Die Gedenkstätte Stille Helden (in der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand) und das Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg nehmen den 70. Jahrestag der Fabrik-Aktion 1943 zum Anlass, eine Handreichung über Rettung und Hilfe für Verfolgte von 1941 bis 1945 für den historisch-politischen Unterricht in der Schule zu veröffentlichen.
Ende Februar 1943 wurden in Berlin im Zuge der Fabrik-Aktion Tausende Jüdinnen und Juden festgenommen und in den folgenden Tagen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Obwohl diese Großrazzia systematisch und brutal durchgeführt wurde, gelang es etwa 4000 Verfolgten zu entkommen und sich in der Stadt und im Umland zu verstecken.
Jahrzehntelang wurde von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, dass Jüdinnen und Juden in der Zeit der systematischen Deportationen von 1941 bis 1945 auch in Deutschland Hilfe und Rettung erfuhren. In der Forschung wurde dieses Thema ebenfalls lange Zeit marginalisiert. Dies hat sich erst in den vergangenen zwanzig Jahren geändert. Mit der Eröffnung der Gedenkstätte Stille Helden im Oktober 2008 in Berlin entstand schließlich mehr als sechs Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg ein zentraler Erinnerungsort, der seine Ausstellung den untergetauchten Jüdinnen und Juden und ihren Helferinnen und Helfern widmet.
In Berlin haben etwa 1700 als Juden Verfolgte im Versteck überlebt, in Deutschland insgesamt etwa 5000. Begründete Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 20.000 Frauen und Männer den Verfolgten aus unterschiedlichen Motiven geholfen haben. Gemessen an der Gesamtbevölkerung ist diese Zahl gering, aber sie ist größer, als lange angenommen wurde. Die Fallstudien zeigen, dass auch unter den Bedingungen der NS-Diktatur Hilfe möglich war und erfolgreich sein konnte.
Vier einführende Essays dienen der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Einordnung. Acht Fallbeispiele thematisieren Biografien sowohl von Verfolgten als auch Helfern. Diese kommen überwiegend aus Berlin und Brandenburg. Ein neuntes Beispiel stellt einen NS-Täter in den Mittelpunkt. Ein weiteres Kapitel präsentiert Zeitzeugenberichte zur Fabrik-Aktion. Die beiden Autoren haben für diese Handreichung aus dem umfangreichen Bestand des Archivs der Gedenkstätte Stille Helden zahlreiche bislang unveröffentlichte Quellen aufbereitet. Zu danken ist an dieser Stelle den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen der Gedenkstätte Stille Helden, die in jahrelanger Recherche diesen wertvollen Quellenbestand erarbeitet haben, allen voran Claudia Schoppmann, Barbara Schieb und Martina Voigt.
Die Geschichten von Helferinnen und Helfern sowie von Verfolgten handeln von den Schwierigkeiten des Versteckens, von der Denunziationsbereitschaft der Mehrheitsgesellschaft und vom mutigen Handeln einer Minderheit. Sie bieten eine fruchtbare Grundlage für die historisch-politische Bildung. Die Auseinandersetzung mit den Geschichten vom Helfen und Retten vermittelt historisches Wissen und regt zur Arbeit mit Quellen an. Die Arbeitsvorschläge eignen sich sowohl für einen individualisierten als auch einen kooperativen kompetenzorientierten Unterricht und geben Impulse für die historische Projektarbeit.
Alle beispielhaften Geschichten fordern zu der Frage heraus, inwieweit die Menschenrechte in der Gegenwart nicht nur normative, sondern auch praktische Geltung haben. Für junge Menschen ist die Beschäftigung mit diesen Geschichten wertorientierend im Sinne der Menschenrechte und stärkt die Demokratieerziehung.
Für Ihre Arbeit sei Ihnen viel Erfolg gewünscht.
Dr. Götz Bieber, Direktor des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM)
Prof. Dr. Johannes Tuchel, Leiter der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand
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Entnommen Christoph Hamann und Beate Kosmala, flitzen – verstecken – überleben?
Hilfe für jüdische Verfolgte 1941–1945, Geschichten, Quellen, Kontroverse
Mit Beiträgen von Karoline Georg und Johannes Tuchel
© Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM);
Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin/Ludwigsfelde Juli 2013