zwanzig Mitglieder …. Wir hatten mehrere Literaten unter uns, zum Beispiel Alfred Kantorowicz und Max Schroeder, den Psychologen Wilhelm Reich … einige Schauspieler des Avantgardtheaters ‚Die Mausefalle‘ …. “ (Fischer ’86, S.146)
Koestler geht in dieser Gemeinschaft völlig auf, und die Beschäftigung mit dem Marixmus berauscht ihn förmlich:
„Ich stürtzte mich in die Aktivitäten der Zelle mit derselben Begeisterung und völligen Selbstaufgabe, die ich mit siebzehn Jahren beim Eintritt in der Wiener Burschenschaft an den Tag gelegt hatte. Ich lebte in der Zelle, mit der Zelle, für die Zelle. Ich war nicht mehr allein; ich hatte das herzliche Kameradschaftsleben gefunden, nach dem ich mich gesehnt hatte; mein Wunsch, irgendwie dazuzugehören, war in Erfüllung gegangen.“ (Fischer ’86, S. 149)
Hier wird deutlich, wie sehr ihn die stalinistische Wirklichkeit, die er dann auf seiner Reise 1932 durch die Sowiet-Union kennenlernen wird, treffen mußte, oder das politische Ränkespiel der Komintern innerhalb des spanischen Bürgerkiegs, wo er in mehrmonatiger Einzelhaft von den Faschisten inhaftiert war; auch die ernüchternden Erfahrungen im Kampf gegen Hitler Deutschland in Paris, vor dem Einmarsch der Deutschen. 1937 tritt er aus der KPD aus.
Seinen Genossen schreibt er:
„Es gibt keine Unfehlbarkeit einer Person, einer Bewegung oder einer Partei. Toleranz dem Feind gegenüber ist ebenso selbstmörderisch wie Intoleranz dem Freund gegenüber, der das gleiche Ziel auf einem abweichenden Weg verfolgt.“ Und ein Thomas Mann Zitat ergänzt seinen „Abschied“: „Auf lange Sicht ist eine schädliche Wahrheit besser als eine nützliche Lüge.“
Trotz dieser Erfahrungen weißt Koestler später darauf hin, wie wichtig die marxistische Schulung für sein Denken war, wie sie seine „kritischen Fähigkeiten“ schärfte. Sie „lieferte einem eine Methode, mit der sich soziale Erscheinungen präziser und ‚konkreter‘ anpacken ließen als mit den Mitteln der bürgerlichen Soziologie; … diente als eine Art Kompaß, der bei jedem Problem in jeder Lebensspähre wenn auch nicht die Lösung, so doch die Richtung andeutete, in der sie zu suchen war. Marx und Engels sind aus der Geschichte des menschlichen Wissen ebenso wegzudenken wie Darwin. Doch haben in den letzten hundert Jahren sowohl die Soziologie als auch die Genetik so viel Neues zutage gefördert, daß ein ‚orthodoxer Marxist‚ heute ebenso anachronistisch wirkt wie ein Biologe, der sich als ‚orthodoxer Darwinist‘ bezeichnen wollte.“ (Fischer ’86, S. 117)
Auf diesem Hintergrund muß man den kompromißlosen Kampf, den Koestler gemeinsam mit seinen Feunden, u.a. B. Russel und George Orwell, gegen den Stalinismus führte, sehen. Seine Roman „Sonnenfinsternis“ und vor allem die politische Aufsatzsammlung „Vom Yogi zum Kommisar“ sind Beleg für seine persönliche Erfahrungen und Auseinandersetzungen mit dem Stalinismus. Gerade dies gilt es neu zu entdecken!
Auf den Spuren Lion Feuchtwangers in Südfrankreich
Text und Fotos: Rainer Heubeck
Der weltweit geschätzte Schriftsteller Lion Feuchtwanger war 55 Jahre alt, als er das zweite Mal in das Gefangenenlager Les Milles bei Aix en Provence eingeliefert wurde. Am 21. Mai 1940 um 5:02 Uhr betrat er das Lager – und erhielt dort die Nummer 187 zugeteilt. Lion Feuchtwanger verstand die Welt nicht so recht – angeblich sollte in dem Konzentrationslager eine „Siebung“ durchgeführt werden, um festzustellen, wer mit Nazideutschland sympathisiert und wer nicht. Doch dass Feuchtwanger als oppositioneller Schriftsteller aus Gegnerschaft zu den Nazis nach Frankreich emigriert war, das wussten eigentlich auch die französischen Behörden. „Die Internierung so vieler Leute, die sich einwandfrei als erbitterte Gegner der Nazis erwiesen hatten, war eine dumme, ärgerliche Komödie“, schrieb Feuchtwanger später.
All das ist lange her – und doch hat es bis zum Jahr 2012 gedauert, bis das Camp des Milles, eine ehemalige Ziegelei, die von 1939 bis 1942 zuerst zum Gefangenen- und später zum Deportationslager wurde, offiziell zur Gedenkstätte erklärt und ausgebaut wurde. Kurz nach der Eröffnung, im Jahr 2013, waren Aktivitäten in der Gedenkstätte ein wichtiger Bestandteil des Programms der europäischen Kulturhauptstadt bzw. Kulturregion Marseille-Provence.
Mit Kultur sowie mit Unkultur hat die Geschichte des Lagers in der Tat zu tun – zahlreiche Künstler und Intellektuelle, darunter Schriftsteller, Maler, Juristen und Medizinnobelpreisträger, waren dort zeitweise gefangen. „Wir waren, die politischen Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei, die in Südostfrankreich wohnten, während des Krieges von den französischen Behörden eingesperrt worden in der großen verlassenen Ziegelei von Les Milles bei Aix in der Provence. Wir waren unser über tausend, einmal waren wir beinahe dreitausend, die Ziffer wechselte, ein großer Teil von uns waren Juden“, schrieb Lion Feuchtwanger, nachdem ihm später die Flucht in die USA gelungen war. „Ziegelstaub füllte unsere Lungen, entzündete unsere Augen“, berichtet Feuchtwanger in seinem in den USA verfassten Buch „Der Teufel in Frankreich.“ Professoren, Anwälte und Ärzte, so schildert er, seien in dem Lager interniert gewesen und hatten dort Ziegelstapel angelegt, die sie am nächsten Tag wieder abtragen mussten. „Die Arbeit war nicht eben schwer. Das Ärgerliche, Empörende daran war ihre vollkommene Sinnlosigkeit“, berichtete Feuchtwanger.
Der in München geborene Schriftsteller war nicht der einzige Intellektuelle aus Deutschland, der beengt im Strohlager in der staubigen Ziegelei seine Nächte verbringen musste. Auch der Maler Max Ernst, Oswald Hafenrichter und Max Bellmer, die Schriftsteller Walter Hasenclever, der sich im Lager schließlich das Leben nahm, Alfred Kantorowicz, Friedrich Wolf, Franz Hessel und Golo Mann, der als Kriegsfreiwilliger nach Frankreich gegangen war, um gegen die Deutschen zu kämpfen, und viele andere wurden in das Lager eingesperrt.
Die Ziegelei, so berichtet Odile Boyer, die Geschäftsführerin der Les Milles-Gedenkstätte, sei in den 30er Jahren stillgelegt worden, weil sie nach der Wirtschaftskrise von 1929 in Schwierigkeiten geraten war. Les Milles, so Boyer, ist das einzige noch erhaltene und zugängliche französische Internierungs- und Deportierungslager aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Die im September 2012 eröffnete Gedenk-, Kultur- und Bildungsstätte, die sich als Erinnerungsstätte gegen das Vergessen versteht, soll insbesondere jungen Leuten vermitteln, wie es zu einem Genozid kommen kann – aus diesem Grund befasst sich die Ausstellung nicht nur mit historischen, sondern auch mit aktuellen Beispielen.
Die Geschichte des Lagers gliedert sich in drei Epochen – von September 1939 bis Juni 1940 waren in dem Camp, das unter französischer Militärhoheit stand, vor allem Deutsche interniert, die in die unbesetzten Gebiete Frankreich emigriert waren, darunter zahlreiche Intellektuelle und Künstler. Von Juni 1940 bis Juni 1942 in der Zeit des Vichy-Regimes wurde das Lager von der französischen Polizei geführt, diese internierte hier vor allem Regimegegner und Ausreisewillige. Darunter auch der Ungar Laszlo Radvanyi, der Mann der deutschen Schriftstellerin Anna Seghers. Er verbrachte das Jahr 1940 im Lager Vernet Ariege am Rande der Pyrenäen. Anschließend wurde er nach Les Milles verlegt, wo er mehrere Monate interniert war.
Von August 1942 bis zum 10. September, noch bevor die Deutschen auch diesen Bereich Frankreich besetzt hatten, begann das traurigste Kapitel des Lagers. In dieser Zeit wurden in Les Milles vor allem Juden interniert, die kurz darauf über Drancy bei Paris in die NS-Vernichtungslager deportiert worden sind. Unter ihnen auch zahlreiche jüdische Frauen und Kinder aus Marseille. Siebzig Jahre, nachdem der letzte Deportationszug in Les Milles abgefahren war, wurde endlich die Gedenkstätte eröffnet. „Wir haben 29 Jahre daran gearbeitet, die ehemalige Ziegelei in eine Gedenkstätte umzuwandeln.1983, als wir anfingen, kämpften wir vor allem mit ideologischen Vorbehalten, in den letzten zehn Jahren waren es vor allem praktische und finanzielle Schwierigkeiten, denen wir uns stellen mussten“, berichtet der Soziologe Alain Chouraqui, der das Gedenkstättenprojekt mit initiiert hat. Insgesamt 10.000 Menschen, so Odile Boyer, waren zwischen 1939 bis 1942 in der ehemaligen Ziegelfabrik interniert, rund 2000 Juden wurden von ihr aus in den fast sicheren Tod geschickt.
In der Gedenkstätte Les Milles finden sich zahlreiche Informationstafeln, auch die früheren Schlafräume der Internierten können besichtigt werden. Den Gefangenen gelang es in der Zeit von 1939 bis 1940, als das Lager noch kein Deportationslager war, im Lager eine Art kulturelles Leben aufrecht zu erhalten, sie spielten Theater, malten Fresken und Karikaturen. An den Wänden verschiedener Räume sind noch Überreste davon erhalten. Eine Reihe von Bildern wurde von den Häftlingen sogar im Auftrag der Lagerverwaltung erstellt – diese wollte sich ihren Wachraum mit karikaturähnlichen Wandmalereien ausschmücken lassen.
In dieser Lagerphase war Les Milles zwar ein Internierungslager, in dem die sanitären Verhältnisse zum Teil unzumutbar war. Es war jedoch kein Lager, in dem Menschen gequält und geschunden wurden. Feuchtwanger schrieb später, er habe in Les Milles nie etwas erlebt, „das man als Grausamkeit oder auch nur als schlechte Behandlung hätte bezeichnen können. Niemals wurde geschlagen oder gestoßen oder auch nur geschimpft.“ Feuchtwanger beklagte hingegen eine Mischung aus Schematismus und Schlamperei, aus Gedankenlosigkeit und Herzensträgheit, aus Konvention und Routine.
Wer verstehen will, wie der Alltag im Lager damals war, der findet diesen in Feuchtwangers Buch „Der Teufel in Frankreich“ ausführlich dargestellt. Feuchtwanger schreibt von Nächten, in denen an Schlaf kaum zu denken war, vom „Gegrunze, Gestöhne, Gegähne und Gerülpse“ am Morgen, vom Wettlauf um den Platz an der Latrine und am Wassertrog – und von bis zu 100 Menschen, die in der Schlange standen, um die Toiletten benutzen zu können. „Es gab kein Wasser, man konnte sich vor dem Kot nicht retten und nicht von den dicken Schwärmen von Fliegen“, erinnerte sich Feuchtwanger.
Wer die Region Marseille-Provence besucht, für den bietet es sich an, auch die Gedenkstätte „Les Milles“ zu besuchen. Sie ist ein Mahnmal dafür, dass Kultur und Zivilisation keine Selbstverständlichkeiten sind, sondern stets brüchig und bedroht sind. Dies zeigt die Ausstellung in der Gedenkstätte eindrucksvoll am Beispiel der Genozide an den Armeniern, den Juden, den Sinti und Roma und an den Tutsis in Ruanda. Les Milles soll künftig auch regelmäßig zum Veranstaltungsort werden. „Die kulturelle Auseinandersetzung mit dem Thema ist für uns ein zusätzlicher Ansatz, neben dem rationalen und dem wissenschaftlichen“, erläutert der Soziologe Alain Chouraqui. Wichtig ist ihm dabei, die Gedenkstätte nicht als Kulisse für beliebige Events zu nutzen, sondern Veranstaltungen anzubieten, die helfen, die Mechanismen, die zu Gewalt und Genozid führen, besser zu verstehen.
Reiseinformationen zu Les Milles
Kontakt
Site-Mémorial du Camp des Milles, 40, chemin de la Badesse, CS 50642 13547 Aix-en-Provence Cedex 4, Tel. +33 442391711, Fax +33 442243468, www.campdesmilles.org
Literaturtipp
Gausmann, Angelika: Deutschsprachige Bildende Künstler im Internierungs- und Deportationslager Les Milles von 1939 bis 1942. Verlag: Möllmann, Ch, ISBN: 978-3-931156-17-6, 33,00 Euro
Sanary wurde im Jahr 1035 als San Nazari gegründet. Der ursprüngliche, provenzalische Name wurde 1890 in Sanary-sur-Mer geändert.
Im 12. Jahrhundert gab es an dem heutigen Hafen einen Konvent der Abtei Saint-Victor in Marseille, der dem Heiligen Saint Nazaire gewidmet war. Ende des 13. Jahrhunderts wurde der unter dem heutigen Namen bekannte „Tour Romane“, der als Wehrturm diente, gebaut. 1436 errichtete König René I. eine kleine Garnison, auf dessen Turm es, als Zeichen des königlichen Privilegs, ein Taubenhaus gab. Heute ist der Turm in eine Gruppe von Gebäuden, dem „Hotel de la Tour“, integriert, das während der Herrschaft der Nationalsozialisten deutsche Emigranten beherbergte. Seit 1990 befindet sich in den Gebäuden das Museum Frédéric Dumas.
Schon 1907 hatte der Dichter André Salmon die Provence und die Küste zwischen Marseille und Toulon entdeckt und sich in Sanary niedergelassen. Dazu gesellte sich der mit dem Ehepaar Salmon befreundete Maler Moise Kisling. Der Maler Rudolf Levy verbrachte die Sommermonate in Sanary-sur-Mer. Er schätzte vor allem die Schlichtheit der Bewohner und die herrliche Landschaft. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten sich viele Maler und Schriftsteller aus ganz Europa hier und in der Nähe angesiedelt, unter ihnen Aldous Huxley und Julius Meier-Graefe mit seiner Partnerin Anne-Marie Epstein, die die ersten deutschen Emigranten empfingen.
In den Jahren nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Deutschland hielten sich in der kleinen Stadt am Mittelmeer viele deutsche Emigranten auf. Die Stadt gilt seither als wichtiges Exilzentrum. Zu den berühmtesten Exilanten zählten
Bertolt Brecht, Ferdinand Bruckner, Franz Theodor Csokor, Albert Drach, Lion und Marta Feuchtwanger, Bruno Frank, Walter Hasenclever, Franz und Helen Hessel, Alfred Kantorowicz, Hermann Kesten, Egon Erwin Kisch, Arthur Koestler, Annette Kolb, die Brüder Golo und Klaus Mann, ihre Eltern Katja und Thomas Mann und dessen Bruder Heinrich Mann, Ludwig Marcuse, Erwin Piscator, Anton Räderscheidt, Joseph Roth, Franz Werfel und Alma Mahler-Werfel, Friedrich Wolf, Arnold Zweig und Stefan Zweig.
Während des Zweiten Weltkrieges war Sanary auch Aufenthaltsort von Jacques-Yves Cousteau, neben Émile Gagnan Miterfinder des modernen Atemreglers. Er besaß dort ein «Villa Baobab» genanntes Haus, wo er seine Erfindung vor dem Zugriff der deutschen Besatzer schützen konnte. 1943 wurden die ersten Tauchversuche gemeinsam mit Philippe Tailliez in Bandol durchgeführt. Später bildeten diese beiden Tauchpioniere zusammen mit Frédéric Dumas, der seit seiner Kindheit in Sanary wohnte, ein bekanntes Trio mit dem Spitznamen Les Trois Mousquemers. Dumas erfand viele Tauchgerätschaften (Unterwasserharpune, Tauchmaske, Tarierweste etc.)
Weiterführende Literatur
Manfred Flügge: Wider Willen im Paradies. Deutsche Schriftsteller im Exil in Sanary-sur-Mer (= Aufbau-Taschenbücher 8024). Aufbau-Taschenbuch-Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-7466-8024-7.
Manfred Flügge: Das flüchtige Paradies: Künstler an der Côte d’Azur. Aufbau-Taschenbuch-Verlag, Berlin 2008, ISBN 3-7466-8160-X
Gerd Koch (Hrsg.): Literarisches Leben, Exil und Nationalsozialismus. Berlin – Antwerpen – Sanary-sur-Mer – Lippoldsberg (= Wissen & Praxis. Bd. 64). Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-86099-264-3.
Martin Mauthner: German Writers in French Exile. 1933–1940. Vallentine Mitchell, London u. a. 2007, ISBN 978-0-85303-540-4.
Magali Laure Nieradka: „Die Hauptstadt der deutschen Literatur“. Sanary-sur-Mer als Ort des Exils deutschsprachiger Schriftsteller (= Formen der Erinnerung. Bd. 44). V & R Unipress, Göttingen 2010, ISBN 978-3-89971-792-1(Zugleich: Dissertation (Universität Heidelberg) 2009).
Pierre-Paul Sagave: Sanary, Hauptstadt der deutschen Literatur im Exil (1933-1940). Bericht eines Zeitzeugen, in: Markus Behmer (Hrsg.): Deutsche Publizistik im Exil 1933 bis 1945 : Personen, Positionen, Perspektiven ; Festschrift für Ursula E. Koch. Münster : Lit, 2000, S. 58–71
Ville de Sanary sur Mer (Hrsg.): Sur les pas des Allemands et des Autrichiens en exil à Sanary, 1933–1945. Ville de Sanary-sur-Mer, Sanary 2004, ISBN 2-9506150-2-3 (Dreisprachig: französisch – deutsch – englisch. Gute Zusammenfassung und Kurzporträts vieler auch weniger bekannter Exilanten in der Region).
Ulrike Voswinckel, Frank Berninger: Exil am Mittelmeer. Deutsche Schriftsteller in Südfrankreich von 1933–1941. Allitera–Verlag, München 2005, ISBN 3-86520-113-X.
Heinke Wunderlich, Stefanie Menke: Sanary-sur-Mer. Deutsche Literatur im Exil (= Heinrich-Heine-Institut. Archiv, Bibliothek, Museum. Bd. 5). Unter Mitarbeit von Gisela Klemt, Thomas Lambertz und Heidemarie Vahl. Metzler, Stuttgart u. a. 1996, ISBN 3-476-01440-1.
Das Landesdenkmalamt Berlin hat die in Berlin bisher vorhandenen 2.548 Litfaßsäulen auf ihren Denkmalwert überprüft: „24 dieser Säulen genießen Denkmalschutz und bleiben als Zeugnisse der Berliner Stadtgeschichte an Ort und Stelle erhalten“, teilt Landeskonservator Dr. Christoph Rauhut mit. Hintergrund für die aufwändige Recherchearbeit war die Neuordnung des Werbemarktes in Berlin.
Die denkmalwerten Litfaßsäulen stehen in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf (6), Kreuzberg-Friedrichshain (5), Mitte (4), Pankow (3), Reinickendorf (3), Steglitz-Zehlendorf (2) und Treptow-Köpenick (1). Sie sind Teil von Denkmalbereichen, etwa Siedlungen und Wohnprojekten wie an der Karl-Marx-Allee oder der Reichsbanksiedlung Schmargendorf, oder Gartendenkmalen wie dem Mexikoplatz.
Findet man vom Anfang des Jahrhunderts noch vereinzelte Blechsäulen, wurden die Säulen schon vor dem 2. Weltkrieg aus Beton hergestellt. Manchmal handelt es sich um ehemalige Transformatorensäulen, die umgestaltet und auch versetzt wurden. Das Herstellungsdatum lässt sich meist nur annähernd schätzen, da es keine Bauunterlagen dazu gibt. Die älteste der denkmalgeschützten Litfaßsäulen ist vermutlich die am Hackeschen Markt (Blechsäule, um 1900). Die jüngste datiert von 1987 und gehört als historisierender Nachbau zur Ausstattung des zeitgleichen Nikolaiviertels in Berlin-Mitte.
Das Atelierbüro des Kulturwerks des bbk berlin GmbH hat mit Datum vom 11.07.2019 insgesamt 6 Ateliers aus dem Arbeitsraumprogramm (Atelieranmietprogramm) ausgeschrieben.
Das Angebot richtet sich an alle in Berlin lebenden professionellen Bildenden Künstlerinnen und Künstler.
Die Besichtigungstermine der Ateliers finden am 24. Juli 2019 statt.
Bewerbungsschluss ist der 06. August 2019.
Die nächste Ausschreibung erscheint voraussichtlich am 10. September 2019. Die dazu gehörenden Besichtigungen werden voraussichtlich am 17. und 18. September 2019 stattfinden.
Am 08. Juni 1980 verstarb der Jahrhundert-Sänger und -Schauspieler Ernst Busch, der von 1929 bis zu seiner Flucht vor den Häschern des Naziregimes 1933 hier in der Künstlerkolonie wohnte (und auch nochmal wieder vom[...]