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Im Schatten des Betonmonsters – Kiezspaziergang mit Manfred Maurenbrecher in Der Tagesspiegel

Der Liedermacher und Autor ist am Breitenbachplatz heimisch.

Er vermisst Cafés, bangt um die Post – und was denkt er über die Autobahnbrücke?

von CAY DOBBERKE in Der Tagesspiegel, 25.02.2018

 

Manfred Maurenbrecher beim Kiezspaziergang am Breitenbachplatz.FOTO: AGNIESZKA BUDEK

 

Den Verkehrslärm von der neuerdings wieder stark umstrittenen Autobahnbrücke am Breitenbachplatz findet Manfred Maurenbrecher „nicht so dramatisch“. Er höre davon so gut wie nichts in seiner Wohnung in der benachbarten Künstlerkolonie Wilmersdorf, sagt der Liedermacher und Autor.

Der heute 67-Jährige ist dort aufgewachsen. Im Alter von 20 Jahren zog er aus – kehrte aber ein Vierteljahrhundert später nach dem Tod seiner Eltern in deren Vier-Zimmer-Wohnung zurück, zusammen mit seiner Frau Kristjane und seinem (inzwischen erwachsenen) Sohn. Über die Künstlerkolonie hat er sogar ein Buch geschrieben, das 2016 im bebra-Verlag erschienen ist.

„Ich würde auf das Losbrausen verzichten“

Sollte die Brücke der Stadtautobahn am Breitenbachplatz abgerissen werden? Die Diskussion darüber ist aktuell geworden, seit sich die Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf einstimmig dafür ausgesprochen hat. Im Nachbarbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, zu dem Teile des Platzes gehören, haben die Grünen einen wortgleichen BVV-Antrag gestellt.

Manfred Maurenbrecher ist hin- und hergerissen. Auf der einen Seite stört es ihn, dass „die olle Brücke“ den Platz zerschneidet. Der „monströse“ Betonbau aus den 1970er Jahren sei in einer Ära entstanden, in der sich Stadtplaner in Ost- und West-Berlin nach dem Mauerbau „wohl nur wenig an planerischer Willkür nahmen“. Den Bürgern sei trotz ihrer Proteste letztlich „keine Gegenwehr“ geblieben.

Andererseits genießt es Maurenbrecher, wie er in seinem Buch schreibt, über die Autobahnzufahrt „aus der Gegend raus in den Norden zu brausen“. Beim Spaziergang durch den Kiez fügt er dann aber hinzu: „Natürlich würde ich die Rekonstruktion des historischen Platzes begrüßen und dann auf das Losbrausen verzichten.“

Etwas ambivalent ist auch das Verhältnis des Musikers zum ganzen Kiez. Diesen findet er „ein bisschen spießig“, aber auch freundlich und gemütlich. Der heutige Vermieter der rund 90 Jahre alten Künstlerkolonie, das Wohnungsunternehmen Vonovia, „bemüht sich“ und agiere nicht als rücksichtslose „Heuschrecke“.

Seit dem Sommer 2017 sei endlich auch das Grünflächenamt Charlottenburg-Wilmersdorf „wieder aktiver“. Zuvor allerdings habe es den Ludwig-Barnay-Platz in der Mitte der Künstlerkolonie, der nach einem der Gründer der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger benannt ist, lange verwahrlosen lassen.

Vom „Fluch des ständigen Wechsels“

An Treffpunkten für die Anwohner mangelt es. „Erstaunlich ist, dass es hier kein einziges Café gibt“, sagt Maurenbrecher. „In meiner Jugend gab es Versuche, eines zu etablieren, die aber alle gescheitert sind.“ Für ihn und seine Frau ist das italienische Restaurant „Piazza Michelangelo“ am Südwestkorso zum Stammlokal geworden.

Den Nachbarn begegnen beide oft auch in der kleinen Einkaufszeile „Läden der Künstlerkolonie“ zwischen dem Südwestkorso und der Kreuznacher Straße. „Das Reisebüro hier gibt es seit meiner Kindheit.“ Der dortige Supermarkt habe mal bis Mitternacht öffnen wollen, erinnert sich Maurenbrecher. „Aber dann gab es Beschwerden.“ Anwohner befürchteten, dass trinkfreudige junge Leute und Alkoholiker bis spätnachts draußen herumlungern würden. Am Ende beließ es der Marktbetreiber bei den alten Verkaufszeiten.

Ebenso wie viele Nachbarn „bangen wir ums Postamt“, erzählt Maurenbrecher. Ständig gebe es Betriebsversammlungen in der Postbankfiliale an der Kreuznacher Straße, die Zukunft scheine ungewiss. Der Standort sei nicht zuletzt für Geldgeschäfte wichtig, nachdem andere Banken ihre Filialen im Kiez geschlossen und die Sparkasse ihren letzten Geldautomaten abgebaut habe.

Direkt am Breitenbachplatz stehen mehrere Läden und Lokale leer, Maurenbrecher spricht vom „Fluch des ständigen Wechsels“. Ein Beispiel dafür sind die einstigen Räumen des Jazzclubs „Eierschale“, der 1956 an der nordwestlichen Platzseite eröffnet hatte, aber 1977 wegen der hohen Miete an die Dahlemer Podbielskiallee umgezogen war.

Am alten Standort machte zuletzt im Frühjahr 2015 das „Grand Café Tomasa“ auf, schloss aber nur wenige Monate später wieder. Seitdem steht das Café leer, „trotz der schönen Dachterrasse“, an die sich Maurenbrecher gern erinnert. Er vermisst auch eine frühere Obsthandlung, die „etwas Besonders war“ und bedauert die Schließung des traditionsreichen Eisenwaren- und Haushaltswarenladens Weger nach 85 Jahren.

Unterdessen bliebt Manfred Maurenbrecher selbst auf der Erfolgsspur. Soeben erhielt er zum dritten Mal den „Preis der deutschen Schallplattenkritik“ in der Kategorie Liedermacher – diesmal für sein Album „flüchtig“, das im Oktober erschien und vom Unterwegssein handelt. Die Jury aus deutschen, österreichischen und schweizerischen Musikjournalisten hatte zuvor bereits seine Alben „no go“ (2013) und „Rotes Tuch“ (2015) ausgezeichnet.

© Der Tagesspiegel


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Studie: Künstler sind arm wie Kirchenmäuse

Die neue IFSE-Studie beschäftigt sich mit der Situation Berliner Künstler. Den meisten droht Altersarmut.

Ein Überblick.

Gabriela Walde in Berliner Morgenpost 25.04.2018
 

Berlin. Der Kultursenator wird sich kaum freuen, wenn er die Zahlen auf seinen Tisch bekommt. Gleich zu Anfang seiner Amtszeit hat er klargemacht, dass ihm die Förderung freier Künstler eine Herzensangelegenheit ist. Zumal Berlin sein Image als quirlige und international beliebte Kunst-Hauptstadt halten will. Dass die Mieten steigen, die Räume weniger werden, ist nicht zu übersehen. Die Zahlen werden Klaus Lederer erschrecken. Berlins Künstler sind nämlich arm wie Kirchenmäuse: Männer verdienen durchschnittlich im Jahr etwas mehr als 11.000 Euro, der Verdienst der Frauen beträgt nur 8390 Euro – brutto. Der Unterschied beträgt 28 Prozent.

Für 80 Prozent der etwa 8000 Künstler in der Stadt bedeutet Kunst ein Verlustgeschäft, sie schlagen sich mit zahlreichen Nebenjobs oder mit Hilfe von Freunden durch. Zehn Prozent leben sogar zu mehr als 50 Prozent von staatlicher Unterstützung. Die wirtschaftlich unsichere Situation spüren besonders Frauen, die verdienen weniger und tragen den Hauptteil der Kindererziehung. Für viele Künstlerinnen schließen sich daher Kind und Familie aus.

Künstlern droht Altersarmut

Der GAU aber kommt im Alter: Da droht Altersarmut mit einer durchschnittlichen Rentenerwartung von 357 Euro. Da ist kaum ein Caffè Latte drin und vom Mythos des genialischen Künstlerpoeten bleibt nicht viel übrig. Das belegt die kompakte Studie vom Institut für Strategieentwicklung IFSE, die jetzt vorgestellt wurde und ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Situation der Berliner Künstler und Künstlerinnen wirft. Wer die 27 Din-A4-Seiten durchblättert, weiß, für diesen Beruf braucht man nicht nur Talent, sondern mindestens ebenso viel Durchhaltevermögen, Vermarktungswillen und Leidenschaft, um die Produktion im Atelier überhaupt über die Jahre durchzuziehen.

Eine Kärrnerarbeit, die das Team um Studienautor Hergen Wöbken mit ihrer Auswertung geleistet hat. Endlich liegen verlässliche Zahlen vor, die Lederer durchaus als Handlungsempfehlung für seine Arbeit verstehen darf. Die Studie gilt als repräsentativ, 1745 Künstler haben – im Alter von 18 bis 89 Jahren – daran teilgenommen. Per Mail angeschrieben wurden rund 8000 Künstler. Der Altersdurchschnitt liegt bei 47 Jahre. 75 Prozent haben einen deutschen Pass, einen Migrationshintergrund geben 17 Prozent von ihnen an. Die Qualität der 10.000 Textantworten habe ihn überrascht, erzählt Wöbken.

Künstlerinnen sind nach wie vor benachteiligt

Gegenüber ihren männlichen Kollegen sind die Künstlerinnen nach wie vor benachteiligt. Zwar studieren mehr Frauen Kunst an Akademien und Hochschulen, weit über 50 Prozent, doch im Galeriebetrieb sind viel weniger vertreten. Der Gender-Gap fällt besonders bei den Einzelausstellungen auf, bei den Männern liegt die Teilnahme um 22 Prozent höher als bei Frauen. Beim diesjährigen Gallery Weekend seien, so Wöbken, die Künstler stark überrepräsentiert, der „Gender Show Gap“, so hat er errechnet, liegt bei 40 Prozent. Wir werden nachrechnen!

Malerei ist mit 25 Prozent weiterhin das Genre Nummer eins, das in den Galerien gut verkauft wird, zu sehen auch während des Gallery Weekend. Es folgen Installation, Skulptur, Fotografie und Konzeptkunst mit nur acht Prozent. Nicht ganz so überraschend ist ein anderes Ergebnis: Für die meistens Künstler spielt das große kulturelle Angebot Berlins eine wichtige Rolle als Standort, vor allem aber die internationale Kunstszene. Der Name Berlin gehört mittlerweile zum Selbstverständnis einer Künstlervita. Im Vordergrund aber steht die Verfügbarkeit von Räumen und Nischen, die (noch) zahlbar sind.

Ateliers werden knapp

Das ändert sich derzeit mit den steigenden Mieten und der Gentrifizierung. Die größte Angst der Künstler ist, dass sie sich ihr Atelier nicht mehr leisten können. Kein Wunder, dass der hochpreisige Bezirk Prenzlauer Berg langsam seine Künstler verliert. Aus den ehemaligen Freiräumen sind Eigentumswohnungen geworden. Neukölln und Kreuzberg liegen dagegen weit vorne, ein Drittel lebt momentan in Kreuzkölln, Tendenz steigend. 400 Euro kostet die Miete derzeit durchschnittlich. Ein Anstieg von mittlerweile 23 Prozent.

Am Ende wird man sehen, welche Impulse so eine Studie für Berlins Kulturpolitik bedeutet. Arbeits- und Recherchestipendien helfen als eine Form temporärer Grundsicherung. Die Atelierförderung steht an erster Stelle, da ist der Lederer dran. Über vier Millionen Euro sind 2019 für den Ausbau von Arbeitsräumen vorgesehen, über eine Million mehr als noch in diesem Jahr.

„Am besten, die Künstler würden streiken“, ruft ein Mann hinauf aufs Podium von Hergen Wöbken. So richtig aber kann darüber niemand lachen.

© Berliner Morgenpost


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Die letzten Monate des Erich Mühsam

Die letzten Monate des Erich Mühsam

von Manfred Gebhardt

 

Vor knapp 85 Jahren, am 11. Juli 1934, meldete die faschistische Presse hämisch den Tod des Schriftstellers und Anarchisten Erich Mühsam. Was da in einer lapidaren 20-Zeilen-Notiz berichtet wurde, war wie so vieles in dieser Zeit eine Nazilüge, unwahr, hinterhältig und feige. So stand in der „Berliner Nachtausgabe“ zu lesen: „Der … Schriftsteller Erich Mühsam, der sich in Schutzhaft befand, hat seinem Leben durch Erhängen ein Ende gemacht.“ Nach eineinhalbjähriger Regierungszeit wagten die Hitlerfaschisten nicht, ihren Mord an dem ihnen verhaßten Schriftsteller einzugestehen, geschweige denn, sich zu ihm zu bekennen. Wie im Falle John Schehr und Genossen, wie zehn Jahre später bei der Ermordung Ernst Thälmanns, sollte die Öffentlichkeit getäuscht werden.

Erich Muehsam

 

Mitgliederversammlung mit Gästen des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller, Ortsgruppe Berlin, an. Zum Thema „Faschismus und Kulturnation“ sollte neben anderen auch Carl von Ossietzky sprechen. Für viele der Teilnehmer war es die letzte. Gelegenheit, öffentlich gegen das Hitlerregime zu protestieren. Die Stadt hallte wider von Schüssen und Gerüchten. Die Versammlung war mehr ein Abschiednehmen, eine letzte Begegnung mit Freunden, für die es ungewiß war, ob und wann sie einander wiedersehen würden. Auch für Erich Mühsam.

 

 

Künstlerkolonie am Laubenheimer Platz

Mühsam wohnte Anfang 1933 in der Künstlerkolonie am Laubenheimer Platz in Berlin-Wilmersdorf. Das waren drei große Wohnblocks, in denen bis zum Machtantritt der Faschisten keine Hakenkreuzfahne aus einem Fenster. hing. Die hier wohnenden Antifaschisten, vorwiegend Künstler, Schriftsteller und Theaterleute, darunter viele Kommunisten wie Erich Weinert, Ernst Busch, Fritz Erpenbeck und Hedda Zinner, Gustav und Inge von Wangenheim, hatten der Kolonie den Namen „Der Rote Block“ eingetragen. Und Mühsam, der immer rebellierende Schriftsteller, war hier zu Hause.

Mühsam_Zensi

Mühsam mit seiner Frau Zenzl (1924)

 

An diesem Abend in den Kammersälen meldete auch er sich zu Wort. Am Vorstandstisch saßen Ludwig Renn und Carl von Ossietzky. Der unvergessene F. C. Weiskopf erinnerte sich später an Mühsams Auftreten. „Hemdsärmlig, die Krawatte verrutscht, die roten Haare in Unordnung sprach, gestikulierte, schrie er seine Empörung, seinen Haß gegen Krieg in den Saal hinein.“ Mühsam deutete mit einer großen Gebärde auf den Vorstandstisch. Seine Worte blieben vielen der Anwesenden im Gedächtnis: „Ich sage euch, daß wir, die wir hier versammelt sind, uns alle nicht wiedersehen. Wir sind eine Kompanie auf verlorenem Posten. Aber wenn wir hundertmal in den Gefängnissen des Dritten Reiches verrecken werden, so müssen wir heute noch die Wahrheit sagen, hinausrufen, daß wir protestieren.“

 

 

Die Nazis klingelten früh um Fünf…

Mühsam war ohne Illusionen in diesem Kampf gegen einen barbarischen Feind. Acht Tage später, am Morgen des 28. Februar, wollte er nach Prag fahren, um den antifaschistischen Widerstand vom Ausland aus fortzusetzen. Das Reisegeld hatte er zusammen, die Koffer waren gepackt. In dieser letzten Nacht, die er in Berlin bleiben wollte, konnte, brannte der Reichstag. Gegen fünf Uhr früh klingelten ihn zwei Kriminalbeamte aus dem Schlaf. Er stand weit oben auf der Liste der Faschisten, die den Brand gelegt hatten, um Rache an ihren Gegnern zu nehmen.

Von der Gestapo verhaftet

Klaus Mann erinnert, sich in seinem Buch „Der Wendepunkt“ an jene Tage:

„Zwischen einem Tango und einem Walzer erzählte man sich die neuesten Schreckensnachrichten aus Berlin. Wir tanzten im Regina-Palast-Hotel, während in der Hauptstadt das Reichstagsgebäude in Flammen stand. Wir tanzten im Hotel Vier Jahreszeiten, während die Brandstifter Unschuldige des Verbrechens bezichtigten, das sie begangen hatten. Das war am 28. Februar – Faschingsdienstag –, und tags darauf war Aschermittwoch. Als der Anarchist Erich Mühsam, der Pazifist Carl von Ossietzky und der Kommunist Ernst Thälmann von der Gestapo verhaftet wurden, kehrte man in München Luftschlangen und Konfetti von den Straßen. Man war verkatert. Der Fasching war vorüber.“

 

Mühsam wird noch in der Nacht mit Ludwig Renn, Egon Erwin Kisch und vielen anderen ins Polizeipräsidium am Alexanderplatz gebracht. In einem großen Kellerraum mit hunderten Verhafteten zusammengepfercht, verbringen sie die Nacht. Am nächsten Tag bringt man sie, vermutlich auch Mühsam, in ein Gefängnis nach Spandau, in sogenannte „Schutzhaft“.

Progrome, Plünderungen, Verhaftungen…

In einem Artikel in der „Weltbühne“ hatte Mühsam das alles schon im Dezember 1931 (Heft 50/31) vorausgesehen. Er schrieb, daß „nach längst fertigen Listen alle organisatorisch oder rednerisch tätigen Kräfte, alle der Führerschaft verdächtigen Personen verhaftet oder noch wirksamer beiseitegeschafft werden.“ Ja, er prophezeite in diesem Artikel: „Wenn der Tanz des Dritten Reiches losgeht“, daß dann „die Auflösung aller Arbeiterkoalitionen, standrechtliche Erschießungen, Pogrome; Plünderungen, Massenverhaftungen das Recht in Deutschland darstellen werden.“ Und er kommt zu dem Schluß: „Die einzige Kraft, die imstande wäre, Hitlers Machtergreifung zu verhindern, ist der verbundene Wille der vom Nationalismus nicht verwirrten deutschen Arbeiterschaft.“

Ein Mahner und Warner vor dem kommenden Krieg

Mühsam war kein Kommunist. Doch er gehörte zu denen, die unermüdlich die ‚Hintergründe imperialistischer Kriegspolitik aufdeckten. Seit er 1912 mit seinem Gedicht „An die Soldaten“ vor dem kommenden Krieg gewarnt hatte, blieb er ein Mahner, ein Kämpfer gegen den Krieg. Das brachte ihn, wie der österreichische Schriftsteller Bruno Frei schrieb, „ohne inneren Bruch zur Waffenbrüderschaft mit den Kommunisten“. In einem Gruß an Wilhelm Pieck, dem „lieben Genossen“…, steht der Satz: „Es lebe die Einheitsfront.“ Erich Weinert nannte ihn 1928 „einen der wichtigsten Vertreter der Literatur und Kunst, die dem Befreiungskampf der Arbeiter Ausdruck verleiht“. Das machte Mühsam, den Anarchisten und Pazifisten, zum Bündnispartner der revolutionären Arbeiterpartei, zu einem kritischen, aber verläßlichen Freund. Im Zorn beschimpfte er auch die Partei Thälmanns. Doch im Kampf gegen Krieg und Faschismus gab es zwischen ihm und den Kommunisten keine Differenzen.

Solidarität der Genossen

Da war seine Beziehung von Solidarität geprägt, was auch in seiner großen Arbeit für die Rote Hilfe deutlich wurde. Mühsam war explosiv, er sagte seine Meinung heftig und ohne Umschweife. Gegenüber den Genossen der KPD galt für ihn die Maxime: „Wenn ich mit euch einverstanden bin, dann stehe ich zu euch. Wenn ich nicht mit euch einverstanden bin, dann sage ich es.“ Darauf konnte man sich verlassen.

Der Leidensweg Erich Mühsams

Von Spandau aus begann im Frühjahr 1933 der 16monatige Leidensweg eines großen Kämpfers, einer starken Persönlichkeit. Die erste Station war das Zuchthaus Sonnenburg in der Nähe von Küstrin. Von Sonnenburg brachte man ihn ins Zuchthaus Brandenburg an der Havel. Eines Tages erhielt seine Frau Zenzl Mühsam ein Paket schmutziger Wäsche. Darunter ein Hemd, das an mehreren Stellen: eingerissen war und am Schulterteil deutliche Spuren eines Nagelstiefels trug, ein Beweis für die Mißhandlungen, denen er ausgesetzt war. Und die wurden immer schlimmer, satanischer, brutaler. Eines Tages bat Mühsam, der Schreibverbot hatte, den Anstaltsarzt, für ihn die Schreiberlaubnis zu erwirken. Der Arzt in SA-Uniform sagte das zu und bat um Mühsams Hand. Arglos gab Mühsam sie ihm. Da packte der Sadist den Daumen des Gefangenen, drehte ihn heraus, daß er brach, und sagte: „So, nun schreiben Sie mal Ihrer Frau.“

Bestialische Folterungen der Faschisten

Mühsam wurde zu simulierten Hinrichtungen geführt, er mußte sein eigenes Grab schaufeln, die Augen wurden ihm verbunden, wie vor dem Erschießen. Er riß die Binden von den Augen und schrie laut über den Zuchthaushof: „Ich will die Hunde sehen, die mich erschießen.“ Wilhelm Girnus berichtete, wie er Mühsam in Brandenburg antraf, das Gesicht blutbeschmiert, grünblau verschwollen, verschoben, das eine Auge wie zugedunsen, so liegt er in einer Lache von Spülwasser, in der Hand einen Aufwaschlappen. Und jedesmal, wenn er sich erheben will, treten ihn die Stiefel wieder nieder. Er leidet, aber kein Schrei kommt über seine Lippen.

Mühsam_Grosz

Mühsam vor seinen Peinigern. Zeichnung: George Grosz (1935)

Im Winter 1933/34 wird das Lager Brandenburg aufgelöst. Ein Teil der Gefangenen kommt ins Moor, ein anderer in das KZ Oranienburg, das in der alten Brauerei in der Berliner Straße, kurz vor der Einfahrt in die Stadt, untergebracht war. Anfang Februar kam Mühsam mit einem größeren Transport Gefangener aus Brandenburg hier an. Das Lager wurde von den SA-Männern der Standarte 208 bewacht, von denen die meisten mehr korrupt als grausam versuchten, einen persönlichen Nutzen aus dem Kommando zu ziehen. Mühsam sah man die Folgen der Mißhandlungen in Brandenburg noch an. Striemen am Hals und grüngelbe Beulen im Gesicht. Die illegale Lagerleitung zählte ihn zu den besonderen Schutzwürdigen.

 

Er kommt in eine große Baracke, in der etwa 100 bis 120 Gefangene leben. Je drei Schlafstellen stehen übereinander und je drei bis vier nebeneinander, Holzpritschen mit Strohsack und Decke. Die neun bis zwölf Betten, fest zusammengezimmert, bilden je eine Reihe, ein einziges Möbel aus ungehobelten Brettern.

Erich Mühsam im KZ

Mühsam war 56 Jahre alt, der Älteste in der Baracke, wahrscheinlich im ganzen Lager. An seinen roten Haaren, dem charakteristischen Bart und dem altmodischen Kneifer war er leicht zu erkennen. Einige der Wachmannschaften wußten etwas über ihn. Mancher kannte seine Lieder, andere hatten etwas von der „Kommune in München“ gehört. So wurde der Dichter mehr gejagt und gequält als andere. Oft wurden alle jüdischen Häftlinge oder auch nur er allein zu dem Vertreter der Gestapo im Lager gerufen, der ein wirklicher Sadist war. Das konnte am Tage geschehen, aber auch abends, wenn die Häftlinge Schach spielten. Gewöhnlich bedeutete es, daß man Schläge bekam. Mühsam legte Wert darauf, daß die Schachfiguren während seiner Abwesenheit unverändert stehenblieben. Wenn er zurückkam, spielte er weiter, ohne ein Wort darüber zu verlieren, was es bei der Gestapo gegeben hatte.

Der sogenannte „Röhm-Putsch“

Dann kam der 30. Juni 1934, der Tag, an dem Hitler seine ihm zu mächtig gewordenen SA-Führer ermorden ließ. Im Lager kursierten die wildesten Gerüchte. Aus der Umgebung marschierten SA-Kolonnen heran. Alle Außenkommandos wurden eingezogen. Abends zogen die fremden SA-Leute wieder ab. Am nächsten Morgen war das Lager von Polizeitruppen besetzt. Sie hatten die SA-Wachen überwältigt und sämtliche Waffen beschlagnahmt. Der Tag verlief ruhig. Häftlinge, die in Berlin gearbeitet hatten, berichteten, daß hohe und höchste SA-Führer erschossen wurden.

Die SS besetzte das KZ Oranienburg

In der Nacht vom 5. zum 6. Juli besetzte die SS das Lager Oranienburg. Es war ein regelrechter Überfall. 150 SS-Männer aus Württemberg und Bayem übernahmen nun das Kommando. Für Mühsam bedeutete das nichts Gutes. Er war weit über seine 56 Jahre hinaus gealtert, die Zähne waren ihm eingeschlagen, das Gehör hatte unter den ständigen Drangsalierungen gelitten. In Oranienburg wurde er von den meisten SA-Leuten in Ruhe gelassen, er mußte täglich mehrere Stunden lang Klo-Papier aus Zeitungen und Zeitschriften auf das richtige Maß schneiden. Für die bayrischen SS-Posten war sein Name ein rotes Tuch. Unter den jüdischen Häftlingen im Lager war er der einzige Prominente.

Mühsam_Nachricht

Letzte Nachricht Erich Mühsams an seine Frau…

Das Todesurteil

Am Nachmittag des 9. Juli wurde Erich Mühsam überraschend gerufen, er sollte ein Paket nach Zimmer 17, dem Büro des Lager-Adjutanten Ehard, bringen, einem SS-Sturmführer aus München, für den der Name Mühsam die Tage der Münchener Räte-Republik von 1919 wieder in Erinnerung brachte. Mühsam lieferte wie befohlen das Paket ab, drehte sich um und befand sich schon wieder an der Tür, als er kurz hintereinander zweimal seinen Namen rufen hörte. Er wandte sich um, konnte aber wegen seines schlechten Gehörs nicht gleich verstehen, was der SS-Mann von ihm wollte. Aber beim Wiederholen hörte er die Worte, die sein Todesurteil waren: „Mir gehm dir 48 Stunden Zeit, di umzubringen, und wann’s du’s dann net tuäst, wer’n ma scho nachhelfen.“ Sein ohnehin fahles Gesicht erstarrte zur Leblosigkeit. Er wußte, daß es ernst gemeint war, daß es sich vermutlich um einen persönlichen Racheakt von Ehard handelte. Es wurde beraten, was zu tun sei. Mühsam sagte: „Was auch passiert, die werden nicht erleben, daß ich mir selbst das Leben nehme.“

Erich Mühsam wird ermordet

Nach dem Abendessen ging er allein auf dem Hof umher. Alle respektierten sein Schweigen. Kurz vor der Schlafenszeit erhielt er den zweiten ungewöhnlichen Auftrag dieses Tages: Er sollte eine SS-Uniform und ein Paar Schaftstiefel reinigen. Beim Nachtappell war Mühsam nicht anwesend. Seine Kameraden der 6. Kompanie, die in ihrer Sorge um Mühsam keinen Schlaf finden konnten, sahen, wie in der Nacht das Licht auf dem Hof zweimal an- und ausgegangen war. Am Morgen fehlte Mühsam noch immer. Man fand ihn im vorletzten Abteil des Klosetthauses an einem Balken erhängt. Die Gefangenen mußten antreten. Jüdische Häftlinge wurden beauftragt, den Toten abzuschneiden. Einer von ihnen berichtete, daß der Knoten so kunstvoll geknüpft war, wie es Mühsam, der kaum die Schuhsenkel zuschnüren konnte, niemals fertiggebracht hätte. Sein Zwicker lag unter der Leiche auf dem Betonboden, die Zunge hing nicht heraus, die Fäuste waren geballt, und die Füße berührten den Klosettdeckel. Die SS hatte ihn ermordet.

Der Leichnam wurde auf eine Bahre gelegt und in den Vorhof getragen. Im Tagesraum, wo die Gefangenen versammelt waren, erhoben Sie sich von den Plätzen, um den Ermordeten zu ehren, Erich Mühsam, den viele nicht kannten und von dessen Werken viele nichts wußten. Eine erschütternde Trauerfeier von Menschen, von denen jeder täglich mit dem Tode rechnen mußte.

Beerdigung auf dem Waldfriedhof in Berlin-Dahlem

Am 16. Juli wurde Erich Mühsam auf dem Waldfriedhof in Berlin-Dahlem begraben. Die Trauergemeinde bestand aus wenigen Menschen. Nur diese kleine Gruppe hatte es gewagt, ihre Sympathie für den toten Dichter zu zeigen. Seine besten Freunde und Mitkämpfer saßen selbst in Zuchthäusern und Lagern, oder sie hatten das Land verlassen müssen. Die Lüge von Mühsams Selbstmord wurde den Mördern nicht geglaubt. Als die Untat der SS auch in Paris bekannt wurde, veranstaltete der Schutzverband, deutscher Schriftsteller im Exil am 23. Juli eine Gedenkfeier für den toten Mitkämpfer, auf der Egon Erwin Kisch, Anna Seghers und andere Emigranten sprachen.

Gedenktafel

„Seine Poesie war temperamentvoll und vielgestaltig“, sagte Kisch, „bald sang sie von Kampf und Revolution, bald scherzte und spielte sie. Solange er lebte und spottete, konnte er manchen darüber hinwegtäuschen, daß es ihm blutig, tödlich ernst war um seine Überzeugungen. Nun, da er starb wie ein Held, ist kein Zweifel mehr möglich.“ Und Erich Weinert, der vor 1933 oft mit Mühsam gemeinsam in Versammlungen aufgetreten war und wie dieser seine aufrüttelnden Verse rezitiert hatte, sagte in seinem Nachruf:

„Mein unvergeßlicher Freund! In der Nacht noch, als ich die Nachricht bekam, daß die Schinder dich gehenkt hatten, versuchte ich, Schmerz und Wut in ein Gedicht zu fassen. Es gelang nicht, beide waren unausdrückbar … Auch als Außenstehender bliebst du uns als Kampfgenosse treu verbunden. Du standest immer vom, ungebändigt, unerschrocken, immer bereit, mit deiner Freiheit und deinem Leben für die Sache des Getretenen einzustehen … Dein revolutionärer Name wird leben, unvergeßlicher Freund!“

© Manfred Gebhardt

Quelle: Das Magazin, Berliner Verlag (DDR), Heft 6/1984, S.44-48

 


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Blick in die Presse – Kauft Berlin die Künstlerkolonie Wilmersdorf zurück ?

 


Berlin will Wilmersdorfer Künstlerkolonie zurückkaufen in Berliner Morgenpost

 

Berlin soll Wohnsiedlung kaufen in Berliner Kurier

 

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Eindrücke vom Stadtspaziergang mit dem Bezirksstadtrat Oliver Schruoffeneger durch das Künstlerviertel

Auf Anregung von Herrn Fischer für die Mieter in der Künstlerkolonie und auf Vorschlag von Herrn Schruoffeneger anlässlich der Mieterveranstaltung im IBZ, fand heute ein Stadtspaziergang u.a. mit Redakteuren aller Berliner Tageszeitungen, Anwohnern, der GDBA und dem Verein der Künstlerkolonie statt.

Herr Fischer erläuterte für die Mieter die aktuellen Probleme und Herr Maurenbrecher brachte den Teilnehmern die Geschichte der Berliner Künstlerkolonie näher. Herr Schruoffeneger berichtete über die aktuellem politischen Diskussionen und kündigte für die kommende Woche eine Initiative des Bezirkes für die Künstlerkolonie Berlin an.

Wir werden die Presse in den nächsten Tagen beobachten und die jeweiligen Artikel online stellen.

 

Eindrücke vom Stadtspaziergang mit dem Bezirksstadtrat
Oliver Schruoffeneger durch das Künstlerviertel

 


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Endlich Frühling: So können Sie das Sonnenlicht unbeschwert genießen

Sonnenlicht schenkt uns Vitamin D und gute Laune

 

Mit dem Ende des Winters locken uns endlich sonnigere und wärmere Tage an die frische Luft. Das tut nicht nur unserer Seele gut, sondern auch unserem Körper, denn die Sonneneinstrahlung regt Atmung, Durchblutung, Kreislauf und Stoffwechsel an und macht uns resistenter gegen Infektionen. Zudem lässt sie uns über die Strahlung auf unserer Haut das so wichtige Vitamin D bilden.

Vitamin D: das Sonnenvitamin

Vitamin D ist nicht nur wichtig, um unsere Knochen stark und gesund zu erhalten, sondern ist auch für viele andere Organe und Gewebe unverzichtbar. Viele Studien weisen darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und diversen Krankheiten wie beispielsweise Osteoporose, Rheuma, Infektanfälligkeit, Depressionen, Morbus Alzheimer, Parkinson-Krankheit und Multiple Sklerose gibt. Schon 10 bis 30 Minuten Sonnenbestrahlung der Haut täglich sollen reichen, um unseren Vitamin-D-Bedarf zu decken. So kann man an sonnigen Frühlingstagen zum Beispiel durch ein offenes Fenster im Büro oder einen kleinen Spaziergang in der Mittagspause für die tägliche Dosis Sonnenlicht sorgen. 

Die Sonne und die Seele – Balsam von oben

Wenn die Sonne scheint, sieht die Welt auch gleich viel freundlicher aus und man fühlt sich insgesamt aktiver und fitter. Kein Wunder, denn es ist wissenschaftlich bewiesen, dass das Sonnenlicht sich positiv auf Körper und Seele auswirkt. Über die Netzhaut aufgenommen leiten Nerven die Lichtreize weiter an die Zirbeldrüse, die unter anderem das Glückshormon Serotonin ausschüttet. Serotonin ist maßgeblich für unseren Antrieb und unsere Stimmung zuständig. Es lohnt sich also, auch mal kurz auf die Sonnenbrille zu verzichten.

© www.sbk.org

 

Wie bei allem ist auch beim Sonnengenuss auf eine ausgewogene Dosis zu achten. Zu viel Sonnenlicht beschleunigt die Hautalterung, kann vor allem ohne Schutz zu Sonnenbrand führen und ist der wichtigste Risikofaktor bei der Entstehung von Hautkrebs. 

UV-A- und UV-B-Strahlung – was ist das eigentlich?

Bei der Sonneneinstrahlung wird zwischen zwei Strahlungstypen unterschieden: Der UV-A- und der UV-B-Strahlung. Während die langwelligen UV-A-Strahlen nur für eine kurzfristige Bräune sorgen und als Verursacher von bösartigem Hautkrebs gelten, sorgen die kurzwelligen UV-B-Strahlen dafür, dass unsere Haut Melanin bildet. Dieses Pigment sorgt für den Eigenschutz unserer Haut. Gleichzeitig lässt zu viel Sonne Sonnenbrand entstehen, eine entzündliche Reaktion unserer Haut. Während die Sonne im Frühjahr noch nicht über ihre volle Kraft verfügt, steigert sie ihre Intensität im Laufe der Monate kontinuierlich, um uns schließlich im Sommer schon nach kurzer Zeit ungewollt erröten zu lassen. Dem kann man jedoch vorbeugen.

Sonnenschutz: Haut ist nicht gleich Haut

Ob Gel, Öl oder Creme, Sonnenschutz gibt es heute in vielen Varianten. Je nach Hauttyp kann man hier für optimale Pflege und für Hautschutz sorgen, der bei Bedarf auch noch wasser- und abriebfest ist. Was alle Sonnenschutzmittel bieten sollten: einen kombinierten UV-A- und UV-B-Schutz. Besonders empfindliche Hauttypen haben in der Sonne nur eine Eigenschutzzeit von etwa 10 Minuten, dunkle Typen liegen bei ca. 45 Minuten. Je nach Hauttyp gibt es unterschiedliche Empfehlungen zum Lichtschutzfaktor (LSF): Für helle Haut wird LSF 50 empfohlen, für dunkle Typen mindestens LSF 15 oder höher. Im Zweifelsfall sind Sie mit einem LSF zwischen 30 und 50 immer gut beraten. 

Sonnenschutz: Kinder sind besonders sensibel

Kinderhaut benötigt einen besonderen Schutz, da sie noch über keinen (ausreichenden) Eigenschutz verfügt und deutlich schneller einen Sonnenbrand bekommen kann. Bei Babys kann ein Sonnenbrand sogar lebensbedrohlich sein. Vorbeugend gibt es (Bade-)Kleidung mit eingebautem UV-Schutz, der noch mehr Sicherheit bietet – auch für ältere Kinder und Erwachsene, zum Beispiel im Urlaub in besonders sonnigen Gefilden. Zudem sollten Babys und Kinder an ungeschützten Hautstellen mit einer für Kinder geeigneten, mineralischen Sonnencreme eingecremt werden und sie sollten einen Sonnenhut mit Nackenschutz tragen.

Immer auf der sicheren Seite: Hautkrebsscreening

Lassen Sie Ihre Haut als Erwachsener alle zwei Jahre von einem Arzt untersuchen. 


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West-Berlin Biografie einer Halbstadt

Mit der Teilung Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg war der Westteil der Stadt bis 1989 von der Bundesrepublik, aber auch von seinem Umland getrennt. Elke Kimmel porträtiert die einstige Halbstadt in historischen, kulturellen und politischen Facetten: schillernd, inspirierend, widersprüchlich.

Eine Stadthälfte als Insel: Von der Teilung Berlins als Folge des Zweiten Weltkriegs bis zum Fall der Mauer 1989 war der Westteil nicht nur von der Bundesrepublik, sondern auch von seinem Umland getrennt. Dramatisch augenfällig wurde dies mit der sowjetischen Blockade 1948 und vor allem mit dem Mauerbau ab August 1961. Die langjährige Insellage West-Berlins wirkte sich nachhaltig auf Kunst und Kultur, Politik, Wirtschaft und soziale Lagen aus. Alteingesessene hatten sich mit den modifizierten Bedingungen abzufinden oder wussten ihnen etwas abzugewinnen, der bunte Strauß höchst heterogener Neuankömmlinge fand hier Rückzugsorte oder Experimentierfelder für Lebensentwürfe.

In zahlreichen Porträts und Episoden spiegelt Elke Kimmel quer durch die bewegte Geschichte West-Berlins das Spezifische und Prägende der einstigen Halbstadt, nicht zuletzt auch ihre Funktion als politische Bühne im Großen wie im Kleinen. Ihre Existenz kam mit dem Fall der Mauer im November 1989 abrupt an ihr Ende. Bis dahin war sie indes immer widersprüchlich-anders: hier modern, dort piefig, mal selbstvergessen, mal avantgardistisch, zuweilen schwächelnd und doch voller Dynamik.


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Damal’s wars Alexander Graf Stenbock-Femor

 

Erinnern Sie sich an unseren langjährigen Bewohner

Alexander Graf Stenbock-Femor

 

 

Alexander Stenbock-Fermor, ein Großneffe von Peter Kropotkin, wurde m 30. Januar 1902 in Nitau geboren und verstarb  am 8. Mai 1972 in Berlin. Er arbeitete zu Beginn der 20-er Jahre als Bergarbeiter im Ruhrgebiet. In Hamborn, damals einer syndikalistischen Hochburg, sammelte er den Stoff für sein erstes Buch – „Meine Erlebnisse als Bergarbeiter“.

Die Position Stenbock-Fermors wandelte sich mit der Zeit. Nahm er am Russischen Bürgerkrieg noch als überzeugter Weißgardist teil, machte er in der deutschen Emigration eine Wandlung zum Kommunisten durch. Anfang der 30-er Jahre vertrat er die nationalbolschewistische Linie der KPD, während des Nationalsozialismus bewahrte er nach Möglichkeit eine oppositionelle Haltung, und ergriff nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Partei für die Entwicklung in der entstehenden DDR. Die politische Wandlung Stenbock-Fermors zieht sich auch durch sein literarisches Werk, und ist damit für die Syndikalismusforschung von Interesse.

 

Das Schloss Stenbock-Fermors in Nitau (Nitaure) beherrbergt heute eine Schule, © PENTAX Image

 

Graf Alexander Stenbock-Fermor wurde am 30.01.1902 auf Schloß Nitau in Livland geboren (heute: Nitaure/Lettland). Er wuchs in aristokratischen Verhältnissen des baltischen Adels auf. Die Baltendeutschen gehörten in Livland ausschließlich der Oberschicht an, so dass für sie bei der Anfang des 20. Jahrhunderts beginnenden revolutionären Entwicklung alles auf dem Spiel stand. So meldete sich Stenbock-Fermor nach dem Ausbruch der Russischen Revolution 1917 auch freiwillig bei der Baltischen Landeswehr – einer Einheit zur Verteidigung baltendeutscher Privilegien – und beteiligte sich auf Seiten der Weißgardisten am Bürgerkrieg. Bei dem sich abzeichnenden Ende des Bürgerkrieges emigrierte Stenbock-Fermor im März 1920 nach Mecklenburg, denn hier in Neustrelitz hatte ein Großteil seiner Familie bereits eine Bleibe gefunden.

Hier versuchte er nun das Ingenieurfach zu studieren – am Technikum von Max Hittenkofer in Alt-Strelitz. Dies war eine der progressivsten Lehranstalten jener Zeit. Die Studenten konnten sich täglich an der Schule einschreiben lassen, und konnten sich je nach fachlicher Ausrichtung ihre Lehrpläne selbst zusammenstellen. Die Ausbildung selbst war insgesamt stark auf die Praxis ausgerichtet. Die Lehrer wurden dazu angehalten regelmässig Standardwerke über den Unterrichtsstoff zu verfassen. Jedoch lag Stenbock-Fermors Begabung in anderen Bereichen. Er brach das Studium bald wieder ab. Geldsorgen, Abenteuerlust und Neugier bewogen ihn daraufhin eine Anstellung als Bergarbeiter im Ruhrgebiet zu suchen.

Eine erste Berührung mit sozialistischen Gedanken bekam Alexander Stenbock-Fermor quasi mit in die Wiege gelegt. Sein Großvater, der Generalgouverneur von Charkow Demetrius Kropotkin, fiel am 11. März 1879 einem Attentat des nihilistischen Studenten Goldenberg zum Opfer. Peter Kropotkin, der bedeutendste Denker des kommunistischen Anarchismus und Großonkel von Alexander Stenbock-Fermor, wurde in der Familie als geistiger Urheber des Attentats betrachtet. Man durfte nicht über ihn sprechen.

Diese Einstellung änderte sich bei Alexander, als er in den Bücherregalen zufällig verborgene Schriften von Peter Kropotkin entdeckte: „Die französische Revolution“, „Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt“ und die „Memoiren eines Revolutionärs“. Schnell begriff er, dass Kropotkin mit dem Attentat nichts zu schaffen hatte. Seine Werke hinterließen bei ihm einen bleibenden Eindruck.

Doch die Entwicklung zum Sozialismus hin, setzte bei Alexander Stenbock-Fermor erst in seiner Zeit als Bergarbeiter ein. Vom 16. November 1922 bis zum 20. Dezember 1923 arbeitete er in der Zeche Gewerkschaft Friedrich Thyssen, Schacht IV in Hamborn. In Gesprächen mit kommunistischen, anarchistischen und syndikalistischen Bergarbeitern gerieten seine bisherigen Überzeugungen ins Wanken, die Arbeitsverhältnisse im Bergwerk kurz nach der Niederlage der „Roten Ruhrarmee“ taten ein Übriges. Er begann sich sozialistischen Gedanken zu nähern und wurde mit der Zeit überzeugter Marxist.

Nach seiner Bergarbeiterzeit arbeitete Alexander als Lokalreporter bei der „Mecklenburger Rundschau“ in Neustrelitz. Dies war eine kleine Neubrandenburger Zeitung, die ebenfalls von einem Baltendeutschen – Baron Korff – herausgegeben wurde. 1923 eröffnete die Zeitung in der Augustastraße 11 in Neustrelitz eine Zweigstelle. Stenbock-Fermor arbeitete hier als Lokalkorrespondent für dieses deutsch-nationale Käseblättchen. Es sind zumeist nur Kurznachrichten „von unserem Korrespondenten aus Neustrelitz“, die ihm zugeordnet werden könnten. Die Beiträge sind nicht namentlich gekennzeichnet. Das Blatt ist im Übrigen ein interessantes zeitgeschichtliches Dokument – es besteht gewissermaßen zur einen Hälfte aus deutschnationaler Propaganda, zur anderen aber aus Berichten über „kommunistische Hetze“ – die wohl auch in Mecklenburg anno dazumal ungefähr die Hälfte der Bevölkerung „gefährdete“.

Nach diesem Zwischenspiel wurde Stenbock über Walter Karbe, den Leiter der Landesbibliothek, mit dem er einen regen gedanklichen Austausch pflegte, an das Puppentheater von Otto Gierow im Neustrelitzer Dürerhaus vermittelt, mit dem er eine Zeitlang durch die Lüneburger Heide zog.

Anschließend ging er nach Hamburg, wo er in der Buchhandlung Meissner in der Herrmannstraße 44 eine Ausbildung zum Buchhändler machte. Diese Buchhandlung hatte eine lange Tradition. Der angeschlossene Otto-Meissner-Verlag gab im Jahre 1867 zum ersten Mal „Das Kapital“ von Karl Marx heraus. Mit demdamaligen Verleger Otto Meissner will Stenbock-Fermor noch manches ungewöhnliche Gespräch gepflegt haben. So soll der alte Herr in ihm ständig einen Kunden gesehen haben und nach seinen Wünschen gefragt haben – worauf Stenbock ihm stets aufs Neue erklären musste, dass er sein Auszubildender sei. Stenbock will auch ein nettes Gespräch über Karl Marx mit Otto Meissner senior gehabt haben. Otto Meissner erzählte ihm angeblich einiges über seine Begegnung mit dem Begründer des sgn. „wissenschaftlichen Sozialismus“ – dessen Buch er „ohne es recht verstanden zu haben“ herausgegeben hatte.

Eine schöne Geschichte und spannend erzählt, nur war Otto Meissner senior bereits im Geburtsjahr Stenbock-Fermors verstorben. Die Firma gehörte zu Stenbocks Lehrzeit bereits dem Enkel des Marx-Verlegers und so könnte ein entsprechendes Gespräch – wenn überhaupt – im höchsten Falle mit dem Sohn Otto Meissners erfolgt sein.

Nach dem Abschluss seiner Lehre arbeitete Stenbock in der Bibliothek des Landesdirektors der Provinz Brandenburg Joachim von Winterfeldt auf dem Gut Menkin in der Uckermark. Joachim Winterfeldt-Menkin hielt sich damals berufsbedingt zumeist in Berlin auf. Dieser durchaus begabte und intelligente Vertreter einer völkischen Gesinnung ging in die Geschichte als Gründer des Deutschen Roten Kreuzes ein. Dem erstarkenden Nationalsozialismus griff er tüchtig unter die Arme – auch wenn er seiner Überzeugung nach ein Konservativer alter Schule blieb – jemand der stets „in zweiter Reihe“ steht, aber in dieser praktische Arbeit leistet. Stenbock-Fermor war in dem Leben Joachim Winterfeldts kein besonderes Ereignis. In seinen 1942 erschienenen Memoiren „Jahreszeiten des Lebens“ findet er daher auch keinerlei Erwähnung.

 

 

Im Herbst 1926 fand Stenbock-Fermor in Jena, im Verlag Eugen Diederichs eine Anstellung. 1928 erschien das Buch „Meine Erlebnisse als Bergarbeiter“ bei J. Engelhorns Nachf. in Stuttgart. Stenbock-Fermor wurde nun freiberuflicher Schriftsteller, trat dem BPRS (Bund Proletarisch Revolutionärer Schriftsteller) bei und lebte von verschiedenen Gelegenheitsarbeiten, so bei der „Frankfurter Zeitung“. 1929 erschien sein Buch „Freiwilliger Stenbock“, ein autobiographischer Bericht über seine Zeit bei der Baltischen Landeswehr. 1931 wurde „Deutschland von unten“ veröffentlicht (ebenfalls bei J. Engelhorns Nachf. Stuttgart), ein Bericht über die armseligen Zustände in der „proletarischen Provinz“.

 

Laubenheimer Platz 5 (heute Ludwig-Barnay-Platz) – die Berliner Unterkunft Stenbock-Fermors, © PENTAX Image

 

Stenbock-Fermor hingegen erinnert sich ausgiebig an ihn. Winterfeldt-Menkin soll ihn sogar zum Verfassen seines ersten Buches „Meine Erlebnisse als Bergarbeiter“ bewogen haben. Dieses soll dann während seiner Tätigkeit in der Bibliothek des Landesdirektors in Menkin niedergeschrieben worden sein.

Seinen Wohnsitz nahm Stenbock in Berlin, in der Künstlerkolonie am Laubenheimer Platz. Stenbock-Fermor näherte sich in dieser Zeit immer mehr der KPD, die gerade eine nationalbolschewistische Phase durchlief und versuchte enttäuschte Nazis und reaktionäre Offiziere auf ihre Seite zu ziehen.

Alexander gründete dabei das Scheringer-Komitee, zur Unterstützung des inhaftierten „Überläufers“ Scheringer und beteiligte sich am Aufbruch-Kreis und an der „Linkskurve“. Deren nationalbolschewistische Linie war damals umstritten – dennoch hatte sie eine gewissen Einfluss vor allem auf die kommunistische Bewegung. Wenn auch durch diese Taktik einige Nationalisten zum Übertritt in die KPD bewogen werden konnten, war es doch augenscheinlich, dass sich die Verwendung nationalistischer Agitation vor allem in der Arbeiterbewegung niederschlug. Die Wochenzeitung „Der Syndikalist“ wünschte der KPD 1932 in diesem Sinne „viel Glück zu Ihren neuen Errungenschaften bei der Sammlung des Abfalls aus dem Nazilager“.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten überstand Stenbock-Fermor in der Wohnung Heinrich Kurellas am 15.03.1933 unbeschadet die Razzia der Künstlerkolonie durch die neuen Machthaber, bevor er am 9. September 1933 in Jena doch noch verhaftet wurde. Am 3. Oktober desselben Jahres erfolgte seine Ausbürgerung durch das Mecklenburg-Strelitzsche Ministerium des Innern. Während der Inhaftierung erschien sein Buch „Das Haus des Hauptmanns von Messer“, eine Erzählung, in welcher der Adel humorvoll durch den Kakao gezogen wird, und die von den Nationalsozialisten nicht beanstandet wurde.

Am 17. Dezember 1933 erfolgte auf Betreiben des ersten Gestapo-Leiters Rudolf Diels in Berlin seine Entlassung aus der Schutzhaft. Er zog nach Hamburg, später wieder zurück nach Berlin und unterhielt Beziehungen zum Widerstand (die Gruppe RAS, Revolutionäre Arbeiter und Soldaten wurde nach seinen Angaben sogar in seiner Wohnung in derKünstlerkolonie aus der Taufe gehoben). 1942 erschien sein Buch „Schloss Teerkuhlen“, eine Heidegeschichte, in der er u.a. seine Hamburger Erlebnisse und seine Wanderung als Puppenspieler verarbeitete. 1943 erlebte das Buch eine zweite Auflage – allerdings diesmal als reine Wehrmachtsausgabe. Um den Bombardierungen während des Krieges zu entgehen, zog Alexander Stenbock-Fermor wieder zu seiner Mutter nach Neustrelitz.

Am 15. Januar 1945 wurde er zum Landesschützen-Bataillon II Stettin eingezogen. Am 30. April 1945 war für ihn der Krieg beendet.

Im Herbst desselben Jahres wurde Alexander Stenbock-Fermor durch Rolenko, den Kommandanten der sowjetischen Besatzungsmacht, als Oberbürgermeister von Neustrelitz eingesetzt. Kurz darauf zog Stenbock-Fermor wieder nach Berlin (West), in seine alte Wohnung in der Künstlerkolonie, die den Krieg überstanden hatte. Fortan arbeitete er als Drehbuchautor und Dramaturg für die DEFA. Zusammen mit Joachim Barckhausen schrieb er das Drehbuch für den ersten deutschen Arbeiterfilm nach 1945 – die „Grube Morgenrot“ (1948), über ein Anfang der dreißiger Jahre von Arbeitern kollektiviertes und in Selbstverwaltung betriebenes Bergwerk (der Film verlegt die in Schlesien stattgefundene Begebenheit nach Sachsen). Phil Jutzi behandelte dieses Thema zum ersten Mal 1930 – in dem Stummfilm „Die Todeszeche“, in welchem dokumentarische Aufnahmen vom Unglücksort verwendet wurden. Bei dem Unglück am 9. Juli 1930 kamen seinerzeit auch zahlreiche Syndikalisten ums Leben.

Die „Grube Morgenrot“ verlegte aber nicht nur die Gegebenheit an einen anderen Ort, auch die Rolle der KPD wurde in dem Film in ihr Gegenteil verkehrt. Während diese 1930-31 im Reichstag die „entschädigungslose Enteignung“ der Grubenbesitzer forderte, sowie die .berführung der Grube in Kollektiveigentum – warnen die Filmkommunisten vor „Vergesellschaftung im Kleinen“. Der Film endet mit einem optimistischen Ausblick auf die „Vergesellschaftung im Großen“ – die entstehende DDR. Der Erfolg der „Vergesellschaftung im Großen“ erscheint im historischen Rückblick doch mehr als zweifelhaft, und die von der KPD 1930 im Reichstag eingeforderte „Vergesellschaftung im Kleinen“ fand damals keine Mehrheit.

1949 erschien Stenbock-Fermors Novelle „Henriette“, über eine Liebesaffäre bei einer Schiffsreise von Berlin nach Hamburg. 1949 wurde im Verlag Volk und Welt, Berlin das Buch „Die letzten Stunden“ veröffentlicht, das auf Interviews Stenbock-Fermors mit dem Gefängnispfarrer von Tegel Harald Poelchau basierte, einem Angehörigen des Kreisauer Kreises, der zahlreiche Mitglieder des Widerstands auf dem Weg zum Schafott betreute. Ebenfalls mit Joachim Barckhausen schrieb Stenbock-Fermor das Drehbuch für den Film „Semmelweis, Retter der Mütter“, über den Arzt Semmelweis, der im 19. Jahrhundert die Ursachen des Kindbettfiebers entdeckte und durch die antiseptische Methode bekämpfte. Der Film erlebte am 2. Juli 1950 seine Premiere, im selben Jahr erschien im Deutschen Filmverlag Berlin das Buch zum Film. Ein dritter Film der beiden Drehbuchautoren war „Karriere in Paris“ (1952) nach „Vater Goriot“ von Balzac. Der wohl bekannteste Film der Autoren wurde „Das Fräulein von Scuderi“ nach der gleichnamigen Novelle von E.T.A. Hoffmann (1955), eine Kriminalgeschichte über eine Raubmordserie an adligen Schmuckbesitzern.

Auch bei dem ersten utopischen Film der DEFADer Schweigende Stern“ (1960) war Stenbock-Fermor am Drehbuch beteiligt. Diese Verfilmung des Romans „Astronauci“ von Stanislaw Lem, handelt von dem Flug eines Raumschiffes zur Venus, wo es klären soll, ob vom „Schweigenden Stern“ Unheil droht. Weitere Filme waren, „Tilmann Riemenschneider“ (1958), über das Schicksal des Bildschnitzers in Würzburg zur Zeit des Bauernkrieges, der Kinderfilm „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ (1953) nach einem Märchen von Andersen (Fernsehfilm bei Europäische Television / Westberlin), der Film „Mord ohne Sühne“ (1962) – welcher den Justizmord an dem polnischen Schnitter Josef Jakubowski in Mecklenburg-Strelitz behandelt, sowie „Mord an Rathenau“ (Fernsehfilm, 1961) über den Mord an dem deutschen Außenminister im Jahre 1922. Das bekannteste Werk von Alexander Stenbock-Fermor erschien posthum – „Der rote Graf“ (1973), eine Autobiographie von der Kindheit bis zum Jahre 1945, mit einem Epilog von Joachim Barckhausen über die Zeit danach. Der Autor verstarb am 8. Mai 1972 in Westberlin. Beerdigt wurde er in Düsseldorf, dem Wohnort seiner letzten Frau. Sein Grab auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof wurde 2002 nach Ablauf der 30-Jahre-Frist eingeebnet.

 

© Archiv VT im Institut für Syndikalismusforschung, Bestand Stenbock-Fermor,


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Damals war’s … Walter Zadek

Erinnern Sie sich an unseren langjährigen Bewohner der Berliner Künstlerkolonie

Walter Zadek

Der Autor Stefan Berkholz, beschäftigte sich seit Jahren mit der Geschichte der Künstlerkolonie, sammmelte Fotos, Dokumente und Zeitzeugenaussagen zum Thema um einen Dokumentenband zu veröffentlichen. Seine Erinnerungen aus einem Gespräch mit unserem langjährigen Bewohner Water Zadek geben einen keinen Eindruck aus den ‚dunklen‘ Jahren.

 

„WIR WAREN EINE ART ISOLIERTERINSEL“

WALTER ZADEK ÜBER DIE RÄUMUNG DER KÜNSTLERKOLONIE IM MÄRZ1933

 

Walter Zadek, 1900 geboren, lebte und arbeitete in den Jahren 1930 bis 1933 in der Künstlerkolonie. Zadek ist seit 1919 Buchhändler und Antiquar, war seit 1925 Ressortchef beim liberalen „Berliner Tageblatt„, gründete Anfang 1930 die „Zentralredaktion für deutsche Zeitungen“, eine Art Nachrichtenagentur, mit der er bald über 80 Zeitungen belieferte. Mit Walter Zadek sprach Stefan Berkholz 1988 über den 15. März 1933, die Räumung der Künstlerkolonie durch die Nazis.

 

Die Verhaftung Walter Zadeks (2. von links) zusammen mit Manes Sperber und Theodor Balk am 15. März 1933

 

WALTER ZADEK:

In der Bonner Straße 3 klingelte es, und ein Zivilist fragte sehr höflich, ob ermal bei uns her­ein kommen könnte.

Er sah sich die Bücher an, da standen Marx und Freud und so etwas, ich glaube, er machte sich nicht mal Notizen und sagte: „Sie ham doch noch Arbeitsräume.“ Sehr höflich, sehr nett, das war noch die alte Garde der Polizei. Da sagte ich: „Ja, da drüben in der Laubenheimer Straße.“ „Ach, würden Sie bitte mal mitkommen.“ Furchtbar höflich!

Als er mit mir über den Hof, durch den Hinterausgang der Laubenheimer Straße da hin kam, standen da sieben Polizisten, junge Kerle, angebliche Polizisten in Wirk­lichkeit, und brüllten: „Da kommt das Judenschwein ja.“ Keiner hatte ne Ahnung, wer ich war, keiner hatte mich je gesehen, aber da ich mit dem Mann direkt darauf hin kam, war ihnen das klar. Und dann stupsten sie mich sofort weg von dem Mann, übernahmen mich – und das war dieses “ Kommando zur besonderen Verwendung“. Und sie stupsten mich mit Stößen die Treppe rauf, und ich stolperte mehr als ich ging; alles war totenstill, natürlich traute sich keiner heraus, und ich mußte aufschließen. In der kleinen Wohnung schmissen sie alles durcheinander. Die Vervielfältigungsmaschine runter, und so weiter, den Kasten mit den Liebesbriefen nahmen sie mit, sonst wurde nichts beschlagnahmt. Aber sie richteten ein Tohu­wabohu an.

Und dann hieß es: „Raus mit dir!“, immer wieder als Judenschwein oder sonst was bezeichnet, und dann nahmen sie…, dann ging ich die Treppe runter, sollte ich die Treppe runtergehen, und die nahmen ihre Revolver aus den Seitentaschen. Es waren sieben schwerbewaffnete Mann, ich war in einem, ja Rauschzustand ist nicht der richtige Ausdruck, völlig benommen von Hieben bereits, und da höre ich sie rufen: „Wirst du Judensau wohl schnellerlaufen.“Und da hatte ich plötzlich eine Schlag­zeile vor meinen Augen, die damals jeden Tag drin war, in jeder Zeitung: “ Auf der Flucht erschossen.“ Da war mir klar, was das bedeutete, nicht klar, unklar klar,möcht ich sagen – und jetzt ging ich wirklich langsam.“

Und so kam ich nun runter, ich wußte gar nicht wie ich aussah, Leute, die nicht in der Künstlerkolonie wohnten, sagten mir später, ich war blutig im Gesicht, und als ich auf den Wagen raufgestoßen wurde, da schrie auch dieser Entenschnäblige: „Wisch dir mal dett Jesicht ab, duhast wohl Neesebluten jehabt.“

STEFAN BERKHOLZ:   

Und der „Völkische Beobachter“ jubelte: ‚“Künstlerkolonie‚ Südwestkorso endlich ausgehoben“, „Riesenbestände von Zersetzungsschriften „be­schlagnahmt, „Waschkörbe voll Waffen“. Über Sie heißt es in dem Artikel: „Dieser jüdische Redakteur ist eine der typischen Beispiele für die vielen Brandredner und Wühler, die systematisch im Hintergrund arbeiten. Zadek ist einer der vielen aus der kommunistischen Mörder­ zentrale, die die Befehle an die Unterwelt weitergaben, sein Büro und die Räume seiner Genossen sind die wirklichen Brutstellen des roten Ter­rors gewesen, der Tod somanchen Kameraden ist hier beschlossen worden. Bei Herrn Zadek wurden drei scharf geladene Pistolen und eine Menge Munition gefunden…“

WALTER ZADEK:

Das war folgendes: Eines war ein alter Armee-Revolver aus dem Krieg 1870 so ungefähr, aus der Zeit, als mein Vater Soldat war. Er hatte keine aktuelle Bedeutung mehr, er war nicht mehr brauchbar. Das zweite war eine Pistole mit langem Lauf für das Schießen auf Schießscheiben. Hat also auch mit Revolver überhaupt nichts zu tun. Und das dritte war wirklich eine Waffe, für die ich einen Waffenschein hatte.

STEFANBERKHOLZ:

Und weiter heißt es im „Völki­schen Beobachter“:“…die Sichtung des in der ‚Central­redaktion für deutsche Zeitungen‘ gefundene Schriften­materials dürfte die Politische Polizei allein für Wochen beschäftigen.“

WALTER ZADEK:

Ist eine wilde Übertreibung. Es lagen bei mir erstens in einem großen breiten Rollschrank sämtliche Belege von Zeitungen, was wo erschienen war, und nun hatte ich von Lübeck oder von Bremen oder von Königsberg oder aus Süddeutschland Belegexemplare geschickt bekommen, und die wurden nach Zeitungen abgelegt. Und von den Manuskripten und vervielfältigten Typoskripten lagen natürlich einige herum, die ich noch nicht versandt hatte. Und die werden sie vielleicht auch durchgesehen haben, um da antifaschistische Literatur zu finden.

Verbrennung von Fahnen und Trans­ parenten auf dem Laubenheimer Platz

 

 

STEFAN BERKHOLZ:

Können Sie sich an Bücherverbrennungen erinnern auf dem Laubenheimer Platz?

WALTERZADEK:

Nein. Es ist sehr komisch, in meiner Wohnung in der Bonner Straße hatte ich die ganzen Wände voll mit Bücher, da ist nicht ein Buch weggekommen, auch nicht der Marx und auch nicht der Freud. All diese Bücher wurden mir, nach meiner Flucht, die ich ja nur mit einer Aktentasche machen konnte, weil sie vollkommen überraschend kam, in Kisten nachgeschickt. Es ist also kein einziges Buch, also auch nicht von Tucholsky oder einem linken Mann, verbrannt oder auch nur raus­ gesuchtworden. Also bei mir interes­sierten sie sich wohl nur für den unsympathischen Zadek, der gemeingefährlich war und gegen die Nazis sozusagen indirekt kämpfte und außerdem die Prügelei mit einem Nazi gehabt hatte.

STEFANBERKHOLZ:

Was würden Sie denn nun sagen, was das Besondere der Künstlerkolonie war?

WALTER ZADEK:

Wissen Sie, wir waren da in der Künstlerkolonie – eine Art isolierter Insel. Die Atmosphäre dieser Menschen, die überwiegend linksgerichtet waren, und zwar linksbürgerlich, also sagen wir: der Typ, der in der „Weltbühne“ schrieb im allgemeinen, die war von dem übrigen Berlin und von Deutschland im gewissen Sinnen ein isolierter Platz. Dabei ist nicht zu denken, daß wir unter uns eine Gemeinschaft waren; man kannte, und das war ja damals in Deutschland sehr üblich, einander nicht, selbst wenn man zusammen wohnte. Also – wir waren eine Insel linksdemokratischer Leute, bürgerlicher Leute, wissen Sie, der Typ, von dem Lenin sagte: „Die nützlichen Idioten“. Das heißt, sie waren alle bürgerlich der Natur nach, Arbeitertypen gab’s in der Künstlerkolonie meines Wissens kaum.

Walter Zadek wird am 15. März 1933 zusammen mit Manes Sperber, Theodor Balk, Curt Trepte, Günter Ru­schin und anderen aus der Künstlerkolonie verhaftet. Er wird zum Polizeigefängnis am Alexanderplatz geschafft, schließlich ins Festungsgefängnis nach Spandau.

Auf wundersame Weise kommt er einen Monat später frei, kann fliehen, kommt über Holland, Belgien, schließlich im Dezember 1933 nach Palästina.

Dieses von Stefan Berkholz geführte Interview haben wir estmalig im Künstlerkolonie Kurier 1 abgedruckt.

© Künstlerkolonie Berlin e.V.