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Damals war’s…Truppe 1931

Das Theater Truppe 1931 ist entstanden aus der kommunistischen Zelle in der Künstlerkolonie Berlin. Gründer, Leiter und Autor war Gustav von Wangenheim, der spätere Intendant des Berliner Ensembles

Die Theatertruppe bildete sich 1931 aus der kommunistischen Zelle in der Künstlerkolonie Berlin.

Gründer und Leiter war Gustav von Wangenheim, der später Intendant des Berliner Ensembles war. Wegen dieser alten Freundschaft hielt Gustav von Wangenheim auch am 6. Januar 1946 auch die Totenrede für die Schauspielkollegen undWiderstandskämpfer Hans MeyerHanno und Hans Otto.

Mitwirkende waren vorwiegend Bewohner der Künstlerkolonie Berlin:

Steffie Spira

Hans MeyerHanno mit seiner Frau Irene als Pianistin

Curt Trepte

Fedja Boensch

Louise Fernes

Ingeborg Franke

Otto Hahn

Charlotte Jacoby

Theodor Popp

Stefan Wolpe als Komponist (nach 1933 sehr erfolgreich in den USA, später auch Prof. an der MusikhochschuleHanns Eisler“)

Heinrich Greif (auch organisatorischer Mitarbeiter)

Alexander Lex (Maler)

Nerlinger (Maler)

Robert Trösch

und als kostenlose Berater für die Textbücher oft gefragt

Arthur Koestler und Theodor Balk.

Stücke waren u.a. Da liegt der Hund begraben (1931), Die Mausefalle (1931/32), Wer ist der Dümmste? von KarlAugust Wittfogel (1933 verboten durch die Nationalsozialisten) mit Auslandstourneen in die Schweiz, nach Österreichu.a.

Nach der Großrazzia am 15. März 1933 hat sich die Theatergruppe aufgelöst.

Quellen

  1. Steffie SpiraRuschin: Trab der Schaukelpferde, AufbauVerlag, Berlin (DDR), 1984
  2. Stücke bei: Gustav von Wangenheim, Da liegt der Hund begraben, Reinbek b. Hamburg, Rowohlt, 1974

Literatur

  • Gustav von Wangenheim, Da liegt der Hund begraben und andere Stücke. Aus dem Repertoire der Truppe 31, Reinbek b. Hamburg: Rowohlt, dnb 44, 1974. Enthält Da liegt der Hund begraben, Die Mausefalle, Wer ist derDümmste?, Das Urteil.


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Erinnerung an den Widerstand in Wilmersdorf

Die Künstlerkolonie am Laubenheimer Platz

In der Nähe des Breitenbachplatzes ließ die „Berufsgenossenschaft deutscher Bühnenangehöriger“ und der „Schutzverband deutscher Schriftsteller“ in den Jahren von 1927-1929 drei Wohnblocks für ihre Mitglieder um den Laubenheimer Platz (heute: Ludwig-Barnay-Platz) errichten.

Im Gegensatz zur Villenkolonie Grunewald lebten hier vor allem notleidende Künstler, denen die Bühnengenossenschaft und der Schutzverband günstigen Wohnraum boten. Nach dem Konzept der „Gartenterrassenstadt“ sollte hier gemeinschaftliches Wohnen gefördert werden. Die Gartengestaltung der Innenhöfe kam dieser Idee ebenfalls entgegen.

Unter den Mietern befanden sich viele prominente Künstler und lntellektuelle, die fast alle politisch links eingestellt waren. Viele von ihnen kämpften gerade in der Endphase der Weimarer Republik für eine gemeinsame sozialistische Aktions­front gegen den anwachsenden Nationalsozialismus und überwanden in ihren Reihen den damals erbittert geführten ideologischen Kampf zwischen KPD und SPD.

Zahlreiche Bewohner der Künstlerkolonie waren jüdischer Abstammung und wurden zudem als Linksintellektuelle von den Nazis gleich zu Beginn der Diktatur besonders verfolgt.

Bis zum Frühjahr 1933 lebten etwa 300 Schriftsteller, Journalisten, Maler, Sänger und Schauspieler in den Häusern um den Laubenheimer Platz, unter ihnen Ernst Busch, Erich Weinert, Ernst Bloch, Arthur Koestler, Walter Hasenclever, Alfred Kantorowicz, Manes Sperber, Susanne Leonhard, Johannes R. Becher, Martin Kessel, Steffie Spira-Ruschin und ihr Mann Günther Ruschin, Walter Zadek und viele andere.

Im Zuge der Weltwirtschaftskrise waren Dreiviertel der Bewohner ohne Engagement und arbeitslos.

Axel Eggebrecht (1899-1991), der im gleichen Haus wie Susanne und Wolfgang Leonhard in der Bonner Straße 12 wohnte, schrieb in seinen Erinnerungen:

,,Nun brachten viele Bewohner selbst die niedrigen Mieten nicht mehr auf, wie überall in Berlin drohten Exmittierungen (Ausweisung aus einer Wohnung, Anm. d. V.), wie überall gab es dagegen Protestaufmärsche. Bei uns ähnelten sie eher Volksbelustigungen, hatten fast immer Erfolg. Und dabei zeigte sich schon ein Gemein­schaftsgeist, der in naher Zukunft eine wichtige Rolle spielen sollte.“

Die Mieter solidarisierten sich und forderten eine Mietsenkung, um die zunehmende Entmietung der Künstlerkolonie zu beenden. Sie wählten die Schriftsteller Karl Otten und Sigmund Reis sowie den Schauspieler Rolf Gärtner zu Mieterräten, die die Interessen der Gesamtmieterschaft vertraten.

Zwangsräumungen verhinderten die Bewohner, indem sie in kürzester Zeit die geräumten Möbelstücke von der Straße wieder hinauf in die jeweilige Wohnung trugen. Viel war es meistens ohnehin nicht.

Gustav Regler beschrieb in seiner Biographie „Das Ohr des Malchus“ (1958) den Lebensstandard in der Künstlerkolonie so:

,,Es waren billige Wohnungen, und doch bezahlte kaum einer seine Miete; weder die Gehälter noch die sogenannten Einkünfte der freien Berufe reichten aus. In den meisten Behausungen lag nur eine Matratze am Boden. Die Künstler aßen von Seifenkisten, über die sie Zeitungen gebreitet hatten; keiner verhungerte, man half sich gegenseitig und wanderte von Wohnung zu Wohnung, man roch, wo einer Arbeit gehabt hatte und etwas Speck und Käse zu finden war.“

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Laubenheimer Platz (heute: Ludwig-Barnay-Platz)

Im Januar 1933 zeigten sich für die solidarische Mietergemeinschaft erste Erfolge.

Den Bewohnern wurde eine Mietsenkung um 8% gewährt. Gleichzeitig erhielten jedoch die drei Mieterräte, die sich in den vergangenen Wochen besonders engagiert hatten, die Kündigung ihrer Wohnungen zum 1. April 1933.

Organisierter Selbstschutz gegen SA-Übergriffe in den Jahren 1931-1933

Neben den Mieterräten bildete sich noch ein anderer Schutzverband zu Beginn der 30er Jahre in der Künstlerkolonie heraus. Die Parterre-Wohnung von Alfred Kantorowicz (1899-1979) in der Kreuznacher Straße 48 wurde ein Treffpunkt kritisch gesinnter Menschen.

Der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller, von seinen Freunden „Kanto“ genannt, war erst 1931 in die Kommunistische Partei eingetreten. Mit Gleichgesinnten gründete er die Zelle „Künstlerblock„, deren Zellenwart er war. Gustav Regler übernahm die Funktion des Organisationsleiters.

Da die Nationalsozialisten wußten, daß in der fortan „Roter Block“ genannten Kolonie Nazi-Gegner auf engstem Raum zusammenlebten, kam es immer wieder zu Übergriffen der SA.

Axel Eggebrecht beschrieb diese Zeit in seinen Erinnerungen so:

,,SA zog provozierend durch unser Viertel. Spät abends wurden einzelne Heimkehrer am U-Bahnhof Breitenbachplatz angerempelt, … Als die Bedrohung nicht aufhörte, gründeten wir einen Selbstschutz …. Die wenigen, die mit den Nazis liebäugelten, waren geächtet, verkrochen sich oder zogen fort …

Ohne Rücksicht auf politische Unterschiede bildete sich spontan ein fünfköpfiger Ausschuß, der die Organisation des Selbstschutzes vor SA-Übergriffen übernahm.

Alfred Kantorowicz schrieb in seinen Erinnerungen „Deutsches Tagebuch„, daß etwa 400 von den rund 1000 Bewohnern der Künstlerkolonie aktiv am Selbstschutz beteiligt waren:

,,ln den drei Künstlerblocks aber zeigte sich auch nach der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933 bis zum Tage des Reichstagsbrandes nicht eine einzige Fahne mit dem Hakenkreuz … Rückten die SA-Stürme an, so waren wir vorbereitet, sie zu empfangen … An Wahltagen prangten die drei Blocks trotzig im Schmuck Hunderter von schwarz-rot-goldenen und roten Fahnen und Transparenten … „

Gelegentlich erhielt der Selbstschutz auch Hilfe von Nazi-Gegnern aus anderen Stadtteilen Berlins. Nach dem Reichstagsbrand vom 27./28. Februar 1933 war Kantorowicz, wie andere KP-Mitglieder, der ersten Verhaftungswelle der Nationalsozialisten ausgesetzt. Bei einem Freund konnte er sich verstecken und setzte von dort aus seine Widerstandstätigkeit einige Wochen lang weiter fort.

,,In einem Keller stand noch ein Vervielfältigungsapparat, und die Genossen zogen den Text eines bereits von mir auf eine Wachsplatte getippten Flugblattes gegen die Nazis ein paar hundertmal darauf ab, und wir steckten die Blätter noch vor Morgengrauen in die Briefschlitze der Bewohner der Künstlerblocks am Laubenheimer Platz oder hefteten sie an Mauern und Bäume, verstreuten sie vor den Ein­gängen der U-Bahn, neben Zeitungsständen, auch in der Nähe größerer Betriebe … „

Kantorowicz berichtet in seinen Erinnerungen ebenfalls davon, daß er mit seinen Genossen im März 1933 Parolen mit Ölfarbe an Hauswände und auf Straßen geschrieben hat:

,,Für Arbeit, Freiheit, Brot – der Künstlerblock bleibt rot!“
oder
„Gegen Krieg und Barbarei – wählt Kommunisten, Liste drei!“

Gemeint waren die Reichstagswahlen zum 5. März.

Kantorowicz mußte als Jude und Kommunist wie viele andere Bewohner der Künstlerkolonie Ende März 1933 die Flucht ins Ausland antreten. Sein erster Wohnort im Exil war Paris, wo er Mitbegründer des „Schutzverbandes deutscher Schriftsteller im Exil“ und der „Freiheitsbibliothek“ wurde. lm Herbst 1936 kämpfte er als Offizier der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg. Zurück­gekehrt nach Frankreich kam er1939 in verschiedene Internierungslager, u. a. Les Milles, bis ihm 1941 die Flucht in die Vereinigten Staaten gelang.

Die Bewohner der Künstlerkolonie wußten, daß sie vom NS-Terror zunehmend bedroht waren. Bereits im Februar 1933 war es vereinzelt zu Wohnungsdurchsuchungen gekommen. Axel Eggebrecht berichtet, daß der Selbstschutz zur Verteidigung der Wohnblocks Waffen organisierte und Wachposten aufstellte.

Eggebrecht wurde 1933 verhaftet und kam für kurze Zeit ins KZ. Zwei Jahre erhielt er Schreibverbot. Von 1935 bis 1945 nutzte er die Möglichkeit, an Drehbüchern mitarbeiten zu können.

 

Groß-Razzia und Verhaftungswelle im „Roten Block“

Am 15. März 1933 führten als „Schutzpolizei“ getarnte SA-Trupps eine Groß-Razzia in der Künstlerkolonie durch, um den verhaßten „Kulturbolschewisten“ ein Ende zu bereiten. Das „Neuköllner Tageblatt“ vom 16.2.1933 berichtete:

Die Kommandos fuhren auf verschiedenen Wegen nach dem Breitenbach- und Laubenheimer Platz und besetzten von dort aus überraschend die Zugänge zu den verschiedenen Straßen und zu den Häusern in der Kreuznacher, Laubenheimer und Bonner Straße. Polizeiposten mit Karabinern sperrten den gesamten Verkehr und riegelten das Viertel hermetisch ab … Einige Wohnungsinhaber verbarrikadierten sich derartig in ihren Wohnungen, daß die Polizei über Feuerwehrleitern durch die Fenster mit Gewalt eindringen mußte.“

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Axel Eggebrecht

Bei den Wohnungsdurchsuchungen kam es zu Diebstählen und sinnlosen Verwüstungen. Belastendes Material wurde beschlagnahmt, Bewohner mißhandelt und 14 Deutsche sowie einige Ausländer verhaftet.

Der Journalist Walter Zadek (geb.1900), der seit 1925 Ressortchef beim „Berliner Tageblatt“ und seit 1930 Leiter der bedeutenden Nachrichtenagentur „Zentralredaktion für deutsche Zeitungen“ war, berichtet in seinem Buch „Sie flohen vor dem Hakenkreuz“ (1981) u.a. von seiner Verhaftung in der Künstlerkolonie:

“ … Ich besaß Arbeitsräume (Laubenheimer Straße 3, seit 1932, Anm. d. V.) in der nahe gelegenen ,Künstlerkolonie‘ .

. . . In meiner Wohnung (Bonner Straße 3, seit 1930,Anm. d. V.) hatte, schon seit ich Ressortchef beim Berliner Tageblatt gewesen war alle vierzehn Tage eine Artjour stattgefunden, an dem sich Dichter, Politiker, Musiker usw. gegenseitig an- und aufregten, darunter Maler des Bauhauses, Mitarbeiter der Weltbühne, Schauspieler von Reinhardt u. a …. , am 15. März 1933 werden die Wohnblocks der ,Künstlerkolonie‘ von Polizei und SA-Leuten umstellt. Ich werde durch sieben schwerbewaffnete Jungen des ,Kommando zur besonderen Verwendung‘ mißhandelt und mit blutendem Gesicht die Treppe hinuntergestoßen.

Halb bewußtlos höre ich: …Wirst du Judenschwein wohl schneller laufen!‘ … Un­ ten werde ich auf einen Polizeiwagen hinaufgestoßen …. „

 

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Ein Foto (Seite 16) der Verhaftung erschien am 16. März 1933 mit einem entstellenden Bericht in den Nazi-Zeitungen. Walter Zadek wurde zusammen mit Theodor Balk, Manes Sperber, Curt Trepte, Günther Ruschin und anderen verhaftet. Wie die meisten der Verhafteten kam er zunächst in das Polizeigefängnis am Alexanderplatz und danach für etwa vier Wochen in Gefängnishaft nach Spandau. Durch einen Zufall wurde er entlassen und konnte die Flucht ins Exil über Holland nach Belgien antreten, die ihn schließlich im Dezember 1933 nach Palästina führte.

Der Romancier und Essayist Manes Sperber (1905-1984) hatte Anfang 1933 seine Wohnung in der Paulsborner Straße 3 aufgegeben und sich bei einem Bekannten in der Künstlerkolonie am Laubenheimer Platz 5 einquartiert. Sperber, der seit 1927 in Berlin war und in dieser Zeit in die KPD eingetreten war, verbrachte seit dem Reichstagsbrand die Nächte meistens nicht mehr in seiner Wohnung, sondern bei politisch nicht gefährdeten Freunden. Mit seinen Genossen verbreitete er noch in den Märztagen 1933 Nachrichten über den Naziterror um Bedrohte zu warnen und die verbrecherische Skrupellosigkeit der Nazis zu enthüllen. Aufgefordert durch seinen Bekannten Jensen, versteckte Sperber in seinem Quartier in der Künstlerkolonie zwei Armeepistolen und mehrere Revolver in drei Bettcouches. Die Munition verteilte er unter einigen Genossen.

Durch einen Zufall verbrachte Manes Sperber ausgerechnet die Nacht zum 15. März 1933 in dieser Wohnung. Während der Razzia wurde er verhaftet und in „Schutzhaft“ genommen. Die Waffen blieben unentdeckt. Im April 1933 erhielt er seine Entlassung und konnte als österreichischer Staatsbürger über Jugoslawien nach Paris emigrieren. 1937 trat er aus der kommunistischen Partei aus. Bedeutende Werke Sperbers sind u. a. die Romantrilogie „Wie eine Träne im Ozean“ (1949-53) und „Erinnerungen“ (1974-77). 1983 erhielt er den Friedenspreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Einzelschicksale in der Künstlerkolonie und die Flucht ins Exil

Susanne Leonhard wohnte ab 1931 im gleichen Haus wie Axel Eggebrecht, zusammen mit ihrem zehnjährigen Sohn Wolfgang (geb.1921), der Mitglied der Jungen Pioniere war und die von dem Reformpädagogen Fritz Karsen (SPD) geleitete Karl-Marx-Schule in Neukölln besuchte. (Siehe die Neukölln-Darstellung dieser Schriftenreihe). ‚- Susanne Leonhard war früh in die Kommunistische Partei eingetreten und vor­übergehend mit einem Sowjetdiplomaten verheiratet. 1925 erfolgte ihr Austritt aus der Partei, sie blieb aber weiterhin eine) überzeugte Revolutionärin in der Tradition Rosa Luxemburgs.

Bis zu ihrer Emigration arbeitete sie als Redakteurin für die Parteizeitung „Rote Fahne„. 1933 ging sie mit ihrem Sohn Wolfgang ins Exil nach Schweden und 1935 in die UdSSR. Im sowjetischen Exil wurde Susanne Leonhard verhaftet. Wolfgang Leonhard machte sich nach dem Krieg als politischer Schriftsteller in der Bundesrepublik vor allem durch sein autobiographisches Buch „Die Revolution entläßt ihre Kinder“ (1955) einen Namen.

Die Schauspielerin und Schriftstellerin Hedda Zinner (geb. 1907) lebte seit 1929 mit ihrem Mann Fritz Erpenbeck (1897-1975), Schriftsteller und Regisseur, in der Künstlerkolonie im Barnayweg 3 (heute: Steinrückweg). Nach ihrem Eintritt in die KPD arbeitete sie als Korrespondentin für die „Rote Fahne„. Ihre Begeisterung für die KPD war typisch für viele Intellektuelle zu Beginn der 30er Jahre. Im Bewußtsein der drohenden Gefahr durch den Nationalsozialismus und enttäuscht von der aus ihrer Sicht schwachen SPD sahen viele in der KPD die einzig ernstzunehmende politische Kraft. Erst die Erlebnisse im Exil, z. B. Berichte über Schauprozesse und Terrormaßnahmen Stalins, vor allem die „großen Säuberungen“ in den Jahren 1935-38, denen viele Unschuldige zum Opfer fielen, führten bei vielen KP­ Mitgliedern zu einem Sinneswandel.

Zahlreiche Bewohner der Künstlerkolonie haben ihre desillusionierenden Erfahrungen mit der Kommunistischen Partei beschrieben, die meist zum Austritt und zu entschiedener Gegnerschaft gegen jede Form von Totalitarismus führten, so bei Axel Eggebrecht, Alfred Kantorowicz, Wolfgang Leonhard, Manes Sperber, Ernst Bloch, Arthur Koestler, … um nur einige zu nennen.

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Hedda Zinner

Hedda Zinner gehörte nicht zu diesen scharfen Kritikern jeder rotalitären Ideologie. Sie emigrierte 1933 mit ihrem Mann nach Prag und 1935 nach Moskau. Nach dem Kriegsende kehrten beide nach Berlin (Ost) zurück. Hedda Zinner wurde 1959 Vizepräsidentin der „Gesellschaft für kulturelle Verbindungen mit dem Ausland„. In den siebziger Jahren beschrieb sie in ihrem autobiographischen Roma „Fini“ die Aktivitäten der Antifaschistin Fini Freising von Anfang 1932 an im „Roten Block„.

Ebenfalls ins Exil flüchten mußte das Schauspielerehepaar Steffie Spira-Ruschin (geb.1908) und Günther Ruschin. Sie wohnten in einer kleinen Wohnung in der Bonner Straße 9. Steffie Spira wurde 1928 zur „Vertrauensfrau“ der Bühnengenossenschaft gewählt und ging kurze Zeit darauf an die Volksbühne unter Erwin Piscator. Sie wirkte an der Uraufführung von Bertolt Brechts Stück „Mann ist Mann“ unter der Regie von Erich Engels mit. Der mit Brecht befreundete Regisseur wohnte auch in der Künstlerkolonie in der Kreuznacher Straße.

1931 trat Steffie Spira-Ruschin in die KPD ein. Gemeinsam mit ihrem Mann schloß sie sich der politischen Theatergruppe „Truppe 1931“ an, die der Regisseur Gustav von Wangenheim leitete. Wie von Wangenheim lebten noch weitere Mitglieder der „Truppe 1931“ in der Künstlerkolonie, so die Schauspieler Hans Meyer-Hanno (S. 25 ff.) und Curt Trepte.

Von Wangenheim schrieb unter Mitwirkung des ganzen Theaterkollektivs Stücke, so „ Die Mausefalle„, „Da liegt der Hund begraben“ und zuletzt „Wer ist der Dümmste ?“, das 1933 von den Nazis verboten wurde, da mit dem „Dümmsten“ im Stück Adolf Hitler gemeint war.

Die „Truppe 1931“ hatte großen Erfolg, spielte monatelang im „Kleinen Theater“ Unter den Linden und ging auf Tournee bis in die Schweiz.

Die politische Theaterarbeit der Gruppe fand mit Hitlers Regierungsantritt ein jähes Ende. Während der Razzia am 15. März 1933 durchsuchten SA-Leute auch die Wohnung der Ruschins. Steffie Spira wurde zum nächsten Polizeirevier gebracht, kurze Zeit später aber wieder freigelassen. Sie trat sogleich ihre Flucht in die Schweiz an. Ihren Mann, Günther Ruschin, hatten SA-Männer zum Polizeigefängnis am Alexanderplatz mitgenommen. Später kam er nach Moabit in Einzelhaft. Mitte Mai 1933 wurde er dort überraschend mangels Beweisen freigelassen. Er packte sofort seine Koffer und folgte seiner Frau nach Zürich. Später erfuhr er, daß zwei Stunden nach seiner Abreise SA erschienen war, um ihn in Schutzhaft zu überführen.

Von der Schweiz ging das Ehepaar Ruschin zu Fuß nach Frankreich. In Paris brachte Steffie Spira 1939 ihren Sohn zur Welt. Es ging der Familie damals ziemlich schlecht, zumal sie kaum Französisch sprachen. Dennoch spielte Steffie Spira weiter Theater, bis sie Ende 1939 für zwei Jahre in ein Internierungslager gebracht wurde, während man ihr ihr neugeborenes Kind wegnahm, ,,evakuierte“.

Mit großem Glück entging sie 1941 dem drohenden Abtransport nach Auschwitz, fand kurze Zeit darauf auch ihren Sohn und Mann wieder. Zu dritt traten sie im November 1941 von Marseille aus die Seereise ins Exil nach Mexiko an, wo sie mit Anna Seghers (S. 166) und Egon Erwin Kisch (S. 166) Freundschaft schlossen. 1947 kehrte die Familie Ruschin nach Berlin (Ost) zurück, wo Steffie Spira in die SED eintrat. Obwohl sie bis heute überzeugte Marxistin geblieben ist, forderte die populäre Schauspielerin bei der großen Demonstration am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz mutig und entschieden die damalige DDR-Führung auf abzutreten.

Die Schriftstellerin Dinah Nelken (1900-1989) bekam durch die Vermittlung einer Freundin eine Wohnung in der Künstlerkolonie. Sie fühlte sich von der Gegend sehr angezogen, da dort lauter interessante Menschen lebten.

Unter dem Pseudonym Bernhardine Schneider schrieb sie einen Roman mit autobiographischen Zügen, ,,Eineinhalb-Zimmer-Wohnung„, der die Künstlerkolonie als lokalen Hintergrund verrät und noch im Jahr 1933 erschien.

Großes Aufsehen erweckte sie jedoch mit einem „literarischen Nebenprodukt“, dem kleinen Roman „Ich an Dich, Roman in Briefen für Liebende und solche, die es werden wollen.„, den sie zusammen mit ihrem Bruder Rolf Gera im ersten Jahr ihrer Emigration 1937 in Wien fertigstellte.

Dinah Nelken, die aus ihrer geschiedenen Ehe einen Sohn zu versorgen hatte, schloß sich dem Kommunisten Heinrich Ohlenmacher an, den sie später heiratete. Nach dem 30. Januar 1933 beteiligte sie sich an illegalen Aktionen gegen die Nazis. Auch als ihr Lebensgefährte verhaftet und in das KZ Esterwegen verschleppt wurde, blieb sie im Widerstand aktiv. Ihr Bruder Rolf Gera verließ Deutschland bereits 1933. Erst als 1936 Heinrich Ohlenmacher aus der KZ-Haft freikam, folgte Dinah Nelken mit ihrem Sohn und dem Lebensgefährten dem Bruder ins Wiener Exil.

Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich gelang es ihnen, nach Jugoslawien zu entkommen und sich auf der Insel Korcula zu verstecken.

Inzwischen wurde das völlig unpolitische Buch der Emigrantin mit jüdischem Namen „Ich an Dich“ 1939 unter dem Titel „Eine Frau wie du“ mit Brigitte Horney und Joachim Gottschalk (S. 134 f.) in den Hauptrollen verfilmt.

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Dinah Nelken

1941, als deutsche und italienische Truppen Jugoslawien besetzten, unterstützten Dinah Nelken, Rolf Gera und Heinrich Ohlenmacher die Partisanen auf der Insel Korcula durch Nachrichtenschmuggel und Lebensmittelversorgung.

Als der Druck der Besatzer zu stark wurde, wich Dinah Nelken mit ihrem Bruder und dem Mann 1943 nach Italien aus. In Rom lebten sie während der deutschen Besatzung sieben Monate illegal und in ständiger Angst entdeckt zu werden. 1950 kehrte sie mit ihrem Mann nach West-Berlin zurück.

Eine herausragende Künstlerpersönlichkeit, die in der Künstlerkolonie lebte, war der Lyriker und Dramatiker Walter Hasenclever (1890-1940). Mit seinem Drama „Der Sohn“ (1914) über den Vater-Sohn-Konflikt wurde er zur Identifikationsfigur für die rebellierende Jugend und zum Repräsentanten der expressionistischen Bewegung. Aufgrund seiner Fronterfahrungen im 1. Weltkrieg entwickelte er sich zu einem radikalen Pazifisten (Foto S. 21).

Von 1930-1933 lebte Hasenclever am Laubenheimer Platz 3. Zu Beginn der Diktatur setzten die Nazis seinen Namen auf die Liste der ausgebürgerten Intellektuellen. Sie nannten ihn einen „Asphalt-Literaten“ und verboten und verbrannten seine Bücher. Sein Weg ins Exil führte ihn über Frankreich, Jugoslawien und Lon­on nach Italien. Wieder in Südfrankreich, wurde er zu Beginn des 2. Weltkrieg verhaftet. Er kam in das Lager „Les Milles„. Aus Angst vor den anrückenden deutschen Truppen setzte er 1940 mit einer Überdosis Veronal seinem Leben ein Ende.

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Von 1931-1933 lebte in der Bonner Straße der Schriftsteller und Journalist Arthur Koestler (geb.1905): Als zionistischer Siedler war er 1926 nach Palästina gegangen und arbeitete drei Jahre lang als Auslandskorrespondent im Nahen Osten.

1930 wurde er Redakteur beim Ullstein-Verlag. 1931 nahm er an der Polarexpedition mit dem „Graf Zeppelin“ teil.

Dieses Jahr ließ ihn aber auch politisch Stellung beziehen:

,,Nach der Septermberwahl des Jahres 1930 hatte ich miterlebt, wie der liberale Mittelstand seine Uberzeugungen verriet und alle seine Grundsätze über Bord warf.Aktiver Widerstand gegen die braune Flut schien _somit nur möglich, indem man sich entweder den Sozialdemokraten oder den Kommunisten anschloß. Ein Vergleich der Vergan­genheit dieser beiden, ihrer Energie und Entschlossenheit, schloß die ersteren aus und begünstigte die letzteren“. Arthur Koestler trat 1931 in die KPD ein und verlor daraufhin seine Stellung beim Ullstein-Verlag.

,,Nach dem Verlust meiner Stellung war ich frei von allen bürgerlichen Fesseln … Ich gab meine Wohnung in dem teuren Bezirk Neu-Westend auf und zog in eine Wohnung am Bonner-Platz (gemeint ist die Bonner Straße. Anm. d. V.); das Haus wurde der ,Rote Block‘ genannt, da die meisten Mieter, meistens mittellose Schriftsteller und Künstler, für ihre radikalen politischen Ansichten bekannt waren. Dort trat ich der kommunistischen Straßenzelle bei und durfte endlich das richtige Leben eines regulären Parteimitglieds führen … Unsere Zelle hatte ungefähr zwanzig Mitglieder … Wir hatten mehrere Literaten unter uns, zum Beispiel Alfred Kantorowicz und Max Schroeder, den Psychologen Wilhelm Reich … einige Schauspieler des Avantgardtheaters, Die Mausefalle‘ … „

 

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Ernst Bloch                                                                   Arthur Koestler

1933 flüchtete auch Arthur Koestler ins Exil. Zuerst nach Paris, dann in die Schweiz. 1936 nahm er als Korrespondent am Spanischen Bürgerkrieg teil. Aufgrund sei­ner inzwischen gemachten Erfahrungen mit dem Kommunismus trat er 1937 aus der Partei wieder aus. Die spanischen Faschisten verurteilten Koestler zum Tode und hielten ihn vier Monate lang in Einzelhaft gefangen. Er hatte Glück, wurde ausgetauscht und 1940 in Frankreich interniert. Er erkaufte sich die Freiheit mit dem Eintritt in die französische Armee. Er lebt seit 1942 in London. Mit seinen Freunden, Bertrand Russel und George Orwell, wandte er sich immer wieder vehement gegen jede totalitäre Ideologie.

Sein Roman „Sonnenfinsternis“ (1940) und seine politische Aufsatzsammlung „Der Yogi und der Kommissar“ (1945) tragen auto­biographische Züge und sind Belege für seine persönlichen Erfahrungen und Auseinandersetzungen mit dem Stalinismus.

Der Schriftsteller und Lyriker Martin Kessel (1901-1990) zog 1928/29 in die Kreuznacher Straße 48, wo er bis 1945 lebte. Nach dem 30. Januar 1933 wurde seine Wohnung zweimal durchsucht, er selbst blieb unbehelligt. Der zeitkritische Moralist schrieb über die Bewohner der Künstlerkolonie 1965 den grotesk-ironischen Roman „Lydia Faude„. Er erhielt den Berliner Kunstpreis (1961) und das Große Bundesverdienstkreuz.

In der Kreuznacher Straße 52 lebte einer der bedeutendsten modernen, deutschen Philosophen, Ernst Bloch (1885-1977). Von Marx und älteren Sozialutopien ausgehend, entwickelte er in den 20er Jahren „utopische Entwürfe einer sozialistischen Zukunft“, die sich später zu einem theologischen Weltprinzip wandelten. 1933 flohen Ernst Bloch und seine Frau Karola vor den Nationalsozialisten ins Exil. Nach den Stationen Wien, Paris und Prag lebten sie von 1938 bis 1949 in den USA. Bloch schrieb im Exil sein Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung„, für das er in den Vereinigten Staaten keinen Verleger fand. 1939 wurde es zum ersten Mal in Mexiko in spanischer Übersetzung herausgegeben. Ohne weitere Aussicht auf Veröffentlichung setzte Bloch seine Arbeit in den Exiljahren im Verborgenen fort. 1937 schrieb er über die Situation in Deutschland:

„Möge man leise reden, es ist ein Sterbender im Zimmer. Die sterbende deutsche Kultur, sie hat im Innern Deutschlands nicht einmal Katakomben zur Verfügung. Nur noch Schreckenskammern, worin sie dem Gespött des Pöbels preisgegeben werden soll; ein Konzentrationslager mit Publikumsbesuch. Das wird toll und immer toller. Was tut nur ein ehrlicher, ein begabter Mensch in diesem Land. Sein einfaches Dasein ist ihm gefährlich, er muß es verstecken. Jede Art von Begabung ist ihrem Träger lebensgefährlich, außer der des Duckens. Unverhüllt wird Künstlern, die es sind, Kastrierung oder Zuchthaus angedroht; das ist kein Scherz, es gibt keinen Scherz aus sol­chem Munde. Man hat gelernt, das Lächerliche ernst zu nehmen“.
(Ernst Bloch, Gauklerfest unter dem Galgen)

Ernst Bloch kehrte 1949 nach Deutschland zurück und wurde zunächst Professor in Leipzig. Da er aber mit der Staatsdoktrin der DDR der 50er Jahre nicht überein­stimmte, erhielt er 1957 die Zwangsemeritierung. 1961 siedelte er in die Bundesrepublik über und bekam eine Professur an der Universität Tübingen.

Der spätere Minister für Kultur in der DDR (1954), Johannes R. Becher (1891- 1958), wohnte bis zu Hitlers Machtantritt in der Künstlerkolonie in der Laubenheimer Straße 2. Der expressionistische Lyriker, Dichter und Publizist hatte Philosophie und Medizin studiert und kam über die USPD (1917) und den Spartakusbund (1918) zur KPD. 1928 wurde er Vorsitzender des „Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller“ und zum Mitbegründer der Zeitschrift „Die Linkskurve„. 1925/26 war er in einem Prozeß wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ angeklagt.

Sechs Jahre später, 1932, arbeitete er als Feuilleton-Redakteur der „Roten Fahne„. Der Kommunisten-Verfolgung durch die Nationalsozialisten entging er mit seiner Flucht ins Exil 1933. 1934 wurde Johannes R. Becher ausgebürgert. Sein Emigrantenweg führte ihn über Österreich, die Tschechoslowakei, die Schweiz und Frankreich 1935 in die Sowjetunion. Dort wurde er Chefredakteur der Zeitschrift „Internationale Literatur-Deutsche Blätter„. Nach dem Kriegsende kehrte Johannes R. Becher nach Berlin (Ost) zurück. Neben anderen Zeitschriften begründete er 1949 die bedeutendste Literatur-Zeitschrift derDDR „Sinn und Form„. Außerdem war er Präsident des „Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ in Ost-Berlin und seit 1954 Minister für Kultur. In seiner Rolle als Repräsentant des SED-Regimes blieb er bis heute umstritten.

In der Kreuznacher Straße 34 lebte der Schauspieler, Schriftsteller und Graphiker Erich Weinert (1890-1953). Er trat 1923 im Berliner Kabarett „KüKa“ auf und galt als populärer Rezitator, der mit dem Vortrag von Gedichten Massen begeistern konnte. Seit 1924 schrieb er für zahlreiche linksgerichtete Blätter, so die „Weltbühne“, ,,Simplizissimus“, ,,Lachen Links“ und den „Eulenspiegel„. Er war in einem Prozeß wegen Gotteslästerung angeklagt und erhielt Redeverbot. 1933 führte ihn der Weg ins Exil über die Schweiz nach Paris, ins Saargebiet, das damals noch dem Völkerbund unterstand, und 1935 nach Moskau. Er nahm 1937/38 am Spanischen Bürgerkrieg teil. Zu Beginn des 2. Weltkriegs wurde er in Südfrankreich interniert. Er erhielt politisches Asyl in der Sowjetunion, wo er von 1943-1945 Präsi­dent des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ (NKFD) war. 1946 kehrte er nach Berlin (Ost) zurück und wurde Vizepräsident der Zentralverwaltung für Volksbildung in der DDR.

Er schrieb engagierte Lyrik und Prosa gegen Militarismus, Nationalsozialismus und Faschismus, so z. B. ,,Der Tod fürs Vaterland“ (Szenen, 1942) und „Erziehung vor Stalingrad“ (Fronttagebuch, 1943) (Foto S. 24).

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Erich Weinert

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Ernst Bloch

Der Sänger und Schauspieler Ernst Busch (1900-1980) kam 1927 nach Berlin. Er spielte unter Erwin Piscator und lernte auf der Bühne Hans Eisler kennen. Aus der Begegnung entwickelte sich eine lebenslange Zusammenarbeit und Freundschaft. Eislers Kompositionen und Buschs gesangliche Interpretationen wurden zu einem Symbol der Arbeitermusikbewegung. Gleich zu Beginn der 30er Jahre zog Ernst Busch mit seiner Frau Eva in die Bonner Straße 11. Aufgrund seiner politischen Lieder (,,Roter Wedding„) erhielt er den Spitznamen „Barrikaden-Tauber„. Eine Hausdurchsuchung Anfang März 1933 in der Künstlerkolonie verschlief Ernst Busch unbeschadet in seiner Wohnung. Die SA glaubte nicht daran, daß der Künstler sich noch in Berlin aufhalten könnte.

Er flüchtete ins Exil über Holland, Belgien, Zürich, Paris und nach Wien, schließlich in die Sowjetunion. Wie viele Gleichgesinnte ging Busch 1937 nach Sanien und schloß sich den Internationalen Brigaden an. Nach Francos Sieg kehrte Busch nach Belgien zurück. Als die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 in Belgien und den Niederlanden einmarschierte, wurde Ernst Busch zusammen mit vielen anderen deutschen Emigranten interniert, 1943 nach einem Fluchtversuch an der Schweizer Grenze verhaftet und der Gestapo ausgeliefert.

Die Anklage gegen ihn in Berlin lautete „Vorbereitung zum Hochverrat“, und er sollte zum Tode verurteilt werden. Durch die Fürsprache des Schauspielers und Intendanten Gustaf Gründgens – den Klaus Mann (S. 167) in seinem Roman „Mephisto“ (1936) als Opportunisten und Mitläufer der NS-Zeit darstellte – erhielt Busch jedoch „nur“ eine vierjährige Zuchthausstrafe.

Im April 1945 befreite ihn die sowjetische Armee aus dem Zuchthaus Brandenburg. 1951 zog er nach Ost-Berlin und arbeitete unter Bertolt Brechts Regie im Berliner Ensemble. Er war einer der beliebtesten Schauspieler und Sänger in der DDR, blieb aber für den SED-Staat ein politisch unabhängiger und unbequemer Mann.

Zugehörigkeit von Bewohnern der Künstlerkolonie zu
kommunistischen Widerstandskreisen nach 1939

Obwohl die Nationalsozialisten gleich zu Beginn ihrer Diktatur alle bekannten Künstler und Intellektuellen aus der Künstlerkolonie vertrieben, konnten sie den Widerstand nie ganz unterdrücken.

In der Wohnung von Alexander Graf Stenbock-Fermor (1902-1972) am Laubenheimer Platz 5 wurde im Herbst 1940 die Widerstandsgruppe „Revolutionäre Arbeiter und Soldaten“ (RAS) gegründet.

Stenbock-Fermor hatte 1922/23 als Bergarbeiter im Ruhrgebiet gearbeitet und sich vom Konservativen zum Marxisten gewandelt. Seit 1929 lebte er als freier Schriftsteller in Berlin und kam nach 1933 mehrmals in „Schutzhaft“. Er erhielt Berufsverbot und seine Ausbürgerung.

Stenbock-Fermor brachte in seiner Wohnung den ehemaligen Freikorpsführer Josef (Beppo) Römer (1892-1944) und den Kommunisten Willy Sachse (1896- 1944) zusammen. In seiner Autobiographie „Der Rote Graf“ (1973) schrieb er :

„In unserer Wohnung am Laubenheimer Platz 5 trafen sich Römer und Sachse zum ersten Mal. Diese gegensätzlichen Naturen spürten bald ihre Zusammengehörigkeit. Nach einer langen politischen Diskussion fand man die gemeinsame Plattform. Das Ergebnis war eine Widerstandsgruppe, die sich später RAS nannte, ,Revolutionäre Arbeiter und Soldaten‘. Uns war klar, daß die Gruppe kleln gehalten werden mußte. Aufnahme nur von Freunden, denen man absolut vertrauen durfte. Beim Verfassen von illegalen Flugschriften mußten die Autoren der Texte streng von den technischen Herstellern und Verbreitern getrennt werden“.

Beppo Römer näherte sich in seiner politischen Einstellung in den späten zwanziger Jahren der KPD und gab die Zeitschrift „Aufbruch“ heraus, um die sich ein Kreis von Linksintellektuellen sammelte. Insgesamt verbrachte Römer von 1933- 1939 mehrere Jahre in Untersuchungs- und KZ-Haft, u. a. im berüchtigten Columbiahaus. Römer stand in Kontakt zu Nikolaus von Halem, der wiederum Verbindung zu Adam von Trott zu Salz, Justus Delbrück und Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg hielt.

Der Schriftsteller Willy Sachse gehörte zu einer kommunistischen Widerstandsgruppe im Berliner Norden. Die illegalen Schriften der Gruppe RAS wurden auf dem Gelände des Segelclubs ,,Wiking“ in Tegel hergestellt. Weitere Mitglieder der Gruppe waren der Schauspieler Hans Meyer-Hanno mit seiner Frau lrene, der Arbeiter Fritz Riedel und Alja Blomberg.

Stenbock-Fermor schrieb dazu in seinen Erinnerungen: ,,

Wir trafen uns abwechselnd bei mir, in der Wohnung von Alja Blomberg am Südwestkorso und oft bei Meyer-Hanno am Laubenheimer Platz 2. Hans Mayer-Hanno und seine Frau lrene wurden die eifrigsten Mitarbeiter. Wir verfaßten Texte für antifaschistische Flugblätter und Flugschriften“.

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Alexander Graf Stenbock-Femor

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Josef Römer

Ab Ostern 1941 wurde die Wohnung von Josef (Beppo) Römer in der Mansfelder Straße 23 bei Hildegard Goetz, seiner späteren Frau, der überwiegende Treffpunkt der Gruppe. Die wichtigste illegale Flugschrift war der „Informationsdienst„, eine anspruchsvolle Untergrundzeitschrift, die Römer herausgab.

Verschickt wurden die Schriften von verschiedenen Postämtern aus an Adressen in Deutschland und im Ausland, ja sogar an die Front unter Feldpostnummern. Der „Informationsdienst“ erschien 1941 fast jeden Monat. Die Zielsetzung der Autoren war, der Kriegsvorbereitung gegen die Sowjetunion militärisch-politische Argumente entgegenzusetzen.

Im Herbst 1941 stellte der Widerstandskreis um Römer Verbindung zu Robert Uhrig her, der um 1940 als Kopf des kommunistischen Widerstands in Berlin galt. Uhrig konnte über Römer seine Verbindung nach München und schließlich bis Tirol ausdehnen.

Anfang 1942 deckte die Gestapo den Römer-Kreis auf. Josef Römer, Willy Sachse und Fritz Riedel wurden zum Tode verurteilt und im Spätsommer 1944 hingerichtet.

Hans Meyer-Hanno, der der Verhaftungswelle entgangen war, schloß sich der Widerstandsorganisation um Anton Saefkow und Franz Jacob an, die eine der größten illegalen Gruppen mit den weitreichendsten Verbindungen war.

Da Meyer-Hanno als Schauspieler zu bekannt war, blieb er in der Widerstands­ arbeit mehr im Hintergrund; so durfte er bei größeren Zusammenkünften nicht anwesend sein.

Als die Gestapo Ende Juli 1944 die Saefkow-Gruppe auflöste, wurde er verhaftet und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Es war eine verhältnismäßig geringe Strafe, da Meyer-Hanno nur zum „äußeren Ring“ der Gruppe gehörte und sich auf Nichtwissen berufen konnte. Seine Verurteilung lautete: wegen „Nichtanzeigens eines hochverräterischen Unternehmens“.

Über das Ende seines Freundes Hans Meyer-Hanno schrieb Alexander Graf Stenbock-Fermor:

,,Im Zuchthaus Bautzen erhielt er eine leichte Tatigkeit im Büro. Ende April 1945 wurden die Häftlinge plötzlich mobilisiert, in eine Luftabwehrkaserne in der Nähe geführt, militärisch notdürftig eingekleidet und bewaffnet … Hans Meyer-Hanno versuchte, über die Mauer zu klettern, schrie: ,Ich schieße auf keinen Menschen!‘ Das waren seine letzten Worte, er fiel unter den Kugeln der SS. Seine Frau lrene konnte, wie durch ein Wunder, Verschleppung und Vergasung entgehen „.

Alexander Graf Stenbock-Fermor war 1945/46 Oberbürgermeister von Neustrelitz und lebte seit 1947 als Film- und Fernsehautor in Berlin (West).

HIife für Verfolgte

Helene Jacobs (Bonner Straße 2) und Dr. Franz Kaufmann (Hobrechtstraße 3)

Helene Jacobs (1906-1993) zog 1934 in eine Wohnung in der Bonner Straße 2. Etwa zur gleichen Zeit trat sie in die Bekennende Kirche ein. Sie nahm regelmäßig an den Veranstaltungen der Dahlemer Gemeinde teil und traf dort Pfarrer Niemöller sowie Pastor Gollwitzer. (Siehe die Steglitz/Zehlendorf-Darstellung dieser Schriftenreihe.)

Helene Jacobs erinnert sich 1986 in einem Gespräch mit H.-R. Sandvoß:

„Als ich 1934 auf Wohnungssuche war, kam ich auch in die ehemalige, rote Künstlerkolonie‘. Viele der früheren Mieter waren bereits emigriert oder hatten, da sie kein Engagement erhielten, das Quartier wechseln müssen. Und trotzdem: Es roch hier mehr nach Menschlichkeit – irgendwie habe ich es gespürt! Ich wußte zu diesem Zeitpunkt nicht, daß meine Chance, eine Wohnung zu erhalten, damit zusammenhing, daß andere Menschen ,rausgeekelt‘ worden waren.

Noch wohnten auch Schauspieler hier, zum Beispiel Joachim Gottschalk, wie ich hörte. In der Umgebung der Siedlung existierten damals noch Schrebergärten. In den Wohnungen gab es Heizung und warmes Wasser. Zudem befand sich alles in ruhiger Lage, und die Mieten waren nicht allzu hoch. Dies alles sprach mich an. Daß ein Koestler oder Weinert hier gewohnt hatten, war mir beim Einzug unbekannt – und es lag scheinbar weit zurück.

Natürlich wohnten auch Nazis hier, zum Beispiel im Nebenhaus jemand, der für den ,Völkischen Beobachter‘ schrieb. Aber sie waren augenscheinlich nicht so bösartig, sondern ,nur‘ auf ihren Vorteil aus, wie etwa die Erhaltung des Arbeitsplatzes. Man hat gespürt, daß viele Bewohner keine Nazis waren. Man merkte es auch an der Art, wie sie sich bewegten: es wurde nicht mit ,Heil Hitler‘ gegrüßt! Andererseits bestand aber auch keine riesige Verbundenheit (oder gar Hilfsbereitschaft für Verfolgte) unter der Mieterschaft, und vor dem Luftschutzwart, Frau Dr. Günther, mußte man sich schon in acht nehmen!“.

Beruflich war Helene Jacobs bei einem jüdischen Patentanwalt, Dr. Barschall, tätig. Er konnte bis 1938 praktizieren, mußte sich jedoch nach dem Judenpogrom verstecken. Zeitweise nahm Helene Jacobs ihn in ihrer Wohnung auf. Monatelang bereitete sie die Ausreise von Dr. Barschall und seiner Familie vor. Sie fuhr nach Amsterdam, um einen Teil des dortigen Vermögens der Familie vor dem Zugriff der Gestapo zu retten. Sie fuhr nach England, um dort einen Zwischenaufenthalt für die Familie zu organisieren, bevor sie die Einreisegenehmigung in die Vereinigten Staaten erhielten. Im Juli 1939 emigrierte die Familie Barschall schließlich über Holland nach England und später nach Amerika.

In der Friedenauer Gemeinde „Zum guten Hirten“ lernte Helene Jacobs die Schriftstellerin Etta von Oertzen kennen. Mit ihr zusammen gelang es, einige Juden vor der Deportation zu bewahren, indem ausländische Diplomaten die Bedrohten in ihren Haushalten vorübergehend als Bedienstete anstellten.

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Helene Jacobs (1938)

Als 1940 in Stettin die ersten Juden deportiert wurden, bildete sich in der Dahlemer Gemeinde eine Gruppe von Frauen, die eine Paketaktion nach Polen organisierte. Große, wertvolle Pakete mit Lebensmitteln und Kleidung kamen zusammen und wurden von den Frauen verschickt. Frau Jacobs stellte für viele Pakete ihren Namen und ihre Anschrift als Absender zu Verfügung. So kam es, daß sie 1941 ihre erste Vorladung von der Gestapo erhielt. Die Paketaktion mußte daraufhin eingestellt werden.

In einer von Pastor Gollwitzer gegründeten Arbeitsgemeinschaft über Karl Barths Theologie lernte Helene Jacobs 1940 (1886-1944) kennen. Der Jurist war getaufter Jude und lebte in einer sogenannten „privilegierten Mischehe“, die ihn zunächst vor Verfolgung schützte. Franz Kaufmann war Oberregierungsrat am Rechnungshof gewesen, bis er 1936 als „Jude“ zwangspensioniert wurde. Kaufmann, der in Halensee in der Hobrechtstraße 3 wohnte, war aktives Mitglied der Dahlemer BK, nahm aber auch Anteil an der Arbeit der Halenseer Bekenntnisgemeinde. Er wollte nicht nur über Gottes Wort reden, sondern auch danach handeln. Ein Schlüsselerlebnis für ihn wurde, als er von der Deportation eines ihm bekannten Ehepaares erfuhr.

Die Tochter hatte ihm erzählt, wie ein „korrekt wirkender Beamter“ die Eltern aus der Wohnung abgeholt hat. Hinter diesem banal scheinenden Vorgang erblickte Kaufmann die ganze Tragik des Geschehens: ,,Und wir“, fragte er „sind auch wir imstande, dies alles geschehen zu lassen, diesem gehorsamen Staatsbürger … und unseresgleichen ein ruhiges Gewissen zu lassen, als wenn nichts geschehen wäre?“

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Franz Kaufmann

Innerhalb der Arbeitsgemeinschaft machte er als erster den riskanten Vorschlag, Juden zu verstecken. Er stieß dabei vor allem auf Zustimmung einer Gruppe couragierter Frauen.

Dies waren, neben Helene Jacobs, Hildegard Schaeder, Hildegard Jacoby und Gertrud Staewen, eine Freundin Karl Barths.

Helene Jacobs in der Bonner Straße 2 konnten die Untergetauchten zeitweise bleiben. Frau Jacobs kaufte für sie im Metzgerladen Schröder in der Eisenacher Straße ein, denn Herr Schröder versorgte heimlich jüdische Familien mit zusätzlichen Fleischrationen.

Da die Spenden von Lebensmittelkarten im Kreis um Dr. Franz Kaufmann nicht ausreichten, mußten sie illegal besorgt und gefälscht werden. Aber auch Postausweise, Führerscheine, Werkausweise, Kennkarten und Pässe wurden im Auftrag Dr. Kaufmanns teilweise auf dem Schwarzmarkt besorgt. Die Fälscherarbeit leistete ein jüdischer Graphiker mit dem Decknamen Günther Rogoff. Während des Jahres 1942 zeichnete er auf den Ausweisdokumenten und ausgewechselten Bildern den Stempel täuschend ähnlich nach. Als Rogoff Ende 1942 selbst steckbrieflich in Berlin gesucht wurde, nahm Helene Jacobs ihn für etwa acht Monate illegal in ihrer Wohnung auf. Er setzte dort seine Fälscherarbeit fort. Frau Jacobs übermittelte ihm die zu verändernden Ausweise und Bilder und brachte die „neuen“ Ausweise den Verfolgten, die sich damit tagsüber bei Kontrollen ausweisen konnten.

Aufgrund einer anonymen Denunziation flog die Gruppe im Sommer 1943 auf. Die Gestapo verhaftete im August Dr. Franz Kaufmann und hielt ihn über sechs Monate im KZ Sachsenhausen gefangen, wo er nach qualvollen Verhören und schweren Mißhandlungen am 17. Februar 1944 ohne Gerichtsverfahren erschossen wurde. Er hat die Namen seiner Helfer nicht preisgegeben.

Insgesamt wurden etwa 50 Personen verhaftet. Hildegard Schaeder kam bis zur Befreiung 1945 ins KZ Ravensbrück. Gertrud Staewen konnte sich ihrer Verhaftung rechtzeitig entziehen. Helene Jacobs wurde am 17.August 1943 verhaftet, als sie Dr. Franz Kaufmann am U-Bahnhof Breitenbachplatz treffen wollte. Es gelang ihr, die Gestapo durch ein Täuschungsmanöver so lange von ihrer Wohnung fernzuhalten, bis der dort illegal sich aufhaltende Günther Rogoff geflohen war.

Das Berliner Sondergericht 111 verhängte im Januar 1944 gegen Frau Jacobs und Hildegard Jacoby sowie zehn weitere Angeklagte Zuchthaus- und Gefängnisstrafen. Frau Jacobs erhielt 2½ Jahre Zuchthaus und Hildegard Jacoby 1 ½ Jahre Gefängnis. In der Haft erkrankte Frau Jacoby schwer an Angina pectoris. Sie wurde am 2. Juni 1944 vorzeitig aus der Haft entlassen und starb noch am selben Tag. (Helene Jacobs erhielt die Buber-Rosenzweig-Medaille der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit.)

 

Josi von Koskull: Eine Oppositionelle im Umfeld der Künstlerkolonie

Die Bibliothekarin und Schriftstellerin Josi Baronesse von Koskull (geb. 1897) wohnt in der Wetzlarer Straße 13 und kannte seit ihrer Vertreibung aus dem Baltikum zu Beginn des ersten Weltkrieges Alexander Graf Stenbock-Fermor (S. 25 f.). Da das Vermögen ihrer Familie beschlagnahmt worden war, mußte Frau von Koskull ihren Lebensunterhalt selber verdienen. Von 1924-1939 arbeitete sie beim „Berliner Börsenkurier“ in der Handelsredaktion. 1939 wurde sie zur Briefzensur eingezogen, da sie viele Sprachen, u. a. Russisch und Französisch fließend von Kindheit an sprechen konnte.

Als Frau von Koskull 1931 in die Nähe der Künstlerkolonie zog, traf sie dort zufällig ihren Landsmann Alexander Graf Stenbock-Fermor wieder.

,,Wir sind unabhängig voneinander hierher gezogen. Er war Kommunist. Ich hatte auch sehr linke Ansichten, weil die Rechten eben die Nazis waren. Da wich man gerne aus“. (Josi von Koskull am 30.Juli 1990)

Weiter erinnert sich Frau von Koskull an die Atmosphäre, die von der Künstlerkolonie ausstrahlte:

,,Am Rüdesheimer Platz gab es ein Lokal, wo sich die Künstler gerne trafen. Die Stühle standen draußen im Sommer, es war preiswert und gut, da lernte man sich kennen„.

1941 traf Frau von Koskull Beppo Römer bei Alexander Stenbock-Fermor. Sie wußte von Stenbock-Fermors Untergrundarbeit.

Darüber hinaus war Frau von Koskull mit dem Architekten Dr.-lng. Erich Gloeden und dessen Frau Dr.jur. Lieselotte Gloeden befreundet. Das Ehepaar lebte in der Kastanienallee 23 in Charlottenburg und half, obwohl selbst als „Mischlinge 1.Grades“ eingestuft, verfolgten Juden. Sie beschafften falsche Ausweispapiere und halfen beim „Untertauchen“.

Vom 29. Juli bis zum 3. September 1944 hielt sich in der Wohnung der Gloedens General Fritz Lindemann versteckt. Lindemann gehörte seit 1943 zum Verschwörerkreis um Henning von Tresckow und Stauffenberg. Nach dem 20.Juli 1944 beschloß er unterzutauchen. Bald darauf wurde er steckbrieflich gesucht und eine Belohnung von 500 000 RM auf seine Ergreifung ausgesetzt. In dieser Zeit gab Frau von Koskull in der Wohnung der Gloedens dem untergetauchten General Russisch-Unterricht, da Lindemann beabsichtigte, an der Ostfront überzulaufen und mit dem Nationalkomitee Freies Deutschland zusammenzuarbeiten. Frau von Koskull gelang es Ende August 1944 in der Briefzensur einen Hilferuf in russischer Sprache an die sowjetische Botschafterin in Schweden, Alekxandra Kollontai, zur Weitervermittlung an General Seydlitz in Moskau zu schmuggeln. Lindemann und seine Helfer wurden wenige Tage später denunziert.

Am Nachmittag des 3.September 1944 war Frau von Koskull in der Kastanienallee 23. Sie erinnert sich:

„Ich war bei Gloedens, meinen langjährigen Freunden, als die Gestapo uns alle verhaftete. Lindemann wollte aus dem Fenster springen. Man schoß auf ihn, er blutete sehr stark, starb (später) im Krankenhaus. Die Gloedens und ich kamen zum Verhör in die Prinz-Albrecht-Straße. Dann in das Gefängnis am Alexanderplatz. Ich hatte drei lange Verhöre zu überstehen, log mich frei, behauptete, L. nur als „Herrn Exner“ zu kennen. Man ließ mich laufen. Beide Gloedens … wurden mit dem Beil hingerichtet im Dezember 1944″.

Obwohl Frau von Koskull sehr wohl um die Identität Lindemanns wußte und Lebensmittelmarken für ihn besorgt hatte, war sie offenbar in der Auslandsbriefprüfstelle zum einen unabkömmlich, zum anderen lagen keine eindeutigen Beweise gegen sie vor. Insofern kam sie als einzige der Beteiligten mit dem Leben davon.

mit freundlicher Genehmigung durch

© Felicitas Bothe von Richthofen

Aus Band 7 der Schriftenreihe über den Widerstand in Berlin von 1933 bis 1945


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BEETHOVEN…bei uns in der Berliner Künstlerkolonie

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Die Berliner Künstlerkolonie beteiligt sich an Deutschlands großem Hauskonzerte-Event zum Start ins Beethoven Jubiläumsjahr 2020 das unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier steht und sucht Freunde, Nachbarn und Mitglieder die Lust haben sich mit einem Beitrag zu beteiligen.

 

Dies könnte eine Lesung, ein Musik Event oder irgendeine andere kreative Idee sein die einen Bezug zu Beethoven hat. Als Ort kann der Hausflur, die Wohnung, der Platz vor dem Haus, ein Geschäft oder ein Laden, ein Kindergarten, eine Schule oder auch das Wohnzimmer dienen.

 

Mach mit !

 

Ludwig van Beethoven wollte als Freigeist mit seiner Musik die ganze Menschheit erreichen. Und tatsächlich berühren seine Werke noch heute weltweit – von Mondscheinsonate bis 9. Sinfonie. Das wollen wir feiern. Anlässlich des 250. Geburtstages des Meisters startet die Beethoven-Jubiläumsgesellschaft die größte Hauskonzertinitiative, die es in Deutschland je gab. 

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Ob Profi oder Amateur, alle können mitmachen. Einzige Voraussetzung: Ihre Veranstaltung hat einen Bezug zu Beethoven. Melden Sie sich mit folgenden Infos bei uns an:

› Ihre Programmidee

› kurze Angabe zum Beethovenbezug

› Informationen zu Künstler / Ensemble

Wir werden alle Ideen in und um die Berliner Künstlerkolonie sammeln und veröffentlichen.

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Neue Dauerausstellung „WIR WAREN NACHBARN“ im Rathaus Schöneberg

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Wir möchten auf eine neue grossartige Ausstellung hinweisen, die auch unsere ehemaligen Bewohner z.B. Eva Kemlein würdigt.

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Entstehung und Rezeption der Ausstellung

 

Die Ausstellung „WIR WAREN NACHBARN“ im Rathaus Schöneberg hat seit 2005 viele Befürworter weit über die Bezirksgrenzen hinaus gefunden, auch wenn hier Biografien jüdischer Nachbarn im Zentrum stehen, deren Lebensmittelpunkt sich in den 1930er Jahren in den damaligen Berliner Bezirken Tempelhof  und Schöneberg – mit Schwerpunkt im Bayerischen Viertel –  befand. In mehr als zwei Dritteln der ausgestellten biografischen Alben wird die Geschichte aus der Perspektive von überlebenden Zeitzeugen – die damals Kinder und Jugendliche waren – erzählt. Das andere Drittel der Alben ist ehemaligen Nachbarn gewidmet, die damals schon gesellschaftlich gewirkt haben: als Lehrende, Anwälte, Ärzte, Kaufleute, Schriftsteller und Künstler, darunter auffällig viele engagierte Frauen. Hier wurden Autobiografien und Archive – unter lokalhistorischen Gesichtspunkten – als wichtigste Quellen genutzt.

Zusammen können diese Biografien als exemplarisch für das Berliner Judentum gelesen werden.

 

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Inzwischen gilt die Ausstellung als „stilbildendes Projekt“, von dem Anregungen für die Erinnerungsarbeit auch in andere Bezirke und Kommunen ausgegangen sind. Mit dieser Begründung wurde das Ausstellungsprojekt „WIR WAREN NACHBARN“ durch das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg 2010 mit Unterstützung des Berliner Kultursenats dauerhaft installiert.

Konzept und Rezeption der Ausstellung

 

„Gravuren der Zeitgeschichte im gelebten Leben“                    

Mit diesem Zitat von Uwe Timm lässt sich das Konzept der Ausstellung eindringlich beschreiben. Persönliche Erinnerungen mit ihren Bildern und Dokumenten sind es, welche die Atmosphäre dieser Ausstellung prägen – inmitten der Kommune, in der diese Leben gelebt wurden. Hier in diesem Raum in einem Rathaus hat sich eine vielstimmige Erzählung eingeschrieben,entstanden in intensiver Zusammenarbeit mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und ihren Nachkommen. Zu diesen gelebten Leben gehören aber auch die Erfahrungen von Ausgrenzung, Verfolgung, Entwürdigung und die Vertreibung und Ermordung von Familienangehörigen.  

 

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Wenn die Besucherinnen und Besucher heute die „Gravuren der Zeitgeschichte“ in den “gelebten Leben“ von fremden Menschen und Familien lesend entdecken, wird ihnen vielleicht bewusst, dass sie selbst Zeitgenossen sind und damit einen Teil Verantwortung für die heutige Zeit, aber auch für die Zukunft tragen. Dieser Gegenwartsbezug wird immer wieder von den Besuchern thematisiert, insbesondere in den Nachgesprächen mit Jugendlichen und Studenten. Sie bringen das Gelesene fast immer mit ihrem Alltag in Verbindung, wo Erfahrungen von Ausgrenzung „wirklicher“ oder vermeintlich Fremder zur Realität gehören.Ältere Besucher, zumeist nichtjüdischer Herkunft, berichten davon, dass sie – angeregt durch diese Ausstellung – angefangen haben, in der eigenen Familiengeschichte zu forschen, oft erst nachdem die Eltern bzw. Großeltern verstorben sind. Zu groß sei die Angst gewesen, etwas Erschreckendes zu entdecken, sei es Mitläufertum, Hartherzigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber dem, was mit den jüdischen Nachbarn oder Schulkameraden geschah. Und da schließt sich der Bogen zum Zitat von Uwe Timm. Er ist einer der wenigen deutschen Schriftsteller seiner Generation, der mit großer Sensibilität und zugleich mit Wahrhaftigkeit den Spuren seiner Familie nachgegangen ist.

Die Elemente der Ausstellung

Die Gesamtausstellung und die einzelnen Elemente folgen bewusst keiner vorgegeben Chronologieoder thematischen Ordnung, keine Stelltafeln strukturieren den Weg der Besucher, wie sie es aus anderen historischen Ausstellungen gewohnt sind. Die Herausforderung besteht darin, selbst auszuwählen: Beginne ich mit den biografischen Alben mir bekannter Namen, z. B. mit den Fotografen Helmut Newton und Giséle Freund, oder mit unbekannten Namen, weil ich deren damalige Wohnadresse kenne oder deren Schule? Oder ist es der kleine Junge auf dem Cover, der mich anspricht, oder das Ballettmädchen, das später eine berühmte Tänzerin in Lateinamerika werden wird? Einigen der Alben sind – leicht erkennbar – Hörstationenmit Kopfhörern zugeordnet. Vielleicht interessiert mich aber auch das Exilland? Wie haben die Länder, z. B. Großbritannien, Italien oder die Türkei, die Flüchtlinge aufgenommen? Dann beginne ich mit den Tafeln der Exilländer und finde dort die Verweise darauf, welche der Alben sich auf diese Länder beziehen. Oder ich lasse mich zuerst auf den Interviewfilmein, in dem wiederum einige der interviewten Zeitzeugen mit einem Album in der Ausstellung vertreten sind. So können die Besucher sich die Verknüpfungen selbst herstellen und auf einem Infomonitor z. B. historische Hintergrundinformationen oder Fachbegriffe abrufen.

 

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Aktionen zum Sommerleseclub

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Rechtzeitig zu Beginn der Sommerferien startet in den Kinder- und Jugendabteilungen der Bibliotheksstandorte wieder die beliebte und bekannte Sommerferienleseaktion, der Sommerleseclub, für alle Leserinnen und Leser und Leseteams. Zusätzlich zu den über 500 SLC-Büchern wird es auch zwei exklusive Veranstaltungen in der Ingeborg-Drewitz-Bibliothek geben:

Am* 10.07.2019* lädt die hauseigene Buchbinderin zum Kreativ-Workshop ein. Alle Sommerleseclub-Mitglieder ab 9 Jahren haben an diesem Nachmittag ab 15 Uhr die Chance unter fachkundiger Anleitung ihr ganz persönliches Notizheft zu basteln, um so die schönsten Sommermomente festzuhalten.

Mit mindestens 3 Stempeln im Lese-Logbuch sind die kleinen und großen Leserinnen und Leser dann herzlich zur großen Abschlussparty am 30.08.2019 ab 17 Uhr eingeladen, um in der Ingeborg-Drewitz-Bibliothek mit magischer Zaubershow, einem leckeren Buffet und tollen Preisen zu feiern.

Termine: 10.07.2019 um 15 Uhr und 30.08.2019 um 17 Uhr

Ort: Ingeborg-Drewitz-Bibliothek, Grunewaldstr. 3, 12165 Berlin
Weitere Informationen: (030) 90299-2407


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Gedenken an Ernst Busch

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Das diesjährige Gedenken an den Jahrhundert-Sänger und -Schauspieler Ernst Busch
stand dieses Jahr unter dem Thema „Solidariät“.

„UND WEIL DER MENSCH EIN MENSCH IST

DRUM WILL ER NICHT AUS SEINER WOHNUNG RAUS

DENN WOHNEN IST EIN MENSCHENRECHT

UND HIER BIN ICH ZU HAUS

 

DRUM WEHRT EUCH JETZT, DRUM WEHRT EUCH JETZT

SOLANGE ES NOCH GEHT

WENN IHR ERSTMAL UNTER DEN BRÜCKEN LIEGT

IST ES FÜR DEN KAMPF ZU SPÄT“

(Aus dem Einheitsfrontlied; Text : Hanns Eisler, Bertolt Brecht Gesang: Ernst Busch)

Zu seinem ehrenden Gedenken legte die Ernst-Busch-Gesellschaft zusammen mit dem Verein der Berliner Künstlerkolonie wie jedes Jahr Blumen an der Gedenktafel seines ehemaligen Wohnhauses in der Bonner Staße 11 nieder und lud zu einer kleinen Performance ein mit Liedern aus dem Repertoire des „Barrikadentaubers“, der mit der bisweilen schneidend scharfen und zum Revoluzzen treibenden, bisweilen ironisierenden, aber auch eindringlich vom Frieden singenden Stimme die sozialen Bewegungen des 20. Jahrhunderts sowohl kommentierte als auch selber prägte.

Danke Ernst Busch !
 
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Neues vom Breitenbachplatz

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Liebe Freundinnen und Freunde des Breitenbachplatzes,

 
gestern hat das Abgeordnetenhaus beschlossen, Maßnahmen mit dem Ziel des Rückbaus der Breitenbachplatzbrücke einzuleiten (Dokument siehe ogy.de/xc6f ). Das ist sicher ein Meilenstein in unserem seit acht Jahre währenden Bemühen, die Aufenthaltsqualität auf einem einst der schönsten Plätze wiederherzustellen. Zu danken ist der CDU, dass sie den parlamentarischen Vorgang eingeleitet hat, und den Koalitionsfraktionen für die konstruktive Behandlung im Plenum und den Ausschüssen und auch dafür, dass in dem Beschluss ausdrücklich ein breiter Beteiligungsprozess festgeschrieben ist. Wir wollen uns an vorderster Stelle bei der Erarbeitung der Machbarkeitsstudie einbringen. Der Beschluss enthält auch die von uns vorgeschlagene Bebauung der durch den Rückbau der breiten Schneise frei werdenden Fläche an der Nordseite der Schildhornstraße mit Wohnbauten.  

 
Nach den Ausführungen der Beamten im Verkehrsausschuss ist angesichts des baulichen Zustands der Brücke mit einem Abriss innerhalb der nächsten fünf Jahre zu rechnen. Schon vorher könnten weitere im Beschluss genannte Maßnahmen wie die Einführung von Tempo 30 rund um den Breitenbachplatz und die Schaffung sicherer Querungen für Fußgänger ohne Verzug eingeleitet werden. Auch darauf werden wir drängen. Bei unserem kleinen Platzfest konnten die Anwesenden, auch Kinder, ihre Ideen für die künftige Gestaltung zu zeichnen. Eine Zusammenstellung haben wir unter ogy.de/n5wi ins Netz gestellt.
 
In diesem Zusammenhang: Wir bitten alle auf unserer Mailingliste, die in der Lage sind, ihren Sachverstand in den weiteren Diskussions- und Planungsprozess einzubringen, sich bei uns zu melden.
 
Wichtig ist uns auch die gegenseitige Unterstützung im Netzwerk „Menschengerechte Stadt“ (www.menschengerechte-stadt.de). Wir werden uns an der nächsten Aktion des Netzwerks beteiligen, die sich gegen die menschenfeindliche Überdimensionierung der Bundesallee richtet. Auch die Partnerschaft mit dem Verein Künstlerkolonie werden wir ausbauen.
 
Was gibt es Neues vom Platz? In den Räumen, in denen früher die Commerzbank-Filiale war, hat in der linken Hälfte die Teltow-Zehlendorfer Physiotherapiepraxis Marion Koch eine Filiale eingerichtet und ist dabei, das Personal aufzubauen. 
 
Ich hatte Gelegenheit, im Privatsender TV Berlin sowohl über das Netzwerk wie speziell zum Breitenbachplatz ausführlich zu berichten. Die zwei Teile der Sendung kann man auf Youtube anschauen: https://youtu.be/311G7teShIs   UND   https://youtu.be/SkH3FRDGKjA 
 
Jetzt wünsche ich allen erst einmal eine erholsame Ferienzeit; wenn Sie daheim bleiben, kommen Sie doch mal mittwochs um 17 Uhr zum Boulespiel auf den Breitenbachplatz.
 
Mit nachbarschaftlichen Grüßen
Ulrich Rosenbaum
Initiative Breitenbachplatz